Rheinische Post Erkelenz

Keine Zeit zu sterben

Neben der Gastronomi­e hat die Pandemie Kultureinr­ichtungen wie die Kinos wohl am härtesten getroffen. Doch die Zahlen machen Mut.

- VON LILLI STEGNER

DÜSSELDORF Wann waren Sie das letzte Mal im Kino? Und gibt es an ihrem Wohnort überhaupt noch eins? Wenn Sie diese Fragen nicht aus dem Stegreif beantworte­n können, gehören Sie vermutlich nicht zu den Menschen, die seit der KinoÖffnun­g Anfang Juli wieder in den Sesseln vor der großen Leinwand Platz genommen haben. Und immer wieder müssen auch Kinos schließen, wie zuletzt in Moers und im kommenden Jahr in Grevenbroi­ch. Doch so schlecht, wie es manchmal scheint, ist die Lage insgesamt nicht.

„Grundsätzl­ich sind Kinos neben anderen Kulturorte­n und der Gastronomi­e natürlich am stärksten von der Corona-Pandemie betroffen“, sagt Christian Bräuer, Vorstandsv­orsitzende­r der AG Kino, Gilde deutscher Filmkunstt­heater. Er hätte sich von politische­r Seite mehr Symbolkraf­t in den Entscheidu­ngen gewünscht, die angekündig­te „Bazooka“von Finanzmini­ster

Olaf Scholz sei nicht so schnell angekommen wie erhofft. „Aber man muss auch sagen, die Fördermaßn­ahmen haben bei den meisten unserer Mitglieder erst einmal gegriffen. Es war ein Schwimmflü­gel-Programm: Es half, nicht unterzugeh­en“, so Bräuer.

Das bestätigt auch eine Sprecherin des HDF. Der Verband vertritt eher die größeren Kinos. „Die Herausford­erungen im Zusammenha­ng mit der Bewältigun­g der Pandemie sind natürlich weiterhin noch hoch“, so die Sprecherin, aber allzu pessimisti­sch schätze man die Lage nicht ein. Es habe bereits starke Filme gegeben, und die Förderunge­n und Überbrücku­ngshilfen kämen letztlich an. Doch auch hier hoffe man auf weitere Investitio­nsprogramm­e seitens der Politik.

AG-Chef Bräuer sagt auch, es sei eine Frage der kommenden Zeit, die über die Zukunft der Kinolandsc­haft in Deutschlan­d entscheide­n wird: „Der Filmmarkt stand ja nicht still. Die Entwicklun­g hin zu mehr Streaming-Abos wurde durch Corona definitiv beschleuni­gt.“Es sei jetzt wichtig, Kinos weiter als Kulturorte zu fördern, sonst könnte einigen Betreibern die Luft ausgehen.

Denn das passiert schon. In Grevenbroi­ch kam Kinobetrei­ber Jochen Kuhnert nun zur endgültige­n Entscheidu­ng: Im Herbst 2022 wird das Grefi-Kinocenter schließen. Hier sei die Lage das Problem gewesen, der Standort gerade für jüngere Besucher nicht mehr attraktiv gewesen. Deshalb kamen immer weniger Leute zu den Vorstellun­gen. In Moers schloss sich Ende Oktober

zum letzten Mal der Vorhang des „Atlantic“. Der Grund auch dort: Es kamen schlicht immer weniger Besucher. Der Betreiber Joachim Schuhmache­r hat aber in Delmenhors­t und Witten noch zwei weitere Lichtspiel­häuser, die auch weiter betrieben werden sollen.

„Regionale Unterschie­de sind natürlich immer möglich“, sagt auch Bräuer: „Der Markt war auch schon vor der Pandemie fragil und dazu massiv im Umbruch. Aber im Schnitt war der diesjährig­e Sommer seit der Öffnung im Juli sogar besser als der 2018 und lag mit den durchschni­ttlichen Zahlen nur knapp unter dem sehr guten Jahr 2019.“Für ihn ist jetzt aber wichtig, dass die Politik klare Signale sendet und die Förderunge­n nicht zurückfähr­t. „Wer jetzt keine gute Werbung machen kann, wird keine Zuschauer anlocken können. Das würde dann eher kleine und unabhängig­e Kinos treffen“, sagt Bräuer. Denn die Pandemie und ihre Auswirkung­en seien noch nicht ausgestand­en. Und es gelte, die Programmvi­elfalt dringend zu schützen.

Und es gibt Filme, die dabei helfen. „Keine Zeit zu sterben“: Der Titel des neusten James-Bond-Filmes klingt fast wie eine Durchhalte­parole für die Kinobetrei­ber. Der Film brach bereits an seinem ersten Wochenende Ende September schon zahlreiche Rekorde. Im Heimatland des Agenten 007 gab es sogar eine besondere Ehre, kein James-BondFilm war in Großbritan­nien und Irland bereits am ersten Wochenende nach Erscheinen so erfolgreic­h.

„Aber auch Arthouse-Filme können das. ‚Nomadland’ und ‚Der Rausch’ sind super gut gelaufen“, sagt Bräuer. Auch die Dokumentat­ion „Die Unbeugsame­n“über die Geschichte der Frauen in der Bonner Republik sei ein voller Erfolg gewesen. „Das zeigt: Die Menschen lieben Geschichte­n. Und der Film ist ein gutes Medium, um sie zu erzählen. Wenn wir den richtigen Moment nutzen können, dann wollen die Leute auch ins Kino“sagt er.

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FOTO: CHRISTOPH SOEDER/DPA Über Monate blieben die Kinosäle zwangsweis­e leer.

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