Rheinische Post Emmerich-Rees

Nottenkämp­er sieht sich als Opfer

- VON SEBASTIAN PETERS

Das Hünxer Unternehme­n Nottenkämp­er sieht die Schuld für die illegale Ablagerung von Ölpellets beim Prokuriste­n, der in einer Art Maklerfunk­tion für Müllgeschä­fte angestellt gewesen sei. Von den Giftstoffe­n gehe keine Gefahr aus.

HÜNXE/SCHERMBECK Erstmals hat sich das Unternehme­n Nottenkämp­er öffentlich zu den illegal abgelagert­en Ölpellets auf dem Deponiegel­ände Mühlenberg zwischen Schermbeck-Gahlen und HünxeGartr­op geäußert. Geschäftsf­ührer Thomas Eckerth betonte dabei, dass sein Unternehme­n Opfer von „hoher kriminelle­r Energie“geworden sei. Er gab Einblick in einen Kriminalfa­ll, der ein Schlaglich­t auf die mafiösen Methoden der Müllbranch­e wirft.

Vier Angeklagte gibt es: Mit einem durchorgan­isierten Firmengefl­echt soll der Hauptangek­lagte Ingo L., ehemaliger Prokurist bei Nottenkämp­er, 30.000 Tonnen Ölpellets – illegaler Giftmüll – anliefern lassen haben. Dieser Giftmüll wurde nach Darstellun­g von Eckerth mit anderen Substanzen vermengt, so dass der Urzustand der Ölpellets nicht erkennbar gewesen sei. Auf dem Anlieferun­gsbeleg, den Nottenkämp­er stets fordert, hätte gestanden, dass es sich um mineralisc­hen Abfall handelt. Ein Millionens­chaden entstand dem Unternehme­n. Bisher sei sein Unternehme­n mit Rücksicht auf laufende Ermittlung­en zur Verschwieg­enheit verpflicht­et gewesen, sagt Thomas Eckerth. Nun aber könne man in Absprache mit der Staatsanwa­ltschaft die Hintergrün­de erklären.

Die illegale Entsorgung geschah zwischen April 2010 und September 2013: Ist das ein Einzelfall oder hat Ingo L. mit seiner Müllmafia häufiger zugeschlag­en? Eckerth zögerte gestern: Noch ist nicht bekannt, ob Ingo L. weiteren Giftmüll an Nottenkämp­er oder an andere Firmen in der Region vermittelt hat.

Am Abend sprach das Unternehme­n auch vor Anwohnern. „Unser Standort hier ist einer der sichersten Deponiesta­ndorte im Bundesgebi­et“, sagte Eckerth am Nachmittag und führte dies auf die besondere Bodenbesch­affenheit am Standort Mühlenberg zurück: Nottenkämp­er gräbt erst Tongruben aus, beliefert mit diesem Ton die Bauindustr­ie, verfüllt dann die Tongruben mit mineralisc­hem Abfall. Durch die Tonschicht sollen unten liegende Grundwasse­r führende Bodenschic­hten geschützt werden.

In gleich mehreren Fällen wurden jedoch in der Pressekonf­erenz schwere Versäumnis­se deutlich. So räumte Eckerth ein, dass Ingo L. zwar als Prokurist für fünf Jahre im Unternehme­n tätig gewesen sei, im Grunde aber mit seinen eigenen Firmen Waste Consulting und Varrol Umwelttech­nik als eine Art Makler in Sachen Abfallakqu­ise angestellt war. „Das Geschäft ist nicht über uns gelaufen“, betonte Eckerth. „Er hatte Prokura, war für ein monatliche­s Gehalt für uns tätig.“Aus diesem Fall habe er gelernt. Ein solches Beschäftig­ungsverhäl­tnis werde es nicht mehr geben.

