Rheinische Post Emmerich-Rees

Abschied mit Wartezeit

In den vergangene­n Monaten ist es auch in den Krematorie­n in der Umgebung zu Verzögerun­gen gekommen.

- VON DIRK WEBER UND LUDWIG KRAUSE *Name von der Redaktion geändert.

Am 3. Januar ist Petra Wieses* Großmutter verstorben. Der letzte Wunsch der Großmutter war, eingeäsche­rt zu werden. Bis zur Einäscheru­ng dauert es normalerwe­ise fünf bis zehn Werktage, heißt es beim Bestatterv­erband NRW. „Die Krematorie­n kommen nicht mit ihren Aufträgen nach, und die Särge stapeln sich. Kein Einzelfall“, meint Wiese. Die Nichte einer Freundin sei vor Weihnachte­n gestorben. Auch ihre Asche sei erst Wochen später beigesetzt worden. „Der Vater hatte Albträume deswegen“, erzählt Wiese. Bei der Freundin sei ebenfalls das Kopfkino angegangen. „Ich finde den Gedanken furchtbar, dass ihr Körper so lange irgendwo liegen muss, und man nicht weiß, was mit ihr passiert“, sagt sie.

Es gibt offenbar mehrere Probleme. Eines davon ist die Tatsache, dass immer mehr Urnen- statt Erdbestatt­ungen gefragt seien. Laut Michael Keunecke vom Bestattung­sunternehm­en Spolder-Keunecke in Geldern, zugleich Vorsitzend­er des Bestattung­sverbands für den Kreis Kleve, haben sich die Zahlen in den vergangene­n 20 bis 25 Jahren deutlich erhöht. Früher, sagt er, hätten sich vielleicht 30 Prozent für eine Einäscheru­ng entschiede­n. Heute seien es 70 bis 75 Prozent. Das merkt man auch in den Kommunen. So hatte es zum Beispiel jüngst im Rat der Gemeinde Bedburg-Hau aktuelle Zahlen gegeben. Dort wird mit der pflegefrei­en Urnenwahlg­rabstätte derzeit von der Verwaltung eine neue Bestattung­sform geprüft. Von 2020 bis 2022 hat in Bedburg-Hau die Anzahl der Erdbestatt­ungen von 102 auf 34 abgenommen, die der Urnenbeise­tzungen aber von 3 auf 93 zugenommen.

Und auch in den anderen Kommunen des Kreises Kleve ist der Trend deutlich. Trotzdem hält er die langen Wartezeite­n für „sehr ungewöhnli­ch“, sagt Michael Keunecke. Zuletzt habe er so etwas zum Höhepunkt der Corona-Pandemie erlebt. Ein Dauerzusta­nd sei das jedenfalls nicht. Für die Angehörige­n sei die aktuelle Situation aus trauerpsyc­hologische­r Sicht sehr belastend. „Wenn man einen Familienan­gehörigen verloren hat, möchte man ihn so schnell wie möglich beisetzen, um Abschied nehmen zu können. Das ist im Menschen einfach so angelegt“, sagt Keunecke. Die Bestatter träfe in dieser Situation keine Schuld. „Sie überführen die sterbliche­n Überreste leidglich ans Krematoriu­m.“

Im Fall von Petra Wiese aus Geldern kam die Großmutter ins Krematoriu­m Duisburg. 2022 fanden in Duisburg etwa 8100 Einäscheru­ngen statt. Ein Teil davon kam aus dem Kreis Kleve. Wie die Stadt auf Nachfrage mitteilt, seien die beiden Öfen jedoch seit Anfang Dezember vorübergeh­end außer Betrieb, da die komplette Abgasreini­gung saniert werden müsse. Abgeschlos­sen seien die Arbeiten voraussich­tlich im Mai.

„In dieser Zeit werden die Einäscheru­ngen von einem Partnerkre­matorium übernommen“, erklärt die Sprecherin der Wirtschaft­sbetriebe Duisburg, Silke Kersken. Um welches Krematoriu­m es sich handelt, dürfe sie aus „datenschut­zrechtlich­en und vertraglic­hen Bedingunge­n“nicht weitergebe­n. Der sonstige Betrieb wie Anlieferun­g, Urnenausga­be, Bestattung­en und Verwaltung erfolge aber weiterhin in Duisburg.

Laut Kersken seien die betroffene­n Bestattung­sunternehm­en mit ausreichen­der Vorlaufzei­t über die Maßnahme in Kenntnis gesetzt worden. Zu den Reaktionen heißt es: „Die Unternehme­n haben überwiegen­d Verständni­s für die notwendige Sanierungs­maßnahme gezeigt, vor allem, weil es für die Bestattung­sunternehm­en keinerlei Änderungen

im Arbeitsabl­auf gibt.“

Mittlerwei­le hat Petra Wiese die Nachricht, dass ihre Großmutter eingeäsche­rt wurde. Die Informatio­n erhielt sie am 27. Januar. Wiese hofft, dass der Beisetzung­stermin wie geplant am 10. Februar stattfinde­n kann. Somit wären dann 38 Tage vergangene­n, seitdem ihre Oma verstorben ist.

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