Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Die Verantwortung des Kardinals
Es tut oft gut, einen Schuldigen zu finden – auf den man dann zeigen kann, damit alle Zweifel beseitigt sind. Ist auch Kardinal Woelki Opfer eines solch kurzsichtigen Reflexes, wenn jetzt vielfach sein Rücktritt gefordert wird? Wohl kaum. Denn es gibt zu viele Ungereimtheiten in den Erklärungen, mit denen der Erzbischof sein Nichthandeln im Fall eines schweren sexuellen Kindesmissbrauchs zu verteidigen versucht. Zwar habe man sich bemüht, das Geschehene zu klären, konnte aber dies wegen der Demenzerkrankung des beschuldigten Priesters nicht leisten.
Warum zahlte das Erzbistum dann aber 15.000 Euro an den Betroffenen, der im Kindergartenalter vom Priester schwerst missbraucht worden war? Ein weiterer Grund: Die Erkrankung habe auch eine Konfrontation mit dem Betroffenen unmöglich gemacht. Dabei wird auf Gegenüberstellungen fast immer verzichtet; zu groß ist nämlich die Gefahr einer erneuten Traumatisierung. Woelki tat vielmehr das, was andere Bischöfe und Kardinäle vor ihm getan haben: Missbrauchsvorwürfe nicht weiter zu verfolgen und nicht Rom zu melden. Das wäre kirchenrechtlich seine Pflicht gewesen. Dass dies dennoch unterlassen wurde, mag an falsch verstandener Verbundenheit und Freundschaft zum Amtskollegen gelegen haben. Es geht bei keinem Rücktritt um billige Genugtuung. Es geht um persönliche Verantwortung und um das Eingeständnis, dass das „System Kirche“Missbrauch begünstigte. Stattdessen erleben die Menschen das Festhalten an Macht, das Gezerre um Aufklärungsstudien.
Ein Trauerspiel. Und es fällt schwer zu sagen, dass Kirchenaustritte dennoch keine Antwort darauf und erst recht keine Lösung sind. Denn mehr denn je wird es auf die Laien in der Kirche ankommen. BERICHTWOELKI WEIST RÜCKTRITTSFORDERUNG AB, TITELSEITE