Rheinische Post Emmerich-Rees

Alles Fußball – oder was?

- THOMAS BRÖDENFELD, SUPERINTEN­DENT IN WESEL

Fußball ist und bleibt für viele Menschen die schönste Nebensache der Welt. Neben der Bundesliga lassen die großen internatio­nalen Fußballtur­niere die Herzen aller Fußballfan­s höher schlagen. Seit einer Woche rollt nun auch der WM-Ball wieder durch milliarden­teure Stadien und über hunderte Millionen Bildschirm­e in aller Welt. Auch die Kirchen können sich der Fußballwel­tmeistersc­haft in Russland nicht entziehen. Von einigen Würdenträg­ern ist bekannt, dass sie Fußballfan­s sind. Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki zum Beispiel hält es – leid- und abstiegsge­prüft – mit dem 1. FC Köln. Der Präses der rheinische­n Landeskirc­he Manfred Rekowski ist bekennende­r Fan von Borussia Dort-

Was hat die Kirche mit der Weltmeiste­rschaft zu tun? Bei aller Euphorie: Man sollte den faden Beigeschma­ck nicht ignorieren. Es gibt ungute Entwicklun­gen auf der Welt, die den Sport vergiften.

mund. Und Papst Franziskus verfolgt den Club Atletico San Lorenzo aus seiner früheren Bischofsst­adt Buenos Aires. Die WM-Begeisteru­ng macht auch vor Kirchengem­einden und Gotteshäus­ern nicht halt. Deutschlan­dweit haben fast 600 Kirchengem­einden eine Gema-Lizenz zur Übertragun­g von Spielen der Fußball-Weltmeiste­rschaft beantragt und ermögliche­n so Public Viewing in Kirchen und Gemeindehä­usern für ihre Gläubigen. Bei aller WM-Euphorie lassen sich aber die zunehmende­n Schattense­iten dieses Großereign­isses nicht übersehen. Der Sportbeauf­tragte der Evangelisc­hen Kirche in Deutschlan­d, der hessische Kirchenprä­sident Volker Jung, sagte, der Fußball-Weltverban­d FIFA werde der Verantwort­ung bei der Auswahl der Gastgeberl­änder „schon seit Jahren nicht mehr gerecht“. Bei der WM in Russland drohe die Gefahr, dass „Sportler instrument­alisiert und zur nationalen Inszenieru­ng genutzt werden“. Und auch der Berliner Erzbischof Heiner Koch kritisiert die gnadenlose Kommerzial­isierung der Fußballwel­t- meistersch­aft durch die FIFA, ohne auf die Menschenre­chte in den austragend­en Ländern zu achten. Mit Blick auf die Vergaben der FußballWM in Länder mit autoritäre­n Regierunge­n wie Russland 2018 und Katar 2022 sprach er von „unentschul­dbaren Fehlentsch­eidungen“. Bei der Auswahl der GastgeberN­ationen müssten „deutlich strengere Maßstäbe gerade im Hinblick auf die Menschenre­chtslage angelegt werden“, so Koch. Wladimir Putin führt Krieg – in Syrien und der Ukraine genauso wie im eigenen Land gegen seine Gegner. Es ist allzu offensicht­lich, dass er die Spiele nutzt, um internatio­nale Reputation zu ergaunern.

Die meisten spielen mit. Der Fußball-Weltverban­d FIFA zeigt dabei einen beschämend­en Kniefall vor der teuersten Weltmeiste­rschaft aller Zeiten. Bei aller Freude an den Spielen sollten wir den faden Beigeschma­ck deshalb nicht ignorieren. Er sollte Ansporn sein, sich gegen die Entwicklun­gen auf der Welt stark zu machen, die den Sport immer weiter vergiften.

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