Ein besseres Leben für Schweine
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) konkretisiert seine Pläne zum Tierwohlcent. Fleisch und Wurst könnten teurer werden. Verbraucherschützer sehen das bloß als Übergangslösung.
Wenn es plötzlich Veggieschnitzel statt Currywurst in der Kantine geben soll, scheiden sich die Geister. Dann ist vom „Kraftriegel der Facharbeiter“die Rede, und es gibt einen Aufschrei – so war es zumindest, als VW 2021 in einer seiner Kantinen nur noch fleischfreie Gerichte anbieten wollte. Doch beim Tierwohl können sich die meisten Menschen dann auf eins einigen: Bevor Schweine, Kühe und Hühner zu Steak, Braten und Wurst verarbeitet werden, sollten sie ein möglichst gutes Leben führen. Immerhin achtet laut einem Ernährungsreport des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft jeder Zweite beim Einkauf aufs Tierwohllabel. Etwa 92 Prozent ist es wichtig, unter welchen Bedingungen die Nutztiere gehalten wurden.
Doch würden sie auch mehr für ihr Fleisch bezahlen? Diese Frage stellt sich angesichts des Vorstoßes von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne). Er hat seine Pläne für einen sogenannten Tierwohlcent konkretisiert, also eine Steuer auf Fleisch. In einem Eckpunktepapier, das er an die drei Ampel-Fraktionen schickte, macht er konkrete Vorschläge.
Wie würde der Tierwohlcent funktionieren?
Der Tierwohlcent soll als Fleischsteuer auf bestimmte tierische Produkte erhoben werden. Dazu gehören laut Eckpunktepapier Fleisch, Fleischerzeugnisse und genießbare Schlachtnebenerzeugnisse(TeilevongeschlachtetenTieren, die nicht als Fleisch definiert sind), aber auch Verarbeitungsprodukte mit einem bestimmten Anteil von Fleisch, Fleischerzeugnissen oder genießbaren Schlachtnebenerzeugnissen. Ziel des Ganzen ist es, Steuereinnahmen für „wichtige, vornehmlich landwirtschafts- und ernährungspolitische Vorhaben“zu generieren. Die Steuer soll pro Kilogramm Fleisch erhoben werden.
Wie hoch wird die Fleischsteuer ausfallen?
Das ist noch unklar. Özdemir schreibt, dass die Höhe des Steuersatzes „frei skalierbar“sei und „politisch entschieden“werden müsse. Mitte Januar hatte er von „wenigen Cent pro Kilogramm“mehr gesprochen. Es gibt mehrere Vorschläge. So sprach sich die inzwischen aufgelöste Borchert-Kommission, als Kompetenzzentrum für Nutztierhaltung gegründet, 2020 für eine Tierwohlabgabe von 40 Cent pro Kilo aus. Das Umweltbundesamt schlug 2022 vor, Fleischprodukte nicht mehr nur mit ermäßigten sieben, sondern mit 19 Prozent zu besteuern. In beiden Fällen würde es sich um mehr als bloß einen Cent handeln.
Wie wirkt sich der Tierwohlcent auf Verbraucherinnen und Verbraucher aus?
Özdemir hatte noch im Januar betont, die Menschen mit dem Tierwohlcent nicht verärgern zu wollen. „Wenn die Currywurst ein paar Cent teurer wird, dann ist die Angst vor dem Shitstorm groß“, sagte der Bundeslandwirtschaftsminister damals. Doch wenn die Fleischsteuer kommt, wird sich das nicht nur im Supermarkt und beim Metzger bemerkbar machen, sondern auch in Restaurants, Kantinen und Cateringservices. Insgesamt dürften die Fleischpreise deutlich anziehen und vor allem Menschen mit geringem Einkommen eher davon abhalten, bestimmte tierische Produkte zu kaufen.
Was sagen Verbraucherschützer? Die Verbraucherzentrale NRW sieht die Fleischsteuer kritisch. „Mit dem Tierwohlcent sollen nun die Verbraucher:innen zur Kasse gebeten werden. Wir sehen die Ankündigung der Tierwohlabgabe als befristete Übergangslösung“, schreibt ein Sprecher auf Anfrage. Denn langfristig müssten sich am Markt kostendeckende Preise für Fleisch aus besserer Haltung bilden – und Verbraucherinnen und Verbraucher sicher sein können, dass die Mehrkosten den Tieren zugutekämen. „Es sollte daher ein Monitoring, also einen Nachweis geben, ob die Tiere tatsächlich besser gehalten werden“, so der Sprecher. Ursprünglich habe die BorchertKommission das Konzept mit einem sozialen Ausgleich für von Armut betroffene oder bedrohte Menschen vorgeschlagen. Davon sei nun aber keine Rede mehr.
Was sagen Tierschützer? Der Deutsche Tierschutzbund begrüßt den Vorstoß: „Endlich kommt was in Bewegung. Eine Fleischabgabe haben wir schon lange gefordert“, sagte Präsident Thomas Schröder. Er plädiert dafür, sich an das Konzept der Borchert-Kommission zu halten und 40 Cent pro Kilo aufzuschlagen. „Wer Fleisch isst, dem muss das Tier vier Cent je 100 Gramm Fleisch zusätzlich wert sein. Wer sich dagegen ausspricht, dem sind die Tiere egal“, so Schröder. Im Januar hatten bereits mehrere Tier- und Umweltschutzorganisationen ein gemeinsames Statement verfasst, das sich für den Tierwohlcent ausspricht – darunter auch die Deutsche Umwelthilfe, Greenpeace und WWF.