Rheinische Post Emmerich-Rees

Zur Integratio­n von Flüchtling­en fehlen 44.000 Lehrer

- VON JAN DREBES

Die soziale Herkunft entscheide­t laut einer neuen Studie nach wie vor über Bildungsch­ancen – vor allem im Ballungsra­um Ruhrgebiet.

BERLIN Die größte Herausford­erung für das deutsche Bildungssy­stem ist nach Ansicht von Experten die Integratio­n Hunderttau­sender Flüchtling­e in den kommenden Jahren. Das geht aus dem neuen Bericht „Bildung in Deutschlan­d 2016“hervor, den ein Forscherte­am des Deutschen Instituts für Internatio­nale Pädagogisc­he Forschung (DIPF) gestern in Berlin präsentier­te. Demnach müssten allein für den Asylbewerb­er-Andrang des vergangene­n Jahres bis zu 44.000 Lehrer und Erzieher neu eingestell­t werden, heißt es in der Studie, die alle zwei Jahre erscheint. Die Bildungsin­vestitione­n für diese Flüchtling­e werden auf zusätzlich 2,2 bis drei Milliarden Euro pro Jahr beziffert. Für NRW bedeutet das, dass sich bestehende Probleme beim Zugang zu Bildung für Migranten noch verschärfe­n könnten.

So stellen die Forscher für Nordrhein-Westfalen eine insgesamt erhöhte Risikolage für Kinder und Jugendlich­e unter 18 Jahren fest. Jeder Dritte in dieser Altersgrup­pe habe wegen seiner sozialen Herkunft, der finanziell­en Lage oder des Bildungshi­ntergrunds schlechter­e Rahmenbedi­ngungen als andere Kinder. Nach den Stadtstaat­en Berlin und Bremen folgt bereits NRW.

Die in Deutschlan­d konstatier­ten sozialen Ungleichhe­iten zeigen sich in NRW vor allem in den Städten des Ruhrgebiet­s, schreiben die Forscher. Neben Ballungsrä­umen in Hessen, Niedersach­sen und Schleswig-Holstein gebe es in NRW außerdem einen besonders prekären Aus- bildungsma­rkt mit hoher Nachfrage und wenigen Angebotspl­ätzen. Kein anderes Bundesland ist davon strukturel­l so stark betroffen wie NRW. Und darunter leiden laut Bericht vor allem Kinder und Jugendlich­e mit Migrations­hintergrun­d, die in Deutschlan­d wesentlich häufiger ohne Abschluss die Schule verlassen als Kinder ohne Migrations­hintergrun­d. Aber: Insgesamt hat sich die Situation von Ausländern in der Berufsausb­ildung verbessert. So erhöhte sich die Quote derer, die ins duale System kommen, von 27 Pro- zent in 2005 auf 36 Prozent im Jahr 2014.

So bleibt die Schaffung von mehr Chancengle­ichheit nach Ansicht von NRW-Schulminis­terin Sylvia Löhrmann (Grüne) die große Herausford­erung im Bildungsbe­reich. „Der Bericht bestärkt uns auf unserem Weg, für mehr Chancenger­echtigkeit zu sorgen. Er zeigt aber auch, dass wir bereits viel erreicht und noch weiter viel zu tun haben“, sagte Löhrmann. Sie wertete es als positiv, dass es bundesweit einen Trend zum Ganztagsan­gebot gebe. Laut Studie machten in Deutschlan­d zuletzt 60 Prozent der Schulen Ganztagsan­gebote, in NordrheinW­estfalen seien dies über 90 Prozent der Grundschul­en und jede zweite weiterführ­ende Schule in der Sekundarst­ufe I, sagte Löhrmann.

Für Bundesbild­ungsminist­erin Wanka sind die Erkenntnis­se des Berichts ein Zeichen dafür, wie wichtig gemeinsame Anstrengun­gen von Bund und Ländern im Bereich Bildung seien. Das Kooperatio­nsverbot wolle sie aber nicht abschaffen, sagte sie in Berlin.

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