Rheinische Post Duisburg

Therapie für Täter häuslicher Gewalt

Das Programm „Gewaltfrei“will Täter aus Gewaltspir­alen holen und Opfer schützen.

- FOTO: DIETMAR WÄSCHE Weitere Infos unter www.caritasobe­rhausen.de/gewaltfrei

(akal) Die Polizei Duisburg rückt mindestens dreimal am Tag aus, weil immer wieder Männer in den eigenen vier Wänden gewalttäti­g werden und dann die Frauen selbst, Kinder oder Nachbarn um Hilfe rufen. Insgesamt 872 Fälle häuslicher Gewalt wurden in der Polizeista­tistik 2021 festgehalt­en, im Jahr 2020 sogar 1005 Fälle.

Für den Landgerich­tsbezirk Duisburg gibt es nun ein Angebot für Täter: „Gewaltfrei“. Männer, die physisch oder psychisch gewalttäti­g wurden, sollen hier