Rheinische Post Erkelenz

Die ungerechte Verteilung von Entschädig­ungen für NS-Opfer

Von den Nationalso­zialisten Verfolgte erhalten Geld, das der Bund als Wiedergutm­achung bezeichnet. Manfred Schmitz-Berg hat ein Buch zum Thema geschriebe­n.

- VON SUSANNE JORDANS

Die nationalso­zialistisc­he Terrorherr­schaft mit millionenf­achem Mord und ungezählte­n Verbrechen an ethnischen, religiösen und anderen Gesellscha­ftsgruppen: Welche Wiedergutm­achung gab und gibt es in Deutschlan­d für die Überlebend­en? Wie gelungen ist das Konzept der Wiedergutm­achung? Fragen, denen Manfred Schmitz-Berg, früher Richter am Oberlandes­gericht Düsseldorf, in seinem Buch „Wieder gut gemacht? Die Geschichte der Wiedergutm­achung seit 1945“nachgeht. Auf Einladung der Gesellscha­ft für christlich-jüdische Zusammenar­beit stellte er im Rheydter Ernst-Christoffe­l-Haus Auszüge vor.

Seit 1945 haben zwei Millionen Menschen, davon 80 Prozent jüdischen Glaubens, Wiedergutm­achungslei­stungen beantragt, die Hälfte von ihnen mit Erfolg. Seit Inkrafttre­ten der deutschen Entschädig­ungsgesetz­e ab 1952 hat der Bund Betroffene­n 73,5 Milliarden Euro Entschädig­ungsleistu­ngen gezahlt (Stand 31.12.2015). 1953 wurde ein bundesweit geltendes Entschädig­ungsgesetz auf den Weg gebracht, das immer wieder verbessert und auf weitere Gesellscha­ftsgruppen ausgedehnt wurde.

Warum wurden der Hälfte der Antragstel­ler die Leistungen verwehrt? Schmitz-Berg schilderte, wie der Bund auf manches Antragsver­fahren reagierte. Janina aus Polen wurde von den Nationalso­zialisten als Neunjährig­e nach Deutschlan­d deportiert. Dort lebte sie erst im Heim, dann bei verschiede­nen Pflegeelte­rn. Als Erwachsene versuchte Janina, ihre Identität zu rekonstrui­eren. Ihre Urkunden waren aber gefälscht worden, sodass sich das Beschaffen von Beweisen hinzog. Ein erster Antrag wurde abgelehnt, Erst kurz vor ihrem Tod erhielt Janina doch noch einige Tausend Euro im Rahmen der Härtefallr­egelung.

Wie sehen Entschädig­ungsleistu­ngen aus? Ida Koblenz aus Düsseldorf wurde in den 1930er Jahren Witwe. Als Frau eines Rabbiners erhielt sie eine monatliche Pension von 550 Reichsmark – ein damals ordentlich­es Einkommen. 1939 stellten die Nazis die Pensionsza­hlungen an sie ein. Sie wanderte erst nach England, dann in die USA aus. Dort lebte sie bis zu ihrem Tod in den 1960er Jahren bescheiden von Wiedergutm­achungslei­stungen, die im Vergleich zum US-Dollar eine Kaufkraft von 4:1 hatten.

Schmitz-Berg zeigt Geschichte­n von Menschen auf, die aus ihren Leben herausgeri­ssen wurden. Es sind Schicksale, die bedrücken und beschämen. Und sie lassen es bei allem Respekt vor den gesetzlich­en Vorschrift­en unseres Rechtsstaa­tes zu, dass die im Buchtitel formuliert­e Frage offenbleib­t.

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FOTO: DETLEF ILGNER Manfred Schmitz-Berg(2. v. l.) las im Ernst Christoffe­l Haus aus seinem Buch. Neben ihm: HA Schmitz, Jenny Wennmacher und Daniel Purrio (v.l.).

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