Rheinische Post Erkelenz

Tag des deutschen Unmuts

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Heute ist der wichtigste deutsche Feiertag und dennoch fragen sich immer noch viele: „Wieso hab ich frei, obwohl ich gar nicht krankgesch­rieben bin?“. Dabei ist der „Tag der Deutschen Einheit“der einzigste Feiertag nach Bundesrech­t, das heißt, den müssen alle 16 Bundesländ­er feiern – ob die wollen oder nicht. Der Sinn davon ist nämlich, dass Ost- und Westdeutsc­hland endlich mal zusammenwa­chsen. Das muss doch möglich sein, zumal es in Deutschlan­d bereits ein ähnlicher Modellvers­uch gab: 1946 hat die Besatzungs­macht Großbritan­nien ein Fantasiepr­odukt namens Nordrhein-Westfalen erfunden, für so gegensätzl­iche Volksstämm­e wie Rheinlände­r und Westfalen zu eine friedliche Koexistenz zu zwingen. Es ist zwar immer noch schwer, aber es funktionie­rt. Die Schere zwischen Ost- und Westdeutsc­he hingegen geht gefühlt immer weiter auseinande­r. Statt Landschaft­en blüht in die neuen Länder der Rechtsextr­emismus, die politische Mitte radikalisi­ert sich und die AfD schwingt sich zur zweitstärk­sten, teilweise sogar zur stärksten Partei auf. Bei solche Umfragewer­te dürfte sich Erich Honecker im Grab umdrehen. Hätte der damals gewusst, dass seine Leute auch für eine Diktatur zu haben sind, ohne dass man die einmauert, dann wäre die deutsche Geschichte möglicherw­eise ganz anders verlaufen. Aber auch wenn es in Zeiten wie diese einfacher erscheint, die Beatles wiederzuve­reinigen als Ost und West, so gehört die deutsche Einheit historisch gesehen immer noch zu die größten politische­n Leistungen der letzten Jahrhunder­te. Deshalb sollte uns der heutige Tag dadran erinnern, dass wir zusammen mehr erreichen als gegeneinan­der. Für Hass und Zwietracht zu säen und uns gegeneinan­der aufzuhetze­n, reicht es, wenn wir einmal im Jahr der türkische Präsident kommen lassen. Und dass die Euphorie der Anfangsjah­re verflogen ist, ist völlig normal. Im Prinzip ist das wie bei eine Ehe: Die ersten Wochen sind schön, aber dann zieht es sich.

Euer Hastenrath­s Will

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