Pianist Eric Le Sage mit „Jardins suspendus“
Klassik „Der hängende Garten ist des Künstlers immer wieder gesuchtes, doch ungreifbares Ideal, seine unzugängliche und unantastbare Zufluchtstätte.“Das sagte einmal der im Ersten Weltkrieg mit nur 29 Jahren gefallene Komponist Jehan Alain, für ihn war der „Jardin suspendu“, der „hängende Garten“, der unerreichbare Traum eines Ortes der Freiheit. Ihm widmete er ein weltberühmtes, durch seine ruhig schwebenden Klänge einprägsames Orgelstück.
„Die hängenden Gärten der Semiramis“sind eines der sieben Weltwunder der Antike, nun werden ihre Beete und Biotope als gestaffeltes Paradies auch auf die Klaviermusik ausgedehnt. Der französische Pianist Eric Le Sage hat nun bei Sony eine faszinierende Platte aufgenommen, die unter dem Titel „Jardins suspendus“(„Hängende Gärten“) lauter Orchideen pflanzt und vorsichtig bewässert.
Das Aparte ist der lehrreiche Aspekt dieser Sammlung aus lauter französischen Kostbarkeiten aus dem Beginn des 20. Jahrhunderts: Claude Debussy und Maurice Ravel als weltberühmte Meister der kleinen Dinge, als Romanciers des musikalischen Impressionismus fehlen gänzlich. Vielmehr begegnen
uns Miniaturen von Gabriel Dupont, Jean Cras, Lili und Nadia Boulanger, Reynaldo Hahn oder Jacques Ibert, die mancher Musikfreund gewiss auf dem Schirm hat. Die klingenden Rendezvous mit Gustave Samazeuilh oder Cécile Chaminade sind zudem eine echte Entdeckung. All diesen Werken ist die Beschwörung eines idealischen Moments, einer Stimmung, zuweilen auch einer „unerreichbaren Zufluchtsstätte“eigen.
Eric Le Sage (seit zwölf Jahren mit einer Professur in Freiburg) ist ein Chevalier, wie er nicht im Buche steht. Ihm fehlt das Erhabene, Gesetzte und Gespreizte. Dieser moderne d’Artagnan ficht mit Leidenschaft um die Musik wie weiland Jeanne d’Arc um ihre Träume. Er beherrscht das Virtuose, Blitzende, aber er kann auch den feinsten Gedanken nachhängen und zarte Gewebe aus Tönen spinnen. Aus seinen Gärten wachsen lauter Wunder. Wolfram Goertz