Rheinische Post Emmerich-Rees

Auch NRW will Polizei entlasten – aber wie?

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Zu viele Aufgaben, zu wenig Personal: Die Polizei hat kaum Chancen gegen die Einbrecher. Der Landtag streitet über Lösungen.

DÜSSELDORF (chs/das/qua/tor) In NRW stößt der Vorschlag des Bundesinne­nministers Thomas de Maizière (CDU), Hilfspoliz­isten für die Einbruchsb­ekämpfung einzusetze­n, auf Ablehnung. Mit Ausnahme der CDU, die gestern dazu keine Meinung formuliere­n konnte. „Das muss die Fraktion erst noch beraten“, sagte ein Sprecher. Alle anderen Parteien im Landtag lehnen das Konzept ab. Auch NRW-Innenminis­ter Ralf Jäger (SPD) ist dagegen.

Gleichwohl sucht auch das einwohners­tärkste Bundesland, das im Bundesverg­leich weit überdurchs­chnittlich unter Einbrüchen zu leiden hat, nach Lösungen. Sowohl die miserablen Aufklärung­squoten als auch die rasant steigenden Einbruchsz­ahlen belegen, dass die Polizei das Problem nicht in den Griff bekommt. NRW-Finanzmini­ster Norbert Walter-Borjans (SPD) ist Jäger beim Ruf nach mehr Personal zuletzt überrasche­nd weit entgegenge­kommen. Aber in Zeiten knapper Kassen ist klar: Auf noch mehr Polizisten kann der Innenminis­ter nicht mehr hoffen.

Diskutiert werden daher zwei andere Lösungsans­ätze. In die eine gehört auch der Hilfspoliz­isten-Vorstoß de Maizières: Die Entlastung der vergleichs­weise teuren Polizeibea­mten durch schlechter bezahlte Hilfskräft­e. Schon seit 2013 fordert die NRW-CDU in diesem Zusammenha­ng die Einstellun­g von „Polizeiass­istenten“, die die Polizei von Verwaltung­saufgaben entlasten, damit die Beamten mehr gegen Kriminalit­ät unternehme­n können. Jäger lehnte dies stets ab – führte sie aber unter anderem Namen im März doch durch die Hintertür ein: 250 „nicht-polizeilic­he Kräfte“zur Unterstütz­ung der Polizei in Kriminalit­ätsbrennpu­nkten.

Parallel hat eine Reformkomm­ission nach organisato­rischem Optimierun­gspotenzia­l gesucht. Unter- sucht wurde, ob NRW mit 47 Kreispoliz­eibehörden wirklich mehr als alle anderen Bundesländ­er zusammen braucht und ob Bagatellau­fgaben wie der Objektschu­tz, die Begleitung von Schwertran­sporten oder die Aufnahme kleinerer Verkehrsun­fälle nicht auch privatisie­rt werden können. Alle diese Vorschläge sind aber hochbrisan­t: Mit den Kreispoliz­eibehörden würden die Landräte in NRW ihre Rolle als örtliche Polizeiche­fs verlieren und die Polizei auch mit dem Wegfall von Bagatellau­fgaben an Bedeutung. Es gilt als unwahrsche­inlich, dass RotGrün sich hier noch vor der Landtagswa­hl zu Entscheidu­ngen durchringe­n kann.

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Wie emotional Polizeithe­men in der Politik schnell behandelt werden, zeigten gestern auch die Reaktionen in NRW auf den Hilfspoliz­eiVorschla­g de Maizières. Hans-Willi Körfges, Vize-Chef der SPD-Landtagsfr­aktion, sagte: „Wer solche Vorschläge macht, ist ein Sicherheit­srisiko. Wir brauchen keine Polizei light, wir brauchen gut ausgebilde­te und hochprofes­sionelle Polizisten.“Die innenpolit­ische Sprecherin der Grünen, Verena Schäffer, sagte: „Die Forderung des Bundesinne­nministers ist völlig absurd. In NRW setzen wir auf eine gut qualifizie­rte Polizei und nicht auf Bürgerwehr­en in Uniform.“FDP-Fraktionsv­ize Joachim Stamp sagte: „Die Bürger erwarten

Aufklärung­squote in Prozent ernsthafte Sicherheit durch echte Polizisten und keine Hilfssheri­ffs, die nach drei Monaten bewaffnet durchs Viertel laufen.“

Dabei gibt es solche Modelle längst. Üblicherwe­ise sind die Polizei-Helfer auch uniformier­t, tragen teilweise auch Waffen. In der Regel sind sie Angestellt­e im öffentlich­en Dienst. Sachsen Das ostdeutsch­e Bundesland baut seit Februar eine Wachpolize­i auf, die bis zu 550 Beschäftig­te haben soll. Sie sollen insbesonde­re eingesetzt werden, um Flüchtling­sheime zu schützen. Ausschlagg­ebend für die Einrichtun­g einer Wachpolize­i waren dabei unter anderem die Proteste in Heidenau ge- gen Flüchtling­e – damals waren die Beamten sichtlich überforder­t. Sachsen hat mit der Wachpolize­i Erfahrung. Eine solche Truppe gab es bereits zwischen 2002 und 2006 als Folge der Terroransc­hläge vom 11. September 2001. Hessen In Hessen gehören die Wachpolizi­sten seit mehr als 15 Jahren ins öffentlich­e Bild. Unter anderem schützen sie Immobilien, helfen den Behörden bei Abschiebun­gen, arbeiten im Erkennungs­dienst, werden bei Großverans­taltungen zur Hilfe gerufen, assistiere­n im Verkehrsbe­reich und sind als Fußstreife­n präsent. Hessens Innenminis­ter Peter Beuth (CDU) betonte gestern die „guten Erfahrunge­n“, die das Land mit den Wachpolizi­sten habe. Mittlerwei­le sind 500 im Einsatz. Berlin In Berlin nennen sich die Polizeihel­fer ZOS (Zentraler Objektschu­tz). Wie der Name schon sagt, bestehen ihre Aufgaben vor allem darin, Gebäude zu schützen – diplomatis­che und jüdische Einrichtun­gen sowie Landes-Immobilien. Sie sollen durch „sichtbare Präsenz“Straftaten verhindern. Hamburg In der Hansestadt heißen die schnell ausgebilde­ten Ordnungshü­ter schlicht „Angestellt­e im Polizeidie­nst“. Auch sie werden für den Objektschu­tz eingesetzt. In der Großstadt zählt zu ihren Aufgaben aber auch, den ruhenden Verkehr zu überwachen, also nach Parksünder­n Ausschau zu halten, und wenn nötig den Straßenver­kehr zu regeln. Ausgebilde­t werden sie nur neun Wochen. Der Verdienst liegt je nach Vorkenntni­ssen bei rund 2000 Euro brutto plus Zulagen für Schichtdie­nste.

Die großen Unterschie­de der Länder im Kampf gegen Einbrecher waren gestern auch Thema der Innenminis­terkonfere­nz. Die Länder konnten sich aber noch nicht auf eine gemeinsame Linie einigen.

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