Rheinische Post Emmerich-Rees

„Ihr sollt die Geschichte kennen“

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Bewegende Begegnunge­n mit einer Holocaust-Überlebend­en: Rund 250 Schüler des Konrad-DudenGymna­siums hörten den Erzählunge­n von Eva Weyl aus Amsterdam zu.

WESEL (acf) In der Aula des KonradDude­n-Gymnasiums ist es mucksmäusc­henstill. Rund 250 Schüler der Jahrgangss­tufen neun und zehn (EF) sind am zusammenge­kommen, um den Erzählunge­n von Eva Weyl zuzuhören. „Ihr sollt die Geschichte kennen, um in Zukunft handeln zu können“, sagt Weyl zu Beginn ihres Vortrags.

Die heute 83-Jährige war gemeinsam mit ihren Eltern, Margot und Hans Weyl, während des Zweiten Weltkriegs im Durchgangs­lager Westerbork inhaftiert. Von dort aus wurden zahlreiche Menschen in die Konzentrat­ionslager Auschwitz und Bergen-Belsen gebracht.

Die Familie ahnte laut Weyl zunächst nicht, was in den Konzentrat­ionslagern wirklich passiert ist. Die Eltern hätten später zwar Gerüchte gehört, konnten jedoch nicht glauben, dass in den Lagern Menschen vergast wurden.

„Ich hatte keine Ahnung, dass die Juden in den Vernichtun­gslagern gefoltert und getötet wurden“, sagt sie. „Ich war ein absolut unwissen- des Kind.“Einmal sei eine Freundin von ihr plötzlich verschwund­en gewesen – abtranspor­tiert nach Auschwitz. „Als ich nachgefrag­t habe, wo meine Freundin denn sei, erhielt ich als Antwort nur: Mit dem Zug weg.“

Geführt wurde das Lager in Westerbork von SS-Kommandant Albert Konrad Gemmeker. „Er hat eine perfide Täuschungs­welt kreiert“, sagt Weyl. Es sei nie zu einem Aufstand der Inhaftiert­en gekommen. Gemmeker habe dafür gesorgt, dass es dafür nie einen Grund gab. „Wir hatten immer genug zu essen, abends gab es Ablenkung durch Orchester und Theaterauf­führungen und wir durften Briefe und Pakete von Verwandten bekommen.“Die Insassen wurden auch durch die Arbeit auf den Kartoffelf­eldern oder in der Küche abgelenkt.

Geschlafen haben sie zusammen mit ihrer Mutter in einer so genannten Baracke, einer 80 Meter langen Scheune. Durch die Löcher in den Wänden zog der eisige Wind, die Matratzen waren dünn und das Bettgestel­l der Stockbette­n hart. „Aber man hat sich daran gewöhnt“, sagt Weyl. „Wenn ich doch Angst hatte, waren meine Eltern immer bei mir und haben mir gesagt, dass alles gut wird“, erinnert sie sich. Das Lager in Westerbork war so groß wie fünf Fußballfel­der, es habe dort auch ein Krankenhau­s und eine Grundschul­e gegeben, auf die Weyl gegangen ist. Als es zu dem Abtranspor­t nach Auschwitz kommen sollte, wurden Bomben über dem Lager in Westerbork abgeworfen. Für die Weyls war das ein Glück. „Wir sind alle in die Baracken gerannt und haben uns unter den Betten versteckt“so Weyl. Im Durcheinan­der sei die Liste mit den Namen der Menschen, die nach Auschwitz geschickt werden sollten, verloren gegangen. „Allein deshalb haben wir überlebt“, sagt Weyl.

Nach der Befreiung 1945 sei Weyl mit ihrer Familie nach Amsterdam gezogen. Dort lebt sie auch heute noch. Von 1953 bis 1954 war sie in Amerika. „Das war die schönste Zeit in meinem Leben“, sagt sie heute. Sie studierte anschließe­nd in der Schweiz.

Nach dem Gespräch sagt die 15jährige Schülerin Nicola Krohn: „Einerseits hat mich der Vortrag traurig gemacht, anderersei­ts bin ich froh, dass ich ihre Geschichte kenne.“

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FOTO: JOHANN RIDDER Rund 250 Schüler der Jahrgänge 9 und 10 (EF) hören in der Aula des Konrad-Duden-Gymnasiums zu, was Eva Weyl über ihr Überleben erzählt.
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FOTO: JOHANN RIDDER Eva Weyl hat den Holocaust im Lager Westerbork überlebt.

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