Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
„Ich möchte Sie um einen Gefallen bitten“
Das Telefon-protokoll bestätigt: Donald Trump hat vom ukrainischen Präsidenten Ermittlungen zu Joe Biden gefordert.
WASHINGTON Noch bevor er den Text freigab, auf den Freund und Feind so gespannt warteten, moderierte Donald Trump das Thema schon an, wie üblich mithilfe von Twitter. Ob sich die Demokraten wohl entschuldigen würden, wenn man erst nachlesen könne, was er mit dem ukrainischen Präsidenten besprochen habe, fragte er in einem Tweet. „Das sollten sie tun. Ein perfektes Telefonat. Da hab‘ ich sie ganz schön überrascht.“Angeblich ging alles mit rechten Dingen zu bei einem Gespräch, das er Ende Juli mit Wolodymyr Selenskyj führte.
Die Opposition sieht das anders, und zumindest im Ansatz sieht sie sich durch die am Mittwoch veröffentlichte Abschrift der Unterredung bestätigt. „Ich möchte Sie um einen Gefallen bitten“, sagte Trump, nachdem der Ukrainer die Frage amerikanischer Rüstungslieferungen angesprochen hatte. Selenskyj möge bitte mit William Barr, seinem Justizminister, und Rudy Giuliani, seinem persönlichen Anwalt, über Hunter Biden, den Sohn Joe Bidens, und dessen Vater sprechen. Es gebe viel Gerede über Bidens Sohn und darüber, dass Joe Biden die Strafverfolgung in der Ukraine gestoppt habe. Biden senior habe sich damit gebrüstet, dass er die Anklage gestoppt habe – „wenn Sie sich das mal ansehen könnten, klingt furchtbar in meinen Ohren“.
Bereits am Dienstag hatte Nancy Pelosi, die Nummer eins der Demokraten im Repräsentantenhaus, erste Schritte für eine Amtsenthebung des Präsidenten angekündigt. Die Abgeordnetenkammer wird demnach in sechs Ausschüssen offiziell mit Ermittlungen beginnen, ob sich Trump der Hilfe einer fremden Macht bediente, um sich gegenüber einem potenziellen Kontrahenten im Wahlkampf 2020 Vorteile zu verschaffen. Konkret geht es um die Frage, ob er Selenskyj drängte, wegen Korruptionsverdachts gegen den in der Ukraine gut vernetzten jüngsten Sohn Joe Bidens zu ermitteln, möglicherweise auch gegen den Politiker selber. Und ob er, um Selenskyj unter Druck zu setzen, bereits zugesagte Militärhilfe blockierte. Neuerdings ist von 400 Millionen Dollar die Rede, nachdem zuvor die Zahl 250 Millionen durch die Medien gegeistert war. Selenskyj ließ am Mittwoch jedenfalls wissen, er habe sich nicht unter Druck gesetzt gefühlt.
Als Pelosi ihren Entschluss in einer kurzen Fernsehansprache verkündete, war nichts mehr von früherer Skepsis zu spüren. Nichts mehr davon, dass gerade sie lange Zeit vor einem übereilten ImpeachmentAnlauf gewarnt hatte, mit dem Argument, dass die Mehrheit der Wähler kein politisches Spektakel wolle, sondern von der Politik Beiträge zur Lösung ihrer Alltagsprobleme erwarte. In kompromisslosen Worten, vor der patriotischen Kulisse von sechs Sternenbannern, warf sie Trump nunmehr vor, seinen Amtseid, die nationale Sicherheit und die Integrität amerikanischer Wahlen verraten zu haben. „Der Präsident muss zur Rechenschaft gezogen werden. Niemand steht über dem Gesetz.“Es war die erste Attacke in einer Schlacht, die sich bis weit ins Wahljahr ziehen könnte.
Man müsse handeln, solange das Eisen noch heiß sei, habe die Grande Dame der Demokraten ihre Parteifreunde im Kongress zur Eile angehalten, berichten amerikanische Zeitungen. Man dürfe nicht zulassen, soll Pelosi gesagt haben, dass Trump das Ganze zu einer Petitesse herunterspiele, denn im Kern gehe es um die nationale Sicherheit der USA. Trump konterte, indem er ankündigte, die Abschrift eines am 25. Juli geführten Telefonats mit Selenskyj freizugeben.
Den Demokraten wiederum genügt nicht, dass man im Wortlaut nachlesen kann, was Trump und Selenskyj an jenem Julitag besprachen. Nach ihrem Willen soll das Weiße Haus auch die interne Beschwerde eines Whistleblowers veröffentlichen, eine Beschwerde, die die Lawine ins Rollen gebracht hatte. Über den anonymen Informanten wissen Außenstehende bisher nur, dass es sich um einen Mitarbeiter der Regierung handelt. Im August wandte er sich an den Generalinspekteur der Geheimdienste, um ein Fehlverhalten an der Staatsspitze zu melden. Ob es nur ein Telefonat war, das ihn Alarm schlagen ließ, oder ob er sich auf eine Serie von Gesprächen bezog, wo und warum er zum Ohrenzeugen wurde – das alles ist noch unklar. Wie Adam Schiff, der Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im Abgeordnetenhaus, mitteilte, soll der Whistleblower nächste Woche vor dem Kongress aussagen.
Irgendwann hat das Justizkomitee des Hauses zu entscheiden, ob die Vorwürfe schwer genug wiegen, um die gesamte Parlamentskammer über ein Impeachment abstimmen zu lassen. Vieles spricht dafür, dass es so kommt. Seit der Kongresswahl im vergangenen November stellen die Demokraten die Mehrheit. Und es ist letztlich eine rein politische Frage, ob der Prozess hin zur Amtsenthebung des Präsidenten in Gang gesetzt wird.
Dann aber warten im Senat hohe Hürden, an denen bislang noch jedes Impeachment-verfahren gescheitert ist, sowohl 1868 kurz nach dem Bürgerkrieg das gegen den damaligen Präsidenten Andrew Johnson als auch Ende der 90er Jahre gegen Bill Clinton. Dieses Mal müssten mindestens 20 republikanische Senatoren auf Distanz zu Trump gehen, was aus heutiger Sicht illusorisch erscheint. Zu eindeutig hält die Basis zum Präsidenten, als dass es konservative Senatoren wagen würden, sich mit ihr anzulegen.