Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
„Theater sind immer noch sehr hierarchisch“
ISABEL PFEIFFER-POENSGEN Die Nrw-kulturministerin begrüßt die Aufarbeitung der rassistischen Vorfälle am Düsseldorfer Schauspielhaus und spricht von einer bundesweiten Aufgabe.
Frau Pfeiffer-poensgen, werden im Spätsommer dieses Jahres wieder Kulturveranstaltungen unter freiem Himmel möglich sein? PFEIFFER-POENSGEN Auch wenn es oft nicht leicht fällt, bleibe ich Optimistin und hoffe, dass es nach den Sommerferien wieder losgehen kann. Open-air-veranstaltungen vielleicht noch früher. Das Bedürfnis nach Kunst und Kultur in der Gesellschaft jedenfalls ist riesig, wie man allein schon an der hohen Nachfrage etwa nach der Warhol-ausstellung in Köln oder der Heinz-mack-ausstellung hier in Düsseldorf sehen konnte.
Und bis dahin begnügen wir uns weiter mit unendlich vielen Streaming-angeboten… PFEIFFER-POENSGEN …die sich aber in den vergangenen Monaten auch sehr weiterentwickelt haben. Am Anfang war das natürlich notgedrungen noch so ein bisschen „Handmade“, eine Aufführung wurde quasi nebenbei mitgefilmt. Inzwischen haben sich viele Einrichtungen auf diesem Feld unglaublich professionalisiert. Jetzt sind von etlichen Produktionen richtig gut gemachte Videos im Netz zu sehen. Die Nachfrage danach ist nach wie vor da, aber natürlich wollen die Menschen Konzerte oder Theateraufführungen bald auch endlich wieder live erleben.
Was kann aber jetzt schon getan werden?
PFEIFFER-POENSGEN Wir müssen überlegen, wie wir die Spielstätten, wenn sie denn öffnen dürfen, so gestalten, dass die Menschen sich darin auch wieder sicher fühlen können. Wir haben dazu die Deutsche Theatertechnische Gesellschaft beauftragt, die 26 größten Häuser in NRW unter diesem Aspekt zu prüfen und zu beraten. Das werten wir gerade aus. Die ersten Ergebnisse zeigen, dass 80 Prozent der untersuchten Häuser die Anforderungen an eine pandemiegerechte Lüftung erfüllen. Das ist ein ermutigendes Signal.
In Düsseldorf plant man das große Festival „Theater der Welt“jetzt ab dem 17. Juni – auf einer offenen Bühne gleich vor dem Theater.
PFEIFFER-POENSGEN Das finde ich eine gute Idee. Und das Festival-programm ist so schön, dass ich nur hoffen kann, dass manches davon auch wirklich gezeigt werden kannte. Wirklich planbar ist das angesichts der derzeitigen Pandemielage aber noch nicht.
Das Land ist neben der Kommune Träger des Düsseldorfer Schauspielhauses. An dem werden seit einiger Zeit Debatten über einen rassistischen Vorfall im Ensemble geführt. Was lässt sich strukturell ändern, um solche Vorfälle künftig zu verhindern?
PFEIFFER-POENSGEN Es hat mich sehr erschüttert, dass es Menschen im Schauspielhaus gibt, die offenbar rassistische und diskriminierende Erfahrungen machen mussten. Es ist absolut notwendig und auch richtig, dass das Schauspielhaus die Vorwürfe aufklärt, auch mit externer Hilfe. Es ist wichtig, wenn dieser Prozess von jemandem moderiert wird, der eben nicht im Schauspielhaus arbeitet. Daneben hat die Theaterleitung sicher auch Recht, wenn sie die Vorfälle auch in einen größeren Kontext einordnet, weil dieses
Thema eine grundlegende Bedeutung für viele vergleichbare Kultureinrichtungen hat. Denn am Ende wird es auch um die Veränderung von bestehenden Strukturen am Theater gehen – und zwar bundesweit. Theater sind vom Grundsatz her immer noch sehr hierarchisch strukturiert. In einem solchen Prozess muss man bereit sein, vieles infrage zu stellen. Das ist eine ziemlich grundsätzliche Arbeit; aber der müssen wir uns jetzt stellen.
Wenn ein Teil der Ursachen in den Strukturen liegen, dürften auch andere Theater betroffen sein? PFEIFFER-POENSGEN Natürlich. Wenn ein einziger Gastbeitrag eines Dramaturgen in der FAZ hierzu eine Erwiderung hervorruft, die 1400 Menschen unterschreiben, dann ist das ein klarer Hinweis, dass hier Fragen angesprochen werden, die viele Theaterschaffende bewegen, nicht nur in Düsseldorf. Man wird am Ende einen Weg finden müssen, wie Entscheidungsabläufe im Theater und Fragen der Rollenbesetzung mit den künstlerischen Fragen und deren besonderen Anforderungen in Einklang gebracht werden können.
Eine andere Kulturdebatte in NRW kreist um den Standort des Deutschen Fotoinstituts. Erst sollte es in Düsseldorf stehen, dann in Essen. Jetzt steht eine Teilung der neuen Einrichtung auf beide Städte im Raum. Ist das eine glückliche Lösung?
PFEIFFER-POENSGEN Aus meiner Sicht stehen jetzt zunächst die Inhalte im Fokus. Wir sprechen hier von einer nationalen Einrichtung. Monika Grütters als Kulturstaatsministerin hat angekündigt, dass sie jetzt noch einmal alle Akteure an einen runden Tisch bringen wird, um zu versuchen, eine Brücke zwischen den verschiedenen inhaltlichen Ansätzen zu bauen. Ein nationales Fotoinstitut hat einen umfassenden Arbeitsauftrag, vergleichbar etwa mit dem Literaturarchiv in Marbach. Ich bin daher sehr froh, dass dieses Bundesinstitut für Fotografie nach NRW kommen soll.