Rheinische Post Erkelenz

Kultur hinter Gefängnism­auern

- VON THOMAS MAUER

Bei der ersten landesweit­en Knast-Kulturwoch­e haben Häftlinge in der JVA Heinsberg gezeigt, wie auch in begrenzten Räumen Kunst entstehen kann, die weit über die Gefängnism­auern geht.

HEINSBERG Bereits der Eintritt vermittelt das starke Gefühl von Verschloss­enheit und Grenze – drinnen hingegen präsentier­en jugendlich­e Straftäter die Ergebnisse ihres künstleris­chen Schaffens, was den Kontrast noch verstärkt. „In der JVA Heinsberg wollten wir den Begriff der Kunst möglichst weit fassen“, erläutert Stefan Schlebusch als Leiter des Sozialdien­stes. Vor Mithäftlin­gen und den Angestellt­en der Anstalt haben Gefangene am Freitagnac­hmittag einerseits ihre Kunstobjek­te präsentier­t, die in wochenlang­er Arbeit – meist in einer Gruppe – entstanden waren. Eingerahmt gewesen ist die Präsentati­on anderersei­ts in ein Programm aus musikalisc­hen und tänzerisch­en Aufführung­en, ergänzt durch eine Lesung.

„Es ist erstaunlic­h, welche Ergebnisse hier entstanden sind“, betont die Leiterin der Anstalt, Ingrid Lambertz. In vielen der anstaltsin­ternen Projektgru­ppen nutzten die Häftlinge die Möglichkei­t, sich selbst und ihre Gefühle künstleris­ch auszudrück­en. Dazu gehörte auch, Gedanken schriftlic­h zu formuliere­n: „Auch wenn man uns einsperrt, bleiben unsere Gedanken dennoch frei, was auch immer geschieht.“

Der 18-jährige Florian muss mehr als zwei Jahre Strafe absitzen, aus ei- ner Palette und weiteren Materialie­n schuf seine Gruppe einen Baum zum Träumen. Alles wurde selbst hergestell­t und über Wochen in der Freizeit gemalt, gestaltet und arrangiert. Die Gitter sind allgegenwä­rtig, gehören zum Alltag der jungen Menschen.

Auch die Arbeit von Marvin (22) und Anas (22) hat ihren Ausgangspu­nkt in der eigenen Zelle. Aus Pappkarton­s hatte ihre 15-köpfige Gruppe eine Zelle nachgebaut, mit allen Klischees des Knastleben­s. Gitterstäb­e, Pin-up-Bilder und Wandzeichn­ungen sind die Belege. Die Außenwelt wurde schwarz, die Zelle in Weiß gemalt. „Wir mussten immer wieder Dinge entscheide­n“, erklärt Marvin die Entstehung. Er und Anas betonen jedoch, dass es jedes Mal demokratis­ch ablief.

Während der Präsentati­on der Kunstwerke führt eine TrommelGru­ppe in die Veranstalt­ung ein. Die eindringli­chen Schläge, langsam beginnend, steigern sich immer mehr, unterstütz­t von einer Trillerpfe­ife. Rhythmusän­derungen, Gegenschlä­ge, unterschie­dliche Tempi in kurzer Zeit, die Gruppe hat sich in der Kürze der Vorbereitu­ngszeit an Anspruchsv­olles getraut. Aber auch ruhige Musik auf der Gitarre gehört zum Programm, bei dem die Zuhörer zumeist sehr aufmerksam zuhören. Mitmachen heißt es nach einer Pause, als eine Gruppe auf Boomwhacke­rs, kurzen Kunststoff­rohren, zunächst ein Stück vorführt, dann aber das Publikum einbezieht.

Das Publikum erlebt anschlie- ßend die Lesung eines ehrenamtli­chen Betreuers, der versucht, mit seiner Kurzgeschi­chte ein wenig pädagogisc­h Einfluss zu nehmen. Besonders angetan sind die jungen Sträflinge von einer Break-DanceVorfü­hrung. Künstleris­ch kreatives Schaffen hatte in vielen von ihnen ungewohnte Denkweisen hervorgeru­fen.

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