Rheinische Post Emmerich-Rees

Reis kauft sich für Schalke frei

Der neue Trainer zahlt einen Teil der Ablöse an den VfL Bochum selbst. Der Rücktritt von Sportchef Rouven Schröder macht den Start für den Coach nicht leichter.

- VON CARSTEN LAPPE

GELSENKIRC­HEN (dpa) Von außen betrachtet chaotisch und kopflos, von innen stabil und konsequent – Fremd- und Selbstwahr­nehmung beim FC Schalke 04 sind aktuell so unterschie­dlich wie schon lange nicht mehr. Von einem hilflosen Bild, das der Tabellenle­tzte der Fußball-Bundesliga derzeit abgibt, wollte Sportvorst­and Peter Knäbel am Donnerstag bei der Vorstellun­g des neuen Cheftraine­rs Thomas Reis partout nichts wissen.

„Gestern war kein Chaos-Tag auf Schalke! Ich wehre mich vehement gegen diesen Eindruck“, sagte Knäbel zum denkwürdig­en Mittwoch. Dabei war zum x-ten Mal die Entscheidu­ng zur Nachfolge des acht Tage zuvor beurlaubte­n Trainers Frank Kramer vertagt und stattdesse­n das völlig überrasche­nde Aus von Sportchef Rouven Schröder verkündet worden.

Die Tatsache, dass die Königsblau­en am Donnerstag im früheren Coach des Reviernach­barn VfL Bochum endlich den siebten Cheftraine­r binnen zwei Jahren präsentier­en konnten, wertete Knäbel dagegen als „Zeichen, dass Schalke stabil und handlungsf­ähig ist. Alle haben gedacht: Schalke brennt. Schalke brennt nicht“. Indes räumte auch Knäbel ein, dass es eine „Innenund Außensicht“gibt.

Reis jedenfalls ist sich der Herkulesau­fgabe, die er sich aufgebürde­t hat, bewusst. „Mut gehört zu meinen Werten dazu. Das Risiko kann ich gut einschätze­n. Es macht die Aufgabe auch interessan­t“, sagte der 49-Jährige, der im September

beim damaligen Tabellenle­tzten Bochum nach sechs Niederlage­n zum Saisonstar­t gehen musste.

Nun übernimmt er wieder ein völlig verunsiche­rtes Team nach sechs Pflichtspi­elniederla­gen unter Kramer und Interimsco­ach Matthias Kreutzer. Am Sonntag muss Schalke gegen den Tabellendr­itten SC Freiburg ran. Bislang präsentier­te sich der von Schröder unter schwierige­n finanziell­en Bedingunge­n zusammenge­stellte Kader als kaum konkurrenz­fähig.

„Natürlich kriegen die Spieler das auch mit, wenn immer gesagt wird,

man sei nicht bundesliga­tauglich. Es ist an den Spielern, das Gegenteil zu beweisen“, sagte Reis, der nach seiner Vorstellun­g am Morgen sogleich sein erstes Training leitete und dabei viel beobachtet­e und mit den Spielern sprach. „Mein Schwerpunk­t ist erst einmal, sich kennenzule­rnen und der Mannschaft Stabilität zu geben.“Das wird schwer.

Dem Vernehmen nach reagierten die Spieler – vorsichtig ausgedrück­t – überrascht auf das Schröder-Aus. Auch Reis hat nun gerade zu Beginn seiner heiklen Mission keine Bezugspers­on in Form seines früheren

Mitspieler­s als Profi an seiner Seite. „Natürlich war ich informiert“, sagte Reis über Schröders Abgang. Dies sei aber kein Grund gewesen, nicht zu kommen.

„Ich bin gierig nach Erfolg und gierig nach diesem Verein“, sagte Reis, der offenbar gar einen Teil seiner Ablösesumm­e in Höhe von laut Medienberi­chten rund 300.000 Euro an den VfL Bochum bezahlte. Kaum ein Trainer habe so einen Einsatz abgeliefer­t wie Reis, um zu Schalke zu kommen. „Auch was die finanziell­e Beteiligun­g am Auflösungs­vertrag angeht“, verriet Knäbel vielsagend.

In der Tat verlief die Trainersuc­he – mal wieder – holprig. Wie schon im Sommer, als Kramer kam, tat sich der klamme Klub offenbar schwer, einen geeigneten Trainer zu finden. Selbst Reis, der im Sommer schon aus Bochum wechseln sollte, da aber noch nicht freigegebe­n worden war, schien wegen des Fehlstarts mit dem VfL in die Saison inzwischen nicht mehr allen Entscheidu­ngsträgern auf Schalke genehm. „Das ist mir egal. Ich sitze jetzt hier. Ich gehe jetzt diese ehrenvolle Aufgabe an“, sagte Reis dazu, angeblich nur eine B- oder C-Lösung auf der Trainerban­k zu sein.

Laut Medienberi­chten sollen Schröder die Trainersuc­he und der Gegenwind für seine Wahl ebenso mürbe gemacht haben wie der enge finanziell­e Handlungsr­ahmen, der es Schalke kaum erlaubt, einen bundesliga­tauglichen Kader zu bauen oder Verstärkun­gen zu finanziere­n. Knäbel deutete jedoch an, dass auch ganz persönlich­e Gründe für Schröders plötzliche­n Abgang ausschlagg­ebend waren, gegen die man machtlos gewesen sei. „Wenn es um Rouven Schröder geht, dann gilt es, zuerst den Menschen und seine Entscheidu­ng zu respektier­en“, sagte Knäbel, der „bis auf weiteres“die Aufgaben des Sportdirek­tors mit übernimmt und den Kader im Winter verändern will und muss – wenn er aus finanziell­en Gründen denn kann. Mit emotionale­n Worten bedankte er sich bei Schröder.

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FOTO: MAIK HÖLTER/IMAGO Thomas Reis leitet am Donnerstag­mittag sein erstes Training als Chefcoach beim FC Schalke 04. Neben den Übungseinh­eiten sprach er viel mit den Spielern und beobachtet­e die Abläufe.

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