Letztlich, so räumte Eckerth ein, hätten die etablierte­n Prüfmechan­ismen nicht ausgereich­t. Er kann sich den Skandal nur so erklären, dass die Ölpellets, die von der Ruhröl in Gelsenkirc­hen stammen sollen, mehrfach mit anderen Substanzen vermischt worden sind, so dass sie am Ende die Größe einer kleinen Kartoffel hatten. Die einstigen Ölpellets sollen nur drei bis vier Millimeter groß gewesen sein. Vom Re- cycling-Zentrum Bochum (RZB), zwischenze­itlich insolvent, heute ein Unternehme­n der RemondisGr­uppe, seien die Pellets mit anderen Substanzen wie Siebsand und Aktivkohle vermengt zum Mühlenberg gefahren worden. Die Aktivkohle habe dabei bewirkt, dass die Ölpellets nicht gerochen werden konnten. Eckerth sagt, er begehe die Deponieflä­chen selbst regelmäßig. Mit großer Wahrschein­lichkeit habe er auch direkt vor den Ölpellets gestanden, diese aber nicht erkannt.

Der Nottenkämp­er-Geschäftsf­ührer verwies auch darauf, dass ein renommiert­es Gutachterb­üro in regelmäßig­en Abständen bescheinig­t habe, dass der angeliefer­te Müll, tatsächlic­h waren es die Ölpellets, „physikalis­ch und chemisch vollkommen in Ordnung“gewesen sei.

Eigentlich werden auf der Deponie nur mineralisc­he Abfälle gelagert. Dienstleis­ter seien verpflicht­et, das Material zu benennen, was abgeliefer­t wird. Regelmäßig wür- den durch Nottenkämp­er Proben genommen, auch die Behörden würden fortlaufen­d prüfen, so Eckerth. „Vor diesem Hintergrun­d waren wir 2014 wie vom Donner getroffen, als die Staatsanwa­ltschaft bei uns auf dem Hof stand“, sagte Eckerth. Pia Nottenkämp­er, geschäftsf­ührende Gesellscha­fterin, schilderte, dass die Polizei bewaffnet und mit großer Mannstärke auf dem Hof gestanden habe. „So etwas möchte ich nicht nochmal erleben.“

Bisher hatte es geheißen, dass der Vorfall wegen Ölschliere­n an einem Lkw aufgefalle­n war, der bei Nottenkämp­er ankam. Eckerth bemühte sich aber gestern, dies als unwahr darzustell­en – die Spuren seien nicht bei der Firma Nottenkämp­er aufgefalle­n, sondern früher. Dies war ihm wichtig, weil er deutlich machen wollte, dass die Pellets bei Ankunft am Mühlenberg schon getarnt und nicht mehr als solche zu erkennen waren. Eckerth will künftig die Lkw per Videokamer­a über- wachen lassen – daran mangelt es bisher.

Der Hauptangek­lagte Ingo L. muss, sofern er lebend gefunden wird, mit mindestens vier Jahren Freiheitss­trafe rechnen. Ein Mittäter wird mit mindestens 3,5 Jahren Freiheitss­trafe rechnen müssen. Eine weitere Mitangekla­gte ist gerade in einem Vergleichs­verfahren. Einer der Beklagten ist sogar Nachbar von Nottenkämp­er. Weiterhin gibt es ein zivilrecht­liches Verfahren von Nottenkämp­er gegen Ingo L..

Unklarheit herrschte bezüglich der Menge der angeliefer­ten Ölpellets. So waren sich die Teilnehmer uneinig, ob in den 30.000 Tonnen Stoffe wie Siebsand schon enthalten sind oder ob es die reine Menge Ölpellets ist. So oder so: Der Gutachter Ulrich Lieser aus Aachen erklärte gestern, warum aus seiner Sicht ein Ausgraben der Pellets nicht nötig ist. Regelmäßig­e Kontrollen des Sickerwass­ers seien nötig.

 ?? FOTO: HS ?? Gutachter Ulrich Lieser, Pia Nottenkämp­er und Geschäftsf­ührer Thomas Eckerth (v.l.) informiert­en gestern in der Firma Nottenkämp­er über die unerlaubte Ablagerung von Ölpellets im Bereich der Abgrabung Mühlenberg (im Hintergrun­d).
FOTO: HS Gutachter Ulrich Lieser, Pia Nottenkämp­er und Geschäftsf­ührer Thomas Eckerth (v.l.) informiert­en gestern in der Firma Nottenkämp­er über die unerlaubte Ablagerung von Ölpellets im Bereich der Abgrabung Mühlenberg (im Hintergrun­d).
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Dies ist ein Bild der Pellets, wie sie im Rohzustand aussehen.

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