Zwei Explosionen, ein Feuer und viel Propaganda
Die Angriffe auf Tanker verschärfen die Lage am Golf. Die USA wie der Iran wollen unbedingt den Eindruck von Schwäche vermeiden.
TEHERAN/WASHINGTON Nach den Angriffen auf zwei Öltanker im Golf von Oman beginnt die Propagandaschlacht zwischen den USA und dem Iran. Haben Soldaten oder Verbündete Teherans die Anschläge verübt, um die Rücknahme der Wirtschaftssanktionen zu erzwingen, wie die US-Regierung sagt? Oder wurden die Tanker angegriffen, um den Iran zu diskreditieren und einen Krieg zu provozieren, wie die iranische Botschaft bei den Vereinten Nationen erklärte? Gesicherte Erkenntnisse über die Hintermänner gab es am Freitag noch nicht. Allerdings zeichnete sich ab, dass die Spannungen weiter eskalieren könnten.
Fest steht, dass sich die Angriffe am Donnerstagmorgen im Golf von Oman nahe der Straße von Hormus ereigneten. Nacheinander setzten zuerst der mit Schwerbenzin beladene Tanker „Front Altair“und dann das Schiff „Kokuka Courageous“, das Methanol an Bord hatte, Notrufe ab. Beide Schiffe waren rund 40 Kilometer südlich der iranischen Küste durch Explosionen am Rumpf beschädigt worden; die „Front Altair“stand in Flammen. Die Mannschaften blieben unverletzt. Die Schiffe sollen in nahegelegene Häfen gebracht werden.
Damit endet aber auch schon der von allen Seiten akzeptierte Teil. Während der Iran, dessen Rettungsmannschaften nach Teheraner Angaben als erste bei den beiden Schiffen ankamen, von nicht näher bezeichneten „Unfällen“sprach, warf die US-Regierung den Iranern einen gezielten Angriff vor.
Die Art und Weise, wie die Tanker beschädigt wurden, ist ebenfalls umstritten. US-Quellen legen einen Anschlag mit Haftminen nahe, die mit Magneten an der Außenhülle der Schiffe angebracht worden sein sollen. Minen dieser Art waren vor einem Monat bei ähnlichen Angriffen auf vier Tanker vor der Küste der Vereinigten Arabischen Emirate verwendet worden. Auch damals hatten die USA den Iran beschuldigt.
Allerdings erklärte der japanische Betreiber der „Kokuka Courageous“, Mitglieder der Besatzung hätten vor der Explosion „fliegende Objekte“in der Nähe der Schiffe gesehen. Es blieb unklar, ob es sich dabei um Drohnen gehandelt haben könnte. Fotos des Schiffes zeigten Beschädigungen am Rumpf des Tankers.
Für die US-Regierung gibt es keinen Zweifel, dass der Iran die Tanker angegriffen hat. Die USA veröffentlichten ein Video, das zeigen soll, wie iranische Revolutionsgardisten mit einem Schnellboot an eines der Schiffe fahren und eine nicht explodierte Haftmine entfernen, um Spuren zu beseitigen. Der Iran weist das alles zurück. Die Botschaft des Landes bei der Uno sprach von „Kriegstreiberei“, „hinterhältigen Ränkespielen“und „Operationen unter falscher Flagge“, mit denen der Iran als Aggressor dargestellt werden solle. Auch der Iran legte keine Beweise für seine Sicht vor.
Keine der beiden Seiten ist ein Unschuldslamm, was verdeckte Gewaltaktionen angeht. Im Oktober 1983 starben 241 US-Soldaten bei einem Anschlag im Libanon, für den nach Überzeugung amerikanischer Gerichte die radikal-islamische Hizbollah und der Iran verantwortlich waren. Beim Anschlag im Berliner Restaurant „Mykonos“1992 ließ Teheran vier Exilpolitiker töten. In den USA fühlen sich manche Kritiker Trumps an die Lage vor dem Irak-Krieg von 2003 erinnert, als die damalige amerikanische Regierung falsche Vorwürfe verbreitete, um die Öffentlichkeit auf einen militärischen Konflikt vorzubereiten. Andere Beobachter denken an den sogenannten Tonkin-Zwischenfall von 1964: Damals verbreitete die US-Kriegsmarine die Falschmeldung von einem Angriff durch nordvietnamesische Schiffe; die Regierung in Washington nutzte das, um sich vom Kongress grünes Licht für den Vietnam-Krieg zu holen.
Je nach Betrachtungsweise kommen noch andere Akteure in Betracht, die Interesse an einer Eskalation haben könnten. Neben den USA befürworten regionale Partner der Amerikaner wie Israel und Saudi-Arabien einen harten Kurs gegenüber dem Iran. Infrage kommen auch pro-iranische Gruppen in der Region, die von Hardlinern in Teheran eingesetzt worden sein könnten.
Die gegenseitigen Vorwürfe ohne klare Beweise bergen die Gefahr, dass es bis zur nächsten Eskalation nicht lange dauert. Der Iran hat sich zur Schutzmacht über die Straße von Hormus erklärt. In der Vergangenheit hatte Teheran damit gedroht, die Wasserstraße zu sperren. US-Präsident Donald Trump betonte am Freitag, die Iraner würden das „nicht lange“durchhalten.
Explosiv ist die Lage auch, weil beide Regierungen unbedingt vor der jeweils eigenen Öffentlichkeit den Eindruck von Schwäche und Unterlegenheit vermeiden wollen. So hat Trump mehrmals betont, er wolle keinen Krieg. Doch er könnte sich zum Handeln gedrängt sehen, wenn sich in den USA die Sichtweise durchsetzt, die Iraner tanzten der Supermacht auf der Nase herum.