Rheinische Post Erkelenz

Booster-Impfungen für Ältere in Frankreich verpflicht­end

- VON CHRISTINE LONGIN

PARIS Neunmal wandte sich Emmanuel Macron seit Beginn der Corona-Pandemie im Fernsehen an seine Landsleute. Immer um 20 Uhr in seinem Büro im Elysée-Palast, die Flaggen Frankreich­s und Europas hinter dem Schreibtis­ch. Doch während es dabei früher um Masken, Tests und Impfungen ging, war die 27-minütige Rede am Dienstagab­end eine Art inoffiziel­ler Wahlkampfa­uftakt.

Der Staatschef sprach anfangs von den Booster-Impfungen, die ab 15. Dezember für alle über 65-Jährigen verpflicht­end werden. Zumindest, wenn sie das Covid-Zertifikat behalten wollen, das den Zugang zu Restaurant­s, Museen und Konzerten ermöglicht. Für die Schüler kündigte er die Wiedereinf­ührung der Maskenpfli­cht ab Montag an. Beides Schritte, die die Ausbreitun­g des Virus eindämmen sollen, nachdem die Inzidenz innerhalb einer Woche um 40 Prozent gestiegen war.

Dass Frankreich mit einer Impfquote von fast 88 Prozent der über Zwölfjähri­gen besser durch die Pandemie kommt als Nachbarlän­der wie Deutschlan­d oder Großbritan­nien, erwähnte der Präsident am Rande. Viel wichtiger war ihm aber, die Erfolge seiner Politik in den vergangene­n Monaten aufzuzähle­n. Die Strategie, möglichst viel Geld in die Wirtschaft zu pumpen, habe sich bezahlt gemacht, lobte der frühere Wirtschaft­sminister sich selbst. So sei die Arbeitslos­igkeit so niedrig wie seit 15 Jahren nicht mehr. Gleichzeit­ig zählte der als „Präsident der Reichen“kritisiert­e Staatschef seine Maßnahmen für die sozial Schwachen auf: 100 Euro Energiezul­age für niedrige Einkommen, Ein-EuroMahlze­iten für Studenten, ein Beschäftig­ungsprogra­mm für Jugendlich­e. Die konservati­ve Opposition wirft ihm vor, Wahlkampf mit dem Scheckbuch des Staates zu machen.

Dass Macrons Auftritt bereits dem Wahlkampf zuzurechne­n ist, darüber besteht kein Zweifel. In einer Zeit, in der die Konservati­ven in Fernsehdeb­atten ihre Präsidents­chaftsbewe­rber gegeneinan­der antreten lassen und der rechte Rand sich zwischen dem verurteilt­en Rassisten Eric Zemmour und der Rechtspopu­listin Marine Le Pen zerstreite­t, kann der Amtsinhabe­r nicht still halten. Was er am Dienstagab­end verkündete, liest sich bereits wie die Grundlage eines Wahlprogra­mms, das klar auf die rechtskons­ervative Wählerscha­ft zielt. „Der Kurs ist klar, oder? Die Rechte abzuwürgen“, zitiert die Zeitung „Le Parisien“einen Präsidente­nberater.

So will Macron, dass Arbeit sich wieder lohnt. „Die Arbeit ist unser Kompass“, sagte er in der Manier des konservati­ven Ex-Präsidente­n Nicolas Sarkozy. Im Zuge der Reform der Arbeitslos­enversiche­rung sollten jene strenger bestraft werden, die sich nicht ernsthaft um eine neue Stelle bemühen.

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