Die Pläne der Ampel gegen Corona
Die Inzidenzen steigen dramatisch, auf den Intensivstationen ist die Lage sehr angespannt. Damit steigt der politische Druck. SPD, Grüne und FDP setzen offenbar auf die Rückkehr zu Gratistest und eine 3G-Regel am Arbeitsplatz.
BERLIN Das Virus nimmt keine Rücksicht auf die Regierungsbildung. Während die Ampel-Parteien noch tief in den Koalitionsverhandlungen stecken, erreicht die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz einen neuen Höchstwert. Der Handlungsdruck steigt. Was SPD, Grüne und FDP nun vorhaben – und was Fachleute dazu sagen.
Wie ist die Corona-Lage?
Die vierte Corona-Welle schwillt rasant an. Laut Robert-Koch-Institut lagen die bundesweiten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen einer Woche am Montag bei 201,1 – und damit so hoch wie noch nie in der Pandemie. Besonders angespannt ist die Lage in Sachsen, Thüringen und Bayern, dort hat die Sieben-Tage-Inzidenz in mehreren Landkreisen die 600er-Marke gerissen. Zwar ist die Lage heute anders als im zurückliegenden Winter, da inzwischen viele Menschen geimpft sind. Dennoch zeigen sich die Intensivmediziner besorgt. „Wir sehen derzeit zwar noch keine Überlastung der Intensivstationen, aber schon eine sehr starke Belastung“, sagte Gernot Marx, Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) unserer Redaktion. Gerade in den Ballungsgebieten sei die Situation wieder „sehr angespannt“, so Marx. „Wir sehen auch schon jetzt, dass wieder Operationen verschoben werden müssen, weil ähnlich viele Covid-19-Patienten auf den Stationen sind wie im vergangenen Jahr.“
Was haben SPD, Grüne und FDP nun vor?
Die Ampel-Parteien wollen das Infektionsschutzgesetz ändern und damit die weitere Pandemiebekämpfung auf eine neue Grundlage stellen. Am Montag legten die Parteien dem Bundestag einen Gesetzesentwurf vor. Die Zeit drängt, denn am 25. November läuft die bisher geltende epidemische Lage von nationaler Tragweite aus. Danach muss eine neue Regelung greifen.
Welche Maßnahmen sehen die Ampel-Parteien vor?
Zunächst wurde intern beraten, am Montagabend lag der Gesetzentwurf schließlich vor, enthielt aber noch nicht alle Vorhaben. Einzelne Punkte zeichneten sich jedoch bereits ab. So wollen die Ampel-Parteien die kostenfreien Bürgertests wieder einführen. SPD-Chefin Saskia Esken fügte jedoch an: „Wir sollten aber auch unbedingt Maßnahmen ergreifen, um die Kosten für diese Bürgertests unter Kontrolle zu halten.“Für mehr Schutz am Arbeitsplatz muss es laut Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt „mindestens eine 3G-Regel am Arbeitsplatz“geben, zudem wieder mehr Arbeit im Homeoffice. Auf eine bundesweite 2GRegel soll dem Vernehmen nach verzichtet werden.
Wie im weiteren Verlauf des Montagabends in Berlin bekannt wurde, sollen die steigenden Infektionszahlen in der Tat durch eine 3G-Regel am Arbeitsplatz eingedämmt werden. Demnach sollen Beschäftigte dort grundsätzlich geimpft, genesen oder auf Corona getestet sein müssen. So heißt es in einem Brief von SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese an die SPD-Abgeordneten vom Montag, den die SPD im Bundestag zu Beginn der Fraktionssitzung am Abend öffentlich machte und aus dem die Deutsche-Presse-Agentur zitierte.
Wie sind die Reaktionen?
Bei der Rückkehr zu den kostenlosen Bürgertests machten die Städte und Gemeinden Druck. Mit Blick auf das sehr dynamische Infektionsgeschehen sei „ein flächendeckendes Angebot an kostenlosen Schnelltests für alle Menschen“wichtig, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, unserer Redaktion. „Dies kann dazu beitragen, Infektionen, die bei Geimpften häufig mit sehr schwachen Symptomen oder gar symptomlos verlaufen können, zu erkennen und Infektionsketten
zu brechen. Wir erwarten vom Bund, dass er wie im Frühjahr die Kosten für dieses Angebot übernimmt und es den Bürgerinnen und Bürgern ermöglicht, sich mehrmals die Woche kostenlos testen zu lassen“, so Landsberg. Die Hausärzte warnten vor „Panikmache durch ständig neue Katastrophenszenarien“. Stattdessen forderte der Vorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt, eine bessere Kommunikationsstrategie: „Zielführende PR für die Impfungen, mehr Struktur und Erleichterungen in der Impfkampagne, ein Ende des ständigen Katastrophenalarms.“
Wie erklären die Ampel-Parteien ihren Vorstoß?
Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Marco Buschmann, rechtfertigte die geplante Gesetzesänderung und sprach von einer „Reparlamentarisierung“.
Der Bundestag müsse bei der Pandemiebekämpfung wieder stärker eingezogen werden. „Mir kann niemand erklären, wofür diese Eingriffe in die Gewaltenteilung noch nötig sein sollen“, so Buschmann. Laut SPD-Chefin Esken werde der Gesundheitsschutz auf eine „neue und starke rechtliche Basis“gestellt. Zugleich machte sie die Rolle der Länder deutlich: Es werde eine Grundlage für Maßnahmen gelegt, „die in den Ländern ergriffen werden sollen“, so Esken.
Wie geht es jetzt weiter?
Der Entwurf soll am Donnerstag in erster Lesung im Bundestag beraten werden. Schon in der kommenden Woche soll das Gesetz beschlossen werden. Dazu sollen am 18. November die zweite und dritte Lesung stattfinden und der Bundesrat in einer Sondersitzung am 19. November seinen Segen geben.