Die letzte Hoffnung Städte wollen mehr Freiheit für Tempo 30
Der Bund plant ein neues Straßenverkehrsgesetz. Dessen Regeln gehen vielen Kommunen in NRW aber nicht weit genug.
DÜSSELDORF Städte in NordrheinWestfalen fordern mehr Möglichkeiten, Tempo 30 auf Straßen anzuordnen. Die aktuellen Pläne der Bundesregierung zu einer Reform des Straßenverkehrsgesetzes sollen ihnen zwar schon mehr Freiheiten bei der Gestaltung des Straßenverkehrs geben. „Bei den Geschwindigkeitsbegrenzungen sind wir aber noch nicht so weit, wie wir es wollen: dass wir nämlich wirklich frei darin sind, Tempo 30 anzuordnen“, sagte Frauke Burgdorff, Sprecherin der bundesweiten Städteinitiative „Lebenswerte Städte und Gemeinden“und Beigeordnete in Aachen.
Nach wie vor soll gemäß den Entwürfen zur Gesetzesreform die Gefahrenabwehr die wesentliche Voraussetzung dafür sein, dass eine Kommune das Tempolimit verhängen darf, etwa an Spielplätzen oder Schulwegen. „Wir fordern von den Ländern, dass nicht nur die Gefahr, sondern auch Gesundheitsaspekte, der Klimaschutz oder städtebauliche Gründe – dass man beispielsweise einen schönen Platz in der Ortsmitte haben will – Anordnungsgründe sein dürfen“, so Burgdorff.
Der Initiative „Lebenswerte Städte“sind bundesweit derzeit rund 860 Kommunen angeschlossen. Gerade für Nordrhein-Westfalen wären mehr Freiheiten wichtig, so Burgdorff, „weil unser Land so dicht besiedelt ist und es die großen Ballungszentren gibt wie das Ruhrgebiet.
Eine Reduzierung von 50 auf 30 Stundenkilometer heißt: Es entsteht nur noch etwa die Hälfte des Lärms. Das hat in den dicht bebauten Bereichen eine große Bedeutung.“
Auch Landesverkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) sieht Nachbesserungsbedarf. Der Entwurf der Bundesregierung weise in die richtige Richtung, „bleibt aber deutlich hinter den Erwartungen zurück“, bemängelte er gegenüber unserer Redaktion. „Die Kommunen können selbst am besten beurteilen, wo Tempobeschränkungen, Querungshilfen, Einbahnstraßen und vieles mehr eingerichtet werden sollen. Das ist besser als starre und vor Ort nicht handhabbare Vorgaben aus Berlin oder Düsseldorf.“
Auf mehr Flexibilität pochen viele Städte schon lange. Bonn geht mit einer Forderung nach vorn: „Im Idealfall würde künftig Tempo 30 als innerörtliche Regelgeschwindigkeit eingeführt beziehungsweise mindestens den Kommunen aber die Möglichkeit eingeräumt, für einzelne, besonders wichtige Verkehrsachsen und Verkehrswege selbst zu entscheiden.“Köln betont den Wunsch, Stadträume „klimaund menschenfreundlicher zu machen“; auch in Duisburg hofft man auf die Steigerung der Lebensqualität in der Stadt und nicht allein auf mehr Sicherheit.
Zugleich stellt sich der Städteund Gemeindebund NRW dagegen, innerorts grundsätzlich Tempo 30 einzuführen. „Auf den Durchgangsstraßen soll der Verkehr zügig fließen. Wenn er sich Wege quer durch Wohngebiete sucht, ist niemandem geholfen“, sagte Hauptgeschäftsführer Christof Sommer. Nach den aktuellen Bestimmungen beträgt die Regelgeschwindigkeit 50 Kilometer pro Stunde; ein Abweichen ist nur ausnahmsweise möglich.
Die Landeshauptstadt Düsseldorf wünscht sich nicht nur bei Tempo-Beschränkungen mehr Handlungsspielraum, sondern auch bei Anwohnerparktarifen. Landesverkehrsminister Krischer mahnte außerdem an, es müsse eine Rechtsgrundlage für die digitale Parkraumbewirtschaftung geschaffen werden. „Hier hinkt Deutschland anderen Ländern um Jahre hinterher. Hier muss endlich auch das 21. Jahrhundert Einzug in die kommunale Praxis halten.“