Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Die Geburtsstunde des Rosenmontagszugs
Die Preußen versuchten vor 200 Jahren, das unbändige Treiben der Kölner zu zügeln.
KÖLN (dpa) Der Kölner Karneval ist heute nicht gerade als subversiv bekannt. Im Rosenmontagszug fahren sogar Vertreter der Landesregierung als Ehrengäste mit. Diese Nähe zu den Mächtigen reicht 200 Jahre in die Geschichte zurück. Schon der erste Rosenmontagszug am 10. Februar 1823 war ein Versuch, das bis dahin anarchische Fest an die Kette zu legen. Seit dem Mittelalter hatte der „Fastelovend“eine „verkehrte Welt“geschaffen, in der die Armen und Machtlosen für wenige Tage „Narrenfreiheit“genossen und die hohen Herren verspotten konnten.
So konnte es nicht weitergehen – vor allem nicht, nachdem das schon damals als liberal und locker, aber auch chaotisch geltende Köln 1815 an das autoritäre und ordnungsversessene Preußen gefallen war. Im Winter 1822/23 setzten sich deshalb einige grundsolide Vertreter der Kölner Oberschicht in einem Weinhaus zusammen und berieten, wie sie das Treiben domestizieren könnten. Ihr Vorbild war der kultivierte venezianische Karneval. Deshalb importierten sie als Erstes seinen Namen und tauften die Fastnacht in Karneval um. Als Zweites erfanden sie einen romantischen Maskenzug.
Zur Organisation des Zuges bildeten die Initiatoren im Januar 1823 ein „festordnendes Comité für die Carnevalslustbarkeiten“, das bis heute besteht. Obwohl bis zum Rosenmontag nur noch zwei Wochen Zeit waren, gelang ihnen schon mit dem ersten Zug ein großer Erfolg, auch in kommerzieller Hinsicht. Der Karneval wurde zum großen Geschäft. Andere Städte beeilten sich, das Kölner Modell zu kopieren.
Die Polizeibehörden sorgten indes dafür, dass die Figur des zunächst geplanten „König Karneval“durch „Held Karneval“ersetzt wurde. In Preußen gab es schließlich nur einen König, und der saß in Berlin. Somit hatte die Oberschicht den Karneval gekapert. „Niedere Volksschichten“wurden von den Sitzungen ausgeschlossen. Doch dagegen regte sich Widerstand: Der überzeugte Demokrat Franz Raveaux tat sich mit Gleichgesinnten zusammen und organisierte einen zeitkritischen Alternativkarneval, bei dem jeder willkommen war.
1848 gab der Kölner Karneval dann den Startschuss für die große Märzrevolution, die Deutschland in jenem Jahr demokratisierte: Im Stadtzentrum stieg ein Gasballon in Gestalt von Hanswurst in den Himmel – weithin sichtbar leuchtend in den republikanischen Farben Schwarz-rot-gold. Als erster demokratischer Abgeordneter Kölns zograveaux in die Frankfurter Nationalversammlung ein, wo er schnell durch sein Redetalent auffiel. Kein Wunder – hier stand ein erfahrener Büttenredner.
Das Parlament versäumte es aber, sich die Macht auch wirklich zu sichern, vor allem die Kontrolle über das Militär. So konnten die deutschen Fürsten bei nächster Gelegenheit zurückschlagen und das Parlament auflösen. Raveaux musste fliehen – er tat es als einer der letzten. Mit nur 41 Jahren starb er im belgischen Exil.
Die Narren fanden schnell zur alten Artigkeit zurück. Die Zeit, als Franz Raveaux den Kölner Karneval aufmischte und die Mächtigen bis zur Weißglut reizte, ist seitdem nur noch eine ferne Erinnerung.