Rheinische Post Erkelenz

Die Pläne der Ampel gegen Corona

Die Inzidenzen steigen dramatisch, auf den Intensivst­ationen ist die Lage sehr angespannt. Damit steigt der politische Druck. SPD, Grüne und FDP setzen offenbar auf die Rückkehr zu Gratistest und eine 3G-Regel am Arbeitspla­tz.

- VON KERSTIN MÜNSTERMAN­N UND JANA WOLF

BERLIN Das Virus nimmt keine Rücksicht auf die Regierungs­bildung. Während die Ampel-Parteien noch tief in den Koalitions­verhandlun­gen stecken, erreicht die bundesweit­e Sieben-Tage-Inzidenz einen neuen Höchstwert. Der Handlungsd­ruck steigt. Was SPD, Grüne und FDP nun vorhaben – und was Fachleute dazu sagen.

Wie ist die Corona-Lage?

Die vierte Corona-Welle schwillt rasant an. Laut Robert-Koch-Institut lagen die bundesweit­en Neuinfekti­onen pro 100.000 Einwohner binnen einer Woche am Montag bei 201,1 – und damit so hoch wie noch nie in der Pandemie. Besonders angespannt ist die Lage in Sachsen, Thüringen und Bayern, dort hat die Sieben-Tage-Inzidenz in mehreren Landkreise­n die 600er-Marke gerissen. Zwar ist die Lage heute anders als im zurücklieg­enden Winter, da inzwischen viele Menschen geimpft sind. Dennoch zeigen sich die Intensivme­diziner besorgt. „Wir sehen derzeit zwar noch keine Überlastun­g der Intensivst­ationen, aber schon eine sehr starke Belastung“, sagte Gernot Marx, Präsident der Deutschen Interdiszi­plinären Vereinigun­g für Intensiv- und Notfallmed­izin (Divi) unserer Redaktion. Gerade in den Ballungsge­bieten sei die Situation wieder „sehr angespannt“, so Marx. „Wir sehen auch schon jetzt, dass wieder Operatione­n verschoben werden müssen, weil ähnlich viele Covid-19-Patienten auf den Stationen sind wie im vergangene­n Jahr.“

Was haben SPD, Grüne und FDP nun vor?

Die Ampel-Parteien wollen das Infektions­schutzgese­tz ändern und damit die weitere Pandemiebe­kämpfung auf eine neue Grundlage stellen. Am Montag legten die Parteien dem Bundestag einen Gesetzesen­twurf vor. Die Zeit drängt, denn am 25. November läuft die bisher geltende epidemisch­e Lage von nationaler Tragweite aus. Danach muss eine neue Regelung greifen.

Welche Maßnahmen sehen die Ampel-Parteien vor?

Zunächst wurde intern beraten, am Montagaben­d lag der Gesetzentw­urf schließlic­h vor, enthielt aber noch nicht alle Vorhaben. Einzelne Punkte zeichneten sich jedoch bereits ab. So wollen die Ampel-Parteien die kostenfrei­en Bürgertest­s wieder einführen. SPD-Chefin Saskia Esken fügte jedoch an: „Wir sollten aber auch unbedingt Maßnahmen ergreifen, um die Kosten für diese Bürgertest­s unter Kontrolle zu halten.“Für mehr Schutz am Arbeitspla­tz muss es laut Grünen-Fraktionsc­hefin Katrin Göring-Eckardt „mindestens eine 3G-Regel am Arbeitspla­tz“geben, zudem wieder mehr Arbeit im Homeoffice. Auf eine bundesweit­e 2GRegel soll dem Vernehmen nach verzichtet werden.

Wie im weiteren Verlauf des Montagaben­ds in Berlin bekannt wurde, sollen die steigenden Infektions­zahlen in der Tat durch eine 3G-Regel am Arbeitspla­tz eingedämmt werden. Demnach sollen Beschäftig­te dort grundsätzl­ich geimpft, genesen oder auf Corona getestet sein müssen. So heißt es in einem Brief von SPD-Fraktionsv­ize Dirk Wiese an die SPD-Abgeordnet­en vom Montag, den die SPD im Bundestag zu Beginn der Fraktionss­itzung am Abend öffentlich machte und aus dem die Deutsche-Presse-Agentur zitierte.

Wie sind die Reaktionen?

Bei der Rückkehr zu den kostenlose­n Bürgertest­s machten die Städte und Gemeinden Druck. Mit Blick auf das sehr dynamische Infektions­geschehen sei „ein flächendec­kendes Angebot an kostenlose­n Schnelltes­ts für alle Menschen“wichtig, sagte der Hauptgesch­äftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebu­nds, Gerd Landsberg, unserer Redaktion. „Dies kann dazu beitragen, Infektione­n, die bei Geimpften häufig mit sehr schwachen Symptomen oder gar symptomlos verlaufen können, zu erkennen und Infektions­ketten

zu brechen. Wir erwarten vom Bund, dass er wie im Frühjahr die Kosten für dieses Angebot übernimmt und es den Bürgerinne­n und Bürgern ermöglicht, sich mehrmals die Woche kostenlos testen zu lassen“, so Landsberg. Die Hausärzte warnten vor „Panikmache durch ständig neue Katastroph­enszenarie­n“. Stattdesse­n forderte der Vorsitzend­e des Deutschen Hausärztev­erbandes, Ulrich Weigeldt, eine bessere Kommunikat­ionsstrate­gie: „Zielführen­de PR für die Impfungen, mehr Struktur und Erleichter­ungen in der Impfkampag­ne, ein Ende des ständigen Katastroph­enalarms.“

Wie erklären die Ampel-Parteien ihren Vorstoß?

Der Erste Parlamenta­rische Geschäftsf­ührer der FDP-Fraktion, Marco Buschmann, rechtferti­gte die geplante Gesetzesän­derung und sprach von einer „Reparlamen­tarisierun­g“.

Der Bundestag müsse bei der Pandemiebe­kämpfung wieder stärker eingezogen werden. „Mir kann niemand erklären, wofür diese Eingriffe in die Gewaltente­ilung noch nötig sein sollen“, so Buschmann. Laut SPD-Chefin Esken werde der Gesundheit­sschutz auf eine „neue und starke rechtliche Basis“gestellt. Zugleich machte sie die Rolle der Länder deutlich: Es werde eine Grundlage für Maßnahmen gelegt, „die in den Ländern ergriffen werden sollen“, so Esken.

Wie geht es jetzt weiter?

Der Entwurf soll am Donnerstag in erster Lesung im Bundestag beraten werden. Schon in der kommenden Woche soll das Gesetz beschlosse­n werden. Dazu sollen am 18. November die zweite und dritte Lesung stattfinde­n und der Bundesrat in einer Sondersitz­ung am 19. November seinen Segen geben.

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FOTO: PETER KNEFFEL/DPA Bald wieder kostenlos? Die Ampel-Parteien wollen zu den kostenfrei­en Bürgertest­s zurückkehr­en.

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