Chemie-Managerin kämpft gegen den Klimawandel
Sucheta Govil ist Vorständin beim Chemiekonzern Covestro. Hier spricht sie darüber, wie ihre Heimat Indien sie geprägt hat, was der Klimaschutz für die Werke in der Region bedeutet und was sie jungen Frauen rät.
LEVERKUSEN Als Sucheta Govil als Kind nach ihrem Berufswunsch gefragt wurde, griff sie gleich nach den Sternen: „Ich will die Welt verändern“, sagte sie ihren Eltern, mit denen sie in Indien lebte. Später wurde es dann noch konkreter: Sie studierte Ökonomie. Mit überragendem Erfolg: Heute ist sie im Covestro-Vorstand als „Chief Commercial Officer“tätig und will den Leverkusener Chemiekonzern grüner machen: „Wir haben uns ganz der Kreislaufwirtschaft verschrieben“, sagt sie. „Covestro selbst arbeitet an einem genauen Fahrplan hin zur Klimaneutralität.“
Govil hat in vielen Ländern der Welt gearbeitet und besitzt die britische Staatsbürgerschaft, doch ihre Wurzeln liegen in Indien: „Indien hat mich geprägt“, sagt die Managerin. „Es ist ein hungriges Land – es zeigt: Wir müssen mehr aus unseren Ressourcen machen, um alle satt zu bekommen. Und es lehrt uns, wie wichtig das Vertrauen in andere Menschen ist.“
Nun zählen Chemiekonzerne per se nicht unbedingt zur ersten Garde der Klimaschützer. Basis vieler Produkte ist noch immer Erdöl, also ein fossiler Energieträger. Govil ist aber überzeugt: „In wenigen Jahrzehnten ist die Chemie auch ganz ohne Erdöl möglich.“Nun gehe es darum, nachwachsende Rohstoffe zur Herstellung moderner Kunststoffe zu nutzen, auf erneuerbaren Strom umzustellen und entstehende Kohlendioxid-Emissionen einem Kreislauf zuzuführen. „Das ist eine große Herausforderung – für die Wirtschaft und für Covestro“, sagt sie.
Überleben das die CovestroStandorte in Leverkusen, Krefeld und Dormagen, in denen aktuell 6800 Mitarbeiter tätig sind? „Natürlich. Die rheinischen Werke überleben auch in einer klimaneutralen Welt. Wir wollen die Produktion nicht stoppen, sondern mit einer neuen Rohstoffbasis ergänzen. Statt Phenol können wir zum Beispiel das Gleiche auf Basis alternativer Rohstoffe einsetzen, und statt Kohlendioxid als Abfallprodukt zu sehen, sehen wir es als Ressource“, ist Govil überzeugt. Zudem betont sie: „Ob in der Auto- oder Bauindustrie – unsere leichten High-Tech-Kunststoffe helfen unseren Kunden, ihre Klimaziele zu erreichen.“
Von der Klimakonferenz in Glasgow erhofft sie sich einen Aufbruch: „Wir müssen uns ehrlich den Spiegel vorhalten, uns ehrgeizigere Klimaziele setzen und diese konsequent verfolgen.“Nun müsse unser freiheitliches Wirtschaftssystem zeigen, was es könne, um die Transformation zu schaffen.
Im Spätsommer hatte eine Ankündigung des Dax-Konzerns zum möglichen Stellenabbau zu Fragen in den Werken der Region geführt. „Covestro befindet sich in einem Umbau, denn die Ausrichtung auf die Kreislaufwirtschaft erfordert hohe Investitionen. Um das zu erreichen, prüfen wir alle unsere Prozesse und Aufgaben im Unternehmen“, betont Govil. Wie viele Arbeitsplätze am Ende betroffen seien, stehe noch nicht fest.
Govil hat in Delhi und Kalkutta studiert, in Großbritannien, China und den Niederlanden gearbeitet – unter anderem für Glaxo Smith Kline, Pepsi, Akzonobel und DSM. Seit 2019 ist sie in Deutschland. Eine solche Karriere war ihr nicht in die
Wiege gelegt. Ihr Vater war Staatsbediensteter, ihre Mutter Hausfrau. Für sie und ihre beiden Schwestern war es aber keine Frage, das klassische Rollenbild zu verlassen: „Auf der einen Seite ist das Frauenbild in Indien sehr traditionell – viele erwarten, dass Frauen erst einmal Kinder bekommen sollen. Auf der anderen Seite macht es Indien den Frauen leichter als in Deutschland berufstätig zu sein: Ein Kindermädchen zu haben, ist dort üblich.“
Heute lebt sie in Düsseldorf, die Familie ist in Großbritannien. In der knappen Freizeit malt sie gerne, früher spielte sie auch Basketball. „Obwohl ich nur 1,58 Meter groß bin, war das ein toller Sport für mich.“
Der Frauenquote steht sie kritisch gegenüber, eigene Ambitionen findet sie dagegen nötig: „Eine Frauenquote ist nicht originell, kann aber in anderer Form helfen. Und Unternehmen sind es gewöhnt, Vorgaben und Zahlen zu erfüllen – das kann auch bei diesem Thema funktionieren.“Bei Covestro ist – sie eingerechnet – ein Viertel des Vorstands weiblich. Zudem hat das Unternehmen seine Ambitionen mit Blick auf den Frauenanteil im Unternehmen ausgebaut: Bis 2029 strebt Covestro an, den weltweiten Anteil von Frauen an der Belegschaft auf 40 Prozent zu erhöhen.
Govils Rat an junge Frauen: „Glaubt an euch, sagt selbstbewusst, was ihr wollt – und lasst euch nicht vor ein Entweder-Oder stellen.“Govil selbst hat zwei Söhne, der eine lebt in Kanada, der andere ist Musiker in England: „Punkrock, als liebende Mutter gefällt mir auch das“, sagt sie. Ihr Credo: „Familie und Beruf sind keine Gegensätze.“