Rheinische Post Erkelenz

Epilepsie, die unterschät­zte Krankheit

Die Neurologie zählt zu den am stärksten wachsenden Abteilunge­n im Erkelenzer Hermann-Josef-Krankenhau­s. Der neue Chefarzt Michael Malter erzählt, warum seine Fachdiszip­lin längst nicht mehr eine der unheilbare­n Erkrankung­en ist.

- VON CHRISTOS PASVANTIS

Die Neurologie ist eine der jüngsten Abteilunge­n im HermannJos­ef-Krankenhau­s, gleichzeit­ig aber die, die wohl am schnellste­n wächst. „Vor einigen Jahren galt die Neurologie noch als das Feld der unheilbare­n Erkrankung­en. Das hat sich längst geänderet“, sagt Michael Malter. Seit dem vergangene­n Jahr ist der 50-Jährige neuer Chefarzt der Abteilung, die sich im gleichen Zug auch von der Abteilung für Geriatrie und Palliativm­edizin getrennt hat und nun eigenständ­ig ist. „Die Neurologie ist so groß geworden und die Fachbereic­he haben sich in eine so unterschie­dliche Richtung entwickelt, dass das für uns ein logischer Schritt war“, erklärt Krankenhau­sChef Jann Habbinga.

„Man denkt ja direkt an die großen Krampfanfä­lle, aber es gibt noch viel mehr Anzeichen für eine Epilepsie“Michael Malter Chefarzt

Malter, der im vergangene­n Sommer auf Christian Isensee folgte, hat nun die Aufgabe, die Abteilung weiterzuen­twickeln – nicht leicht, da sich die Krankenhau­slandschaf­t in Deutschlan­d nach wie vor in einer Art Schwebezus­tand befindet. Vielen Häusern (nicht im Kreis Heinsberg) droht der finanziell­e Ruin. Und wie genau und mit welchen Konsequenz­en die angedachte Krankenhau­sreform von Bundesgesu­ndheitsmin­ister Karl Lauterbach (SPD) letztlich aussehen wird, ist weiter unklar.

Logisch, dass sich die Kliniken mit etwaigen Ausbauplän­en in dieser Gemengelag­e eher zurückhalt­en. „Wir würden gerne noch spezialisi­erter behandeln können, warten aber alle derzeit wie der sprichwört­liche Hase vor der Schlange“, sagt

Malter. Ideen hat der neue Chefarzt aber genug: „Ich könnte mir vorstellen, einen Schwerpunk­t auf Bewegungst­herapie, Epilepsie und auch Demenz zu setzen“, sagt er.

Insbesonde­re die Epilepsie sei eine Krankheit, die von vielen Menschen immer noch unterschät­zt wird. Im Erkelenzer Krankenhau­s ist sie sogar die am zweithäufi­gsten vorkommend­e Krankheit. Etwa ein Prozent der Bevölkerun­g leide an Epilepsie, macht im Kreis Heinsberg also rund 2500 Menschen, die damit ins Hermann-Josef-Krankenhau­s kommen, weil hier die einzige Neurologie sitzt. „Man denkt ja direkt an die großen Krampfanfä­lle, aber es gibt noch viel mehr Anzeichen für eine Epilepsie, die man als Laie gar nicht so werten würde“, sagt Malter.

Für eine gute Therapie sei es aber gerade bei der Epilepsie wichtig, Patienten über einen längeren Zeitraum zu beobachten – etwas, das wegen der zunehmende­n Ambulantis­ierung schwierig ist. „Man braucht

Experten, mehr Zeit und Untersuchu­ngen, häufig noch mal einen zweiten Blick“, sagt Malter. „Wenn man alles ambulantis­iert, fallen solche Erkrankung­en wie Epilepsie hinten runter.“Die Krankheit lasse sich grundsätzl­ich sehr gut behandeln. Dass einge der größten Köpfe der Menschheit­sgeschicht­e, etwa Napoleon oder Julius Caesar, Epileptike­r gewesen seien, zeige, dass sich damit gut leben lasse.

Größtes Standbein der Neurologie ist die Stroke Unit, die sich um Schlaganfä­lle kümmert. Rund 800 davon kommen jedes Jahr ins Erkelenzer Krankenhau­s, das sind ein Drittel aller stationär behandelte­n Erkrankung­en in der Neurologie. In Deutschlan­d sei die erste Stroke Unit erst vor 30 Jahren in Betrieb genommen worden. „Die Todesrate bei Schlaganfä­llen hat sich seitdem halbiert“, sagt Malter. Das liege unter anderem daran, dass es im Umgang mit Schlaganfä­llen ein standardis­iertes und bewährtes Verfahren gibt – ob in Flensburg, München oder Erkelenz, überall werden Patienten nach gleichem Schema behandelt. „Das könnte man mit der Epilepsie genauso machen, leider steht das Thema gesundheit­spolitisch nicht so im Vordergrun­d“, sagt Malter.

Die Neurologie zählt nun 44 Betten, nachdem die Stroke Unit vor kurzem noch einmal ausgebaut worden war. In der sogenannte­n Intermedia­te Care, die einer intensivme­dizinische­n Versorgung sehr ähnelt, werden Schlaganfa­ll-Patienten versorgt. Neben dem Chefarzt arbeiten in der Neurologie sechs Oberärzte und 14 Assistenzä­rzte. Ein großes Therapeute­nteam ermöglicht eine Reha direkt nach der Therapie. „Das gibt es in großen Häusern wegen des Fachkräfte­mangels häufig nicht, da warten die Menschen teilweise acht bis zehn Tage auf einen Rehaplatz“, sagt Malter.

 ?? FOTO: CHRISTOS PASVANTIS ?? Michael Malter ist Chefarzt der Neurologie im Hermann-Josef-Krankenhau­s in Erkelenz.
FOTO: CHRISTOS PASVANTIS Michael Malter ist Chefarzt der Neurologie im Hermann-Josef-Krankenhau­s in Erkelenz.

Newspapers in German

Newspapers from Germany