Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Kölnerin muss lebenslang in Haft
Die Richter urteilten, dass die Frau ihren Schwiegervater mit Insulin töten wollte.
KÖLN 56 Tage wurde verhandelt, Dutzende Zeugen und zehn Gutachter gehört – und nach fast eineinhalb Jahren ist nun das Urteil gefallen: Das Landgericht Köln hat eine 42Jährige für den versuchten Mord an ihrem Schwiegervater zu lebenslanger Haft verurteilt. Sie muss zudem ein Schmerzensgeld in Höhe von 75.000 Euro bezahlen. „Wir stehen am Ende eines aufreibenden Prozesses“, sagt der Vorsitzende Richter und spricht vom „fast perfekten Mord“.
Die Angeklagte Clara S. (Name geändert) nimmt das Urteil äußerlich reglos hin. Sie hat vehement bestritten, die Tat begangen zu haben. Ihre Verteidiger hatten einen Freispruch gefordert. Der Ehemann der Angeklagten sitzt im Zuschauerbereich. Die beiden haben zwei kleine Kinder, vier und sieben Jahre alt. Der Ehemann hat mit seinem Vater gemeinsam eine große Arztpraxis in Köln betrieben. Er hält zu seiner Frau, beide hatten im Prozess die Vermutung geäußert, der
Senior habe sich womöglich das Leben nehmen wollen. Das Gericht schließt einen Suizidversuch aus. Zeugen und eine psychiatrische Gutachterin hatten im Prozess berichtet, dass es keinerlei Anhaltspunkte dafür gibt.
Die Richter sehen es als erwiesen an, dass Clara S. dem damals 80jährigen Vater ihres Mannes im Juli 2020 bei einem Besuch in dessen Haus zuerst ein starkes Beruhigungsmittel in den Kaffee gemischt und ihm dann, nachdem er das Bewusstsein verloren hatte, mehrere Insulinspritzen verabreicht hat. Sie hatte ihre damals fünf Jahre alte Tochter dabei. „Als Türöffner, um sich überhaupt mit dem Schwiegervater treffen zu können“, wie der Vorsitzende sagt. Das Kind soll Clara S. während der Tat im Nebenzimmer mit Kinderserien abgelenkt haben. Das Verhältnis zwischen Clara S. und den Eltern ihres Mannes war von Beginn an schwierig. Wenn sie zu Besuch kam, dann immer nur in Begleitung ihres Mannes. Dessen Eltern hatten sich eine andere Partnerin für den Sohn gewünscht. Clara
S. war ihnen nicht intellektuell genug. „Da sind Welten aufeinandergeprallt“, sagt der Vorsitzende. Und sieht darin ein mögliches Motiv: Rache für erlittene Demütigungen. Clara S. soll es zudem auf das Haus des Schwiegervaters abgesehen haben. Mehrere Zeugen hatten berichtet, dass sie sehr an einem Häusertausch interessiert gewesen sei – was für ihren Schwiegervater nie zur Debatte stand. Auch heute noch lebt er in seinem Haus, ist aber 24 Stunden am Tag auf Pflege angewiesen, weil sein Gehirn durch die InsulinÜberdosis schwer geschädigt wurde. Vor der Tat stand er mitten im Leben, arbeitete als Arzt noch jeden Tag in seiner Praxis, traf sich mit Freunden, plante Reisen. Ein selbstbestimmtes Leben ist für den Mann, „der mit Leib und Seele Arzt war“, heute ausgeschlossen, wie der Vorsitzende betont. „Er ist nur noch eine Hülle seiner Selbst.“
Eine lebenslange Freiheitsstrafe kann frühestens nach 15 Jahren zur Bewährung ausgesetzt werden. Die Verteidiger kündigten bereits an, Rechtsmittel einzulegen.