Endlich wieder ein „Tatort“ohne Klamauk
Beim vorletzten Fall für Alwara Höfels in Dresden sieht der Zuschauer dem Mörder bei der Opfer-Suche zu.
DRESDEN Sollte, was kaum vorstellbar ist, noch jemand einen Beweis dafür brauchen, dass Martin Brambach einer der ganz großen deutschen Schauspieler ist, muss dieser Jemand am Sonntagabend den Fernseher einschalten. Dann spielt Brambach im Dresdner „Tatort“erneut Kommissariatsleiter Peter Michael Schnabel. Rau und verwundet und kämpferisch und ätzend spielt er diesen Ermittler – maximal menschlich also. „Déja-vu“heißt der fünfte Fall von Alwara Höfels und Karin Hanczewski, der nicht voller Gags ist, nicht kitschig, nicht abgedreht, sondern einfach hart.
Oberkommissarin Henni Sieland und Oberkommissarin Karin Gorniak jagen den Mörder des neunjährigen Rico Krüger. Die Leiche des Jungen wurde in einer Tasche am Elbufer gefunden – zuerst wurde er sexuell missbraucht, dann offenbar ertränkt, danach entsorgt. Es scheint Parallelen zu geben zwischen dem Fall von Rico jetzt und dem Verschwinden eines anderen kleinen Jungen vor mehr als drei Jahren. Damals wurde der Täter nicht gefasst, die Leiche nie gefunden, und das nagt bis heute an Kommissariatsleiter Schnabel. Er motzt jeden Mitarbeiter bei jedem kleinen Piep an, lässt sich von übergriffigen, sensationsgeilen Journalisten provozieren, die die Polizei für ihre vermeintliche Untätigkeit kritisieren. Und sie treffen einen wunden Punkt, denn Schnabel trägt schwer an dem schrecklichen Gefühl, dass er den Eltern des Jungen damals keine Gewissheit geben, dass er den Mörder ihres Jungen damals nicht überführen konnte.
Während die Kommissare noch nach der entscheidenden Spur suchen, sieht der Zuschauer dem Mörder dabei zu, wie er sein nächstes Opfer sucht. „Der Film soll kein Psy- chogramm eines pädophilen Kindermörders sein“, hat Regisseur Dustin Loose (der jüngste „Tatort“Regisseur bislang) im Vorfeld gesagt. Vielmehr, so Loose, zeige er den Alltag eines gutaussehenden, charmanten jungen Mannes mit Job und Beziehung, der seine düsteren Seiten verdammt gut versteckt. Und „Déja-vu“zeigt den Schmerz der Eltern, die ihr Kind verloren haben (quälend gut: Jörg Malchow, Franziska Hartmann, Jörg Witte), und der einfach nicht nachlässt.
„Déja-vu“ist der vorletzte Fall für Alwara Höfels im Dresdner „Tatort“, und das ist wirklich schade. Die drei – Brambach, Hanczewski und Höfels – funktionieren gut zusammen. Keine der drei Figuren hat es leicht, jeder schleppt offensichtlich Altlasten, Probleme, unschönes Privates mit sich herum. So richtig rauslassen, sich wirklich öffnen gegenüber den Kollegen, will keiner. Von diesen Ermittlern hätte man in dieser Kombination und Güteklasse gern noch viel mehr gesehen – und das kann man wahrlich nicht über alle „Tatort“-Kommissare sagen. „Tatort – Déjà-vu“, So., Das Erste, 20.15 Uhr