Kranenburger Rat stimmt gegen Nationalpark
Der Rat der Gemeinde Kranenburg hat sich am Donnerstagabend gegen die Bewerbung des Reichswalds als zweiter Nationalpark in Nordrhein-Westfalen ausgesprochen. Am Ende war das Ergebnis deutlicher, als die Diskussion es zuvor vermuten ließ.
KRANENBURG Am Ende war es deutlicher, als abzusehen war. Der Kranenburger Rat sprach sich in geheimer Abstimmung mit 15:9 Stimmen für den Beschlussvorschlag der Verwaltung aus. In diesem heißt es, der Kreis Kleve solle sich nicht weiter an dem Verfahren beteiligen, den Reichswald in einen Nationalpark umzuwandeln. Fünf der insgesamt 29 Stimmberechtigten enthielten sich. Ein Grund für die Enthaltungen war unter anderem der Faktor Zeit. „Es ist nicht möglich, innerhalb von ein paar Wochen eine derart weitreichende Entscheidung zu treffen. Auch wenn es sich nur um eine Stellungnahme handelt, so will sie doch gut überlegt sein“, sagte Manfred Maas vom Kranenburger Forum. Das Votum der Kranenburger dürfte beim Beschluss im Kreistag, der letztendlich über den weiteren Verfahrensverlauf entscheidet, nicht von unerheblicher Bedeutung sein. Liegt doch der Großteil des Forsts auf dem Gebiet der Grenzgemeinde.
Gut besucht war der Ratssaal. Befürworter und Gegner des Vorhabens spalteten sich in zwei etwa gleich große Lager. Vor der Diskussion übergab eine Vertreterin des Reitervereins Kranenburg Bürgermeister Ferdi Böhmer eine Unterschriftenliste. Der Verein hatte innerhalb von zwei Wochen 459 Unterschriften gesammelt, die Bedenken gegen die Ausweisung eines Nationalparks äußerten. Ebenso sprach sich auch die CDU-Fraktion gegen die Umwandlung aus. „Wir haben uns die Frage gestellt: ‚Was bringt ein Nationalpark dem Kranenburger Bürger?‘ Hier die richtige Entscheidung zu treffen, dafür sind wir gewählt worden“, sagte CDU-Fraktionschef Joachim Janßen. Beim Punkt Biodiversität bringe ein Nationalpark zweifellos Vorteile, so Janßen. Doch könne man den Wald dann nicht mehr in der Vielfalt erleben wie heute. „Die Wege werden anders verlaufen. Die Möglichkeiten für Vereine, ob Radfahrer, Jägerschaft oder Reiter, werden eingeschränkt“, sagte er.
Auch was etwa einen Vergleich mit dem bestehenden Nationalpark Eifel betreffe, würde der Reichswald in puncto Attraktivität erheblich hinterherhinken. Seen, Flüsse, Talsperren, waldreiche Gebirgszüge, 180 Meter über dem Rurstausee sind nur einige Höhepunkte. Das Thema Klimaschutz sprach Janßen vor dem Hintergrund der Windenergie an. Kommt der Nationalpark, ist der Bau von Anlagen im Forst nicht mehr möglich. Die Ausweisung von Konzentrationszonen ist in Kranenburg
nicht möglich.
Rainer Vogt, Fraktionsvorsitzender der FDP, wollte am liebsten sofort zur Abstimmung kommen, sprach sich gegen den Nationalpark aus. Das sahen die Sozialdemokraten anders. „Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass es ein Gewinn ist, hier einen Nationalpark zu errichten“, sagte Thordes Sprave. Viele Einschränkungen durch Sonderregelungen hätten ausgeräumt werden können. Man wolle das Gebiet schützen und es für die kommenden Generationen erhalten, so die Sozialdemokratin.
Die Bedeutung des Reichswalds sprach Ottilie Arns-Thönnißen von den Grünen an. Sie forderte, dass sich jeder auch in seinen Nutzungsgewohnheiten
zurücknehmen müsse, damit so ein Projekt funktioniere. Die Chance solle ergriffen werden, die Biodiversität zu stärken. „Das geht nicht alleine durch Bienenhotels und Blühstreifen“, sagte die Fraktionsvorsitzende. Die Grünenfraktion sprach sich aber nicht geschlossen für die Pläne aus. Michael Baumann-Matthäus betonte, dass in Kranenburg lediglich eine Meinung seitens des Kreises abgefragt werde. „Für mich ist es daher befremdlich, wenn sich Kreistagsfraktionen in der Zeitung zitieren lassen, wie sie sich bereits entschieden haben, ohne zuvor das Votum aus den Kommunen abzuwarten“, so der Grünenpolitiker. Baumann-Matthäus kann ebenso nicht nachvollziehen, dass das
Thema Windkraft im Reichswald in keiner Weise diskutiert worden sei. „Das darf nicht einfach so vom Tisch gewischt werden.“
Einen nahezu philosophischen Beitrag steuerte Sandra van der Zweep (Wählergemeinschaft Bürgerdialog) zu der Diskussion bei: „Wir Menschen greifen schon immer in die Natur ein. Wir sehen den Wald als ein Instrument, um daraus wirtschaftliche Vorteile zu ziehen. Der Wald sollte nur er selbst sein.“Für den Forst gebe es aber kein Grundgesetz wie für den Menschen. „Wir Menschen müssen mit unseren Bedürfnissen zurückstehen“, sagte van der Zweep, die sich für die Umwandlung in einen Nationalpark ebenso aussprach, wie Thorsten
Tönisen, Fraktionschef Kranenburger Forum. „Vorteile wären, dass Kranenburg mit dem Nationalpark werben könne, Gewerbesteuer würde generiert und Arbeitsplätze geschaffen“, sagte Tönisen.
Das sah Bürgermeister Ferdi Böhmer anders: „Einen Mehrwert gibt es für unsere Bürger nicht. Zunächst sind es nur Einschränkungen.“Der Rathauschef erklärte: „Der Traum, dass der Tourismus hier so läuft wie in der Eifel, wird immer ein Traum bleiben. Wer sich die Haushaltspläne der betroffenen Kommunen anschaut und einen Blick auf den Punkt Tourismus wirft, wird sehen, wie hoch die Einnahmen hier sind. Ich kann es ihnen genau sagen – 0,0 Euro.“
In Kranenburg werde sich der Fremdenverkehr nie so entwickeln wie in der Eifel, so Böhmer: „Das fängt schon damit an, dass hier noch nicht einmal der ÖPNV funktioniert.“Der Verwaltungschef war am Ende überrascht, wie deutlich das Ergebnis doch ausfiel: „Damit konnte man im Vorfeld nicht rechnen. Ich bin jetzt mal gespannt, wie der Kreis mit den zwei Nein-Stimmen aus Goch und Kranenburg umgeht. Wenn jetzt trotzdem gesagt wird, ‚wir verfolgen das Verfahren weiter‘, darf sich keiner mehr wundern, dass niemand mehr Vertrauen in die Politik hat.“