Lockengänse legen wertvolle Eier
Sie stehen auf der „Roten Liste der bedrohten Nutztierrassen“, weshalb ihre Zucht eine besondere Herausforderung ist. Warum die Eier der Lockengänse aus Merbeck nicht im Osterkorb landen.
Sorglos und fröhlich schnatternd watscheln sie über die Wiese. Kommt man ihnen zu nah, recken sie drohend ihre Hälse und schütteln empört ihr besonderes Gefieder: Die Rede ist von den Lockengänsen von Martin Wolfs. Sechs Tiere dieser Art leben derzeit in seinem Garten, doch es sollen mehr werden. Denn: Die Lockengänse stehen auf der „Roten Liste der bedrohten Nutztierrassen“– und das sogar ziemlich weit oben. Und deshalb brauchen sie auch keine Sorge um die Eier in ihren Nestern zu haben. Die kommen nicht bunt gefärbt auf den österlichen Frühstückstisch, sondern beherbergen hoffentlich die ersehnten Nachkommen.
Das Aussehen der Lockengänse ist unverwechselbar. Schließlich haben sie ihren Namen ihrem extravaganten Federkleid zu verdanken. Eigentlich eine Laune der Natur, eine Mutation, aber eine überaus attraktive. Was den Vorsitzenden der Geflügelliebhaber Merbeck aber viel mehr dazu inspiriert hat, genau diese Gänse zu halten und zu züchten, ist der Wunsch nach Erhalt der Biodiversität und Rasse- sowie Arterhaltung. Ein bisschen hat auch sein Sohn Daniel am Schräubchen gedreht, denn der 17-Jährige hatte sich vor fünf Jahren in den Anblick der Lockengänse auf einer Grußkarte verliebt. „Zwei Jahre hat es gedauert, bis wir den Kontakt zu einem Züchter herstellen konnten“, erinnert sich das Züchter-Gespann.
Auf dem Weg durch den Garten gehen die beiden immer auch in den Stall, um nachzusehen, ob eine Gans ein Ei gelegt hat. Weil der Versuch einer Naturbrut bei dem ersten und schon betagteren Gänsepaar schiefgegangen ist, kommen die befruchteten Eier nun vorsichtshalber in eine Brutmaschine. „Für die Küken macht das keinen Unterschied. Aber wir laufen so nicht Gefahr, dass die Gans die Eier beim Brüten zerquetscht“, erklärt Wolfs. „Uns ist daran
gelegen, so schnell wie möglich nachzuzüchten, denn eine gesunde Herde fängt bei zehn Gänsen an.“
Daniel erinnert sich noch gerne und ein wenig wehmütig an das Küken „Piep“, das vor zwei Jahren als einziges geschlüpft ist und ihm und seinem Vater auf Tritt und Schritt folgte. „Es saß sogar in meinem Zimmer, wenn ich gezockt habe.“Natürlich haben die Hobbyzüchter schnell gemerkt, dass sie das Tier zu sehr an den Menschen gebunden hatten und es mit den erwachsenen Gänsen erfolgreich sozialisiert. „Aus unerklärlichen Gründen ist Piep aber nicht alt geworden. Das war sehr niederschmetternd“, sagt der 17-Jährige.
Übrigens teilen sich die Gänse ihren Garten noch mit einigen wildfarbigen Warzenenten und schwarzen Zwergorpingtons. Doch wie kam Martin Wolfs zur Geflügelzucht? „Als
Kind habe ich von meinem Opa ein Stück Garten bekommen, weil er sich nicht mehr so gut darum kümmern konnte“, erinnert sich der 48-Jährige. „Ich habe alles gemäht und geschnitten, den Zaun repariert. Doch dann war es mir nicht lebendig genug.“Auf dem Geflügelmarkt in Merbeck fand er dann ein paar Zwerg-Brahma in SchwarzWeiß Columbia und Laufenten in
Braun. „Ich wurde angehalten, beim nächsten Markt wiederzukommen. Dann habe ich an einer Ausstellung teilgenommen und fand mich plötzlich als Vereinsmitglied wieder“, sagt er und lacht. Streckenweise seien 300 Enten über das Grundstück gelaufen. „Da waren wir allerdings eine dreiköpfige Züchtergemeinschaft.“Durch Haus und Familie ist die Leidenschaft für die Geflügelzucht irgendwann etwas ins Hintertreffen geraten, doch dann mit den schwarzen Zwergorpingtons wieder aufgeblüht. „Im Vordergrund steht für uns die Liebe zu dem Tier. Wir holen es aus der Natur und tragen die volle Verantwortung: Wir füttern es, wir kümmern uns um seine Pflege und Gesundheit.“
Martin Wolfs kritisiert, dass es den Geflügelzüchtern heute so schwer gemacht wird, sich in einem Verein zu organisieren und dem Kernhobby nachzugehen. „Bis es so weit ist, dass ein Tier ausgestellt werden kann, müssen wir uns durch die Bürokratie kämpfen“, sagt er. „Selbst für unser junges und mit Organisation vertrautes Team ist das teilweise sehr kompliziert.“Dennoch: Die Geflügelliebhaber Merbeck und ihre 30 Mitglieder von acht bis 81 Jahren sind immer für neue Interessenten offen.