Hommage an eine kluge und mutige Frau
Fabian Chiquet hat eine Videodokumentation über die nahezu unbekannte Gertrud Woker gedreht. Dabei hatte die Biochemikerin schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts bahnbrechende Ideen. Zu sehen in der Galerie Löhrl.
Als er zum ersten Mal Arbeiten von Fabian Chiquet sah, habe er gleich gewusst: „Das wird mal ein ganz Großer!“. Der Seniorchef der Galerie Löhrl, Dietmar Löhrl, hatte den richtigen Riecher. Der Schweizer Künstler ist gerade mal 33 Jahre alt und hat in der Kunstszene schon für ordentlich Wirbel und Aufmerksamkeit gesorgt. Chiquet ist multimedial unterwegs. Er interessiert sich für die Schnittstellen von Kunst, Musik, Text und Theater und setzt dies in Form von Malerei, Fotografie, Performance, Video, Installationen und diversen Mischformen um. In der Galerie Löhrl an der Kaiserstraße 58 zeigt er eine bemerkenswerte Arbeit – seine dokumentarische Videodokumentation „Gertrud Woker“. Der Titel: Heldin.
Wer ist diese Frau, die den Künstler so sehr fasziniert? „Es ist eigentlich unglaublich, dass man ihren Namen nicht kennt und ihre Bedeutung“, sagt Galerie-Assistentin Sabrina Burkert. Sie hat sich den Film, der in einem abgedunkelten Raum gezeigt wird und etwa eine Stunde dauert, diverse Male angeschaut. Und ist fasziniert. Gertrud Woker wurde 1878 als Tochter des altkatholischen Theologie- und Geschichtsprofessors Philipp Woker in Berlin geboren. Sie wuchs in einem intellektuellen Elternhaus frei und konfrontiert mit politischem Denken auf. Schon ihre Großmutter hatte sich für die Rechte der Frauen eingesetzt. Das Thema würde Gertrud Woker ein Leben lang begleiten.
Zunächst jedoch studierte sie ab 1900 Organische Chemie an der Universität Bern und schloss das Studium 1903 mit der Doktorpromotion mit der Bestbewertung „summa cum laude“ab. Anschließend studierte sie Physikalische Chemie in Berlin. Im Film wird die junge Frau als Studentin gezeigt. Fabian Chiquet unterlegt die Szenen mit Aussagen, die Männer über emanzipierte Frauen wie Gertrrud Woker zu dieser Zeit trafen: Verbissene alte Jungfrauen, entartet seien sie und heiratsunfähig. Sie gehöre zur „Fräuleinbewegung“derer , die von der Liebe enttäuscht sind.
Gertrud Woker machte gegen alle Widerstände Karriere. 1907 erhielt sie die venia legendi und war damit die erste Privatdozentin für Chemie an einer deutschsprachigen Hochschule. Schon zu dieser Zeit wies sie auf die Giftigkeit von bleihaltigem Benzin hin und gab Vorschläge zur Herstellung von bleifreiem Motorenbenzin. 1933 erhielt sie eine außerordentliche Professur, welche sie bis 1953 innehatte.
Gertrud Woker engagierte sich nach dem Ersten Weltkrieg mit Flugblättern gegen den Einsatz von Giftgas. Sie schloss sich der radikalen Frauenbewegung an, wurde zur Vorkämpferin für die Rechte ihres Geschlechts. 1968 starb sie in Marin. In Bern und Düsseldorf sind Straßen nach ihr benannt. Dennoch ist über ihr Leben bisher kaum berichtet worden.
Bis jetzt. Der Künstler Fabian Chiquet teilt seine Faszination für diese kluge und mutige Frau mit allen, die seinen Film sehen. Inzwischen ist auch das Schweizer Fernsehen auf diesen aufmerksam geworden und erwägt, ihn auszustrahlen. Es gibt noch weitere spannende Arbeiten des jungen Schweizers in der Galerie Löhrl zu sehen. Der Film ist aber auf jeden Fall das sensationelle Herzstück der Ausstellung.
Zu sehen ist die Präsentation im Haus Kaiserstraße 58 noch bis zum 10. November. In den Galerieräumen auf der anderen Straßenseite wird zeitgleich die Ausstellung „Invisible Force“des japanischen Künstlers Keiji Uematsu gezeigt. Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag: 13 - 18 Uhr, Samstag: 10 - 14 Uhr, Sonntag: auf Anfrage; Kontakt: 02161 200762 und info@galerieloehrl.de