Vereint gegen Motorradlärm
Der Nationalpark Eifel schützt die Natur, aber gegen den Lärm von Motorrädern ist die ganze Region bisher machtlos. Jetzt will sie mit anderen deutschen Regionen Druck machen.
SIMMERATH/WERMELSKIRCHEN Günter Mikoleizig wohnt mit seiner Frau im Wermelskirchener Stadtteil Dhünn-Halzenberg in der Nähe der L 409. Am Wochenende war das Wetter gut und die Lärmbelastung durch Motorradfahrer deshalb wieder groß. „Es gibt Gruppen, die verwechseln die Strecke mit dem Nürburgring“, sagt der 68-Jährige. Das führt dazu, dass er am Wochenende kaum in seinem Garten sitzen kann.
So wie ihm geht es vielen Anwohnern kurvenreicher Strecken in schöner Landschaft. Deshalb will die Nationalpark-Region Eifel mit anderen Mittelgebirgsregionen Deutschlands eine Kampagne gegen Motorradlärm starten. Die Kampagne „Silent Rider“soll auch politisch Druck machen, etwa um eine maßgebliche Senkung von Lärm-Grenzwerten bei der Zulassung von Motorrädern zu erreichen, teilte das Bündnis aus Kommunen, Polizeibehörden und Nationalpark Eifel in Simmerath mit. Nach einer Auftaktveranstaltung mit Teilnehmern etwa aus dem Bergischen Land, Sauerland, Südhessen, der Rhön und dem Südschwarzwald hätten 20 Verbände und Kommunen ihre Bereitschaft signalisiert, der Kampagne beizutreten. Sie soll im Frühjahr 2020 mit einer zentralen Auftaktveranstaltung starten.
„Wir haben gemerkt, allein schaffen wir das nicht“, sagte der Bürgermeister der Gemeinde Nettersheim, Wilfried Pracht (CDU), mit Blick auf die Eifel. Darum will sich die Region mit anderen Kommunen vernetzen, die dem Problem bisher ebenso machtlos gegenüberstehen, und so auch Druck für schärfere Auflagen und höhere Bußgelder machen.
Für strengere gesetzliche Regeln spricht sich auch der umweltpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Landtag, André Stinka, aus. „Ich würde strengere Maßnahmen gegen Motorradlärm begrüßen“, sagte Stinka unserer Redaktion. „Wir haben insgesamt eine hohe Lärmbelästigung in unserer modernen Gesellschaft. Und da müssen sich auch Motorradfahrer entscheiden: Will ich Motorrad fahren oder will ich Lärm machen?“Er habe Verständnis dafür, wenn die Menschen sich von dem Lärm belästigt fühlten. Motorradfahrer müssten auch an der gesellschaftlichen Akzeptanz ihres Sports interessiert sein.
Ein „Kontrolldefizit“im Umgang mit Motorradfahrern, „die sich über ihren Lärm definieren“, sieht Umweltpolitiker Norwich Rüße von den NRW-Grünen. „Vor diesem Lärm, der auch krank machen kann, müssen wir sowohl die Anwohner beschützen als auch die überwiegende Mehrheit der Motorradfahrer, die sich vernünftig verhält.“Die Motorradsaison stehe jetzt an, deswegen würden neue Gesetze, die Zeit brauchen, nicht helfen. Stattdessen müsse vermehrt kontrolliert werden
Die Eifel ist nicht die einzige Mittelgebirgsregion in NRW, die das Problem Motorradlärm betrifft. Im Bergischen Land hat Günter Mikoleizigs Heimat, die Stadt Wermelskirchen, bei dem Thema eine Art Vorreiterrolle übernommen. 2016 und 2017 maß sie den Lärm an Hotspots, die sie zuvor mit Anwohnern erarbeitet hatte, besonders an den Landstraßen 409 und 101 – kurvenreiche Strecken mit schönem Panorama und daher beliebt bei Motorradfahrern. Dabei kam heraus, dass es besonders sonntags laut war, also an jenem Tag der Woche, an dem Anwohner Ruhe wünschen. Die Stadt stellte daraufhin sogenannte Dialogdisplays auf, die Motorradfahrern signalisierten, ob sie zu laut waren. Das hatte immerhin einen gewissen Effekt. Bald sollen sie wieder aufgestellt werden.
Doch weil das meiste nur auf Bundes- oder EU-Ebene geregelt werden kann, verabschiedete die Stadt im Juli 2018 neun Forderungen, in denen es unter anderem um Lärm-Grenzwerte geht, die Einführung von Frontkennzeichen, höhere Sanktionen und die Pflicht zur jährlichen Überprüfung der Geräusche-Emissionen. „Es geht nicht gegen Motorradfahrer im Allgemeinen“, sagt Brigitte Zewella, Umweltbeauftragte der Stadt Wermelskirchen, „sondern um die schwarzen Schafe. Also die, die zu laut sind aufgrund ihrer Fahrweise oder weil sie das Fahrzeug manipuliert haben.“
Bis zu 200 Motorräder pro Stunde hat Günter Mikoleizig in Spitzenzeiten gezählt – und schätzt, dass 30 bis 40 Prozent der Maschinen manipuliert sind, damit sie noch lauter sind. 80 Dezibel sind zugelassen, der Wermelskirchener sagt, es gehe bei einigen eher in Richtung 90 bis 100. Mikoleizig plädiert dafür, bestimmte Strecken auch zeitweise für Motorräder zu sperren. „Warum soll das nicht gehen?“, fragt er. (mit dpa)