Paradiesvögel in schwarzer Robe faszinieren die Franzosen
Frankreich hat mehrere Anwälte mit Promi-Status. Der bekannteste ist Eric Dupond-Moretti, der sogar ein eigenes Theaterstück auf die Bühne brachte.
PARIS Anwälte sind Menschen, die stundenlang trockene Gesetzeskommentare wälzen und in dunklen Gerichtssälen einschläfernde Plädoyers halten. So will es zumindest das Klischee. Dass ein Anwalt wochenlang mit einer One-Man-Show einen Theatersaal füllen und gleichzeitig die Vorlage für einen Kinofilm liefern kann, ist schwer vorstellbar. In Frankreich gibt es einen solchen Mann: Eric Dupond-Moretti.
„EDM“, wie seine Mitarbeiter ihn abkürzen, ist der bekannteste Anwalt des Landes. Bei fast allen großen Gerichtsprozessen ist der füllige 57-Jährige zu sehen, wie er vor laufenden Kameras die Sache seiner Mandanten vertritt. Dabei schreckt der bärtige Strafrechtler nicht vor schwierigen Fällen zurück. So plädierte er unter anderem auch für Abdelkader Merah, den Bruder des Toulouse-Attentäters Mohamed Merah.
Wie der Jurist zum Star der Gerichtssäle wurde, erzählte er gerade erst in vier Akten auf der Bühne des Parisers Theâtre de la Madeleine. Angefangen bei seiner Kindheit als Sohn eines Arbeiters und einer Putzfrau italienischer Herkunft. Mit Gelegenheitsjobs finanzierte er sein Studium, um dann 1984 in Lille seine Anwaltskarriere zu beginnen. „Zehn Jahre lang musste ich mich vor jedem Fall vor dem Berufungsgericht übergeben“, gestand er in einem Interview. „Ich war körperlich krank.“
Doch die Aufregung lohnte sich: Dupond-Moretti erkämpfte so viele Freisprüche wie kein anderer. „Acquittator“wird er auch genannt – eine Wortschöpfung aus „Terminator“und dem Verb acquitter (freisprechen). Hinter seinem Erfolg steht allerdings harte Arbeit. „Ich stehe jeden Morgen um fünf Uhr auf. Kaffee, Zigarette, und dann geht es los.“Seine Plädoyers sind für ihn auch physisch eine Herausforderung. „Wenn man nicht schweißüberströmt ist, wenn man aufhört, dann hat man nicht alles gegeben.“
Wer einen Eindruck von den Verteidigungsreden des legendären Anwalts bekommen will, kann sich im Kino in Frankreich derzeit den Thriller „Une intime conviction“anschauen. Es geht dort um den mysteriösen Mord an einer Ehefrau, für den ihr Mann verantwortlich gemacht wird. Der Film beruht auf einer wahren Begebenheit, und die Verteidigung des Angeklagten Jacques Viguier hat im wahren Leben Dupond-Moretti übernommen. Sein Plädoyer war so gut, dass Regisseur Antoine Raimbault es Wort für Wort wiedergab.
EDM spielt seine Rolle im Film nicht selbst, doch der Anwalt war auch schon auf der Leinwand zu sehen. „Eric ist ein Rockstar“, sagt der Theaterregisseur Philippe Lellouche, der Dupond-Morettis Stück „A la barre“(„Im Gerichtsstand“) auf die Bühne brachte. Dass der „Grizzly“es so weit schaffen konnte, ist aber auch der Bewunderung der Franzosen für ihre exzentrischen Anwälte zu verdanken. Denn Dupond-Moretti ist nicht der einzige Paradiesvogel in schwarzer Robe.
Vor ihm machte bereits Georges Kiejman ähnlich Furore. Der Frauenheld, der sich gern am Arm von Schauspielerin Fanny Ardant zeigt, wurde durch die Verteidigung von Filmstars wie Simone Signoret, Jeanne Moreau und Sophie Marceau berühmt. 2009 vertrat er den Regisseur Roman Polanski in einer Aufsehen erregenden Vergewaltigungsaffäre. Im Gegensatz zu anderen prominenten Anwälten ist Kiejman auch politisch aktiv. Unter dem sozialistischen Präsidenten François Mitterrand, mit dem er auch befreundet war, hatte der Jurist mehrere Ministerämter. Inzwischen 86-jährig, lässt er sich immer noch bereitwillig von den Nachrichtensendern zur besten Sendezeit über politische Affären interviewen.
Besondere Verehrung erfahren in Frankreich allerdings zwei Anwälte, die ihre Arbeit ganz zurückgezogen machen: Jean und Pierre-François Veil, die Söhne der Politikerin Simone Veil. Die Brüder haben die wohl renommierteste Anwaltskanzlei von Paris. Jean Veil vertrat Prinz William und seine Frau Kate in der Affäre der Oben-Ohne-Fotos gegen das Magazin „Closer“ebenso wie das Starlet Kim Kardashian nach einem Wohnungseinbruch in Paris. Im Gegensatz zu Dupond-Moretti oder Kiejman sucht der älteste Sohn von Simone Veil aber nur das Rampenlicht, wenn es um seine Mutter geht. Unvergessen ist Jean Veils bewegender Satz „Ich liebe dich, Mama“, den er 2017 bei der Trauerzeremonie für die Holocaust-Überlebende vor Millionen Fernsehzuschauern aussprach. „Auch dieser Sohn verdient es, eines Tages ins Pantheon zu kommen“, forderte ein Leser der Zeitung „Le Figaro“hinterher. Ins Pantheon, wo die ganz großen Franzosen ruhen.