Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Die Angst vor der Abhängigkeit von China
Der geplante Einstieg eines Pekinger Staatskonzerns im Hamburger Hafen alarmiert die deutsche Politik und die Logistik-branche.
BERLIN Der mögliche Einstieg eines chinesischen Staatskonzerns bei einem Containerterminal im Hamburger Hafen hat bei Union, FDP und Grünen scharfe Kritik ausgelöst. „Nach Informationen von NDR und WDR haben alle sechs Ministerien, die an der Investitionsprüfung fachlich beteiligt sind, das Geschäft abgelehnt“, berichteten NDR und WDR am Donnerstag. „Das Kanzleramt drängt der Recherche zufolge jedoch darauf, dass der Einstieg zustande kommen soll“, berichteten die Sender. Das Kanzleramt wollte die Meldung zunächst nicht kommentieren. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der frühere Hamburger Bürgermeister, plant am 3. und 4. November einen Besuch in China, begleitet von einer großen Wirtschaftsdelegation.
Hintergrund ist eine im September des vergangenen Jahres geschlossene Vereinbarung zwischen dem Hamburger Hafenlogistiker HHLA und dem chinesischen Terminalbetreiber Cosco über eine 35-Prozent-beteiligung der Chinesen am Hamburger Hhla-terminal Tollerort (CTT). Das Wirtschaftsministerium soll das Thema bereits zur endgültigen Ablehnung im Bundeskabinett angemeldet haben, weil es sich um kritische Infrastruktur handele. Durch die Beteiligung der Chinesen könne ein „Erpressungspotenzial“am Hafen entstehen, so die Befürchtung.
China ist der mit Abstand wichtigste Handelspartner in Hamburg. Der Pekinger Cosco-konzern, der auch eine der weltweit größten Containerreedereien betreibt, lässt seine Schiffe seit Jahrzehnten dort festmachen. Cosco will im Gegenzug zum Einstieg seine Ladungsströme in Hamburg konzentrieren. Dem Bericht zufolge drängt die Zeit: „Wenn das Bundeskabinett keinen Beschluss fasst und keine Fristverlängerung mehr vereinbart wird, würde das Geschäft laut Gesetz automatisch zustande kommen“, schreiben NDR und WDR. „Das wäre nach aktuellem Stand Ende Oktober der Fall, kurz vor einem geplanten China-besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD)“.
Die Kommunistische Partei Chinas „darf keinen Zugang zur kritischen Infrastruktur unseres Landes haben. Das wäre ein großer Fehler und auch ein Risiko“, sagte FDP
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Generalsekretär Bijan Djir-sarai. „Deutsche Häfen gehören nicht in chinesische Hand. Zumal Europäer sich in China nicht an Häfen beteiligen können“, sagte Unionsfraktionsvize Jens Spahn. „Eine Lehre aus Pandemie und Energiekrise ist: Wir müssen unabhängiger von China werden.“Auch die Grünen übten Kritik: „Unsere kritische Infrastruktur darf nicht zum Spielball geopolitischer Interessen anderer werden. Europa ist ein starker Handels- und Wirtschaftsraum und auch unsere Häfen zählen zu besonders schützenswerten Einrichtungen“, sagte Grünen-politiker Marcel Emmerich.
Das Thema beschäftigt noch bis zu diesem Freitag auch den dreitägigen Deutschen Logistik-kongress in Berlin mit mehr als 1900 Teilnehmern aus über 40 Nationen. Nach dem Ausbruch des Ukraine-kriegs und dem Stopp der russischen Energielieferungen wachsen die Sorgen der Logistiker vor einer weiteren Krise: Auch die große Abhängigkeit von China macht die deutsche Wirtschaft anfällig für neue Schocks von außen.
Außenhandelspräsident Dirk Jandura forderte, die Handelsbeziehungen mit den USA durch die Neuauflage des auf Eis gelegten Freihandelsabkommens TTIP zu intensivieren. „Insbesondere die Handelszahlen der letzten Monate haben gezeigt, dass die Handelsbeziehungen zu den USA stetig zunehmen. Dies sollte zum Anlass genommen werden, die Verhandlungen mit den USA wieder aufzunehmen“, sagte Jandura. „TTIP scheitern zu lassen, war ein Riesenfehler.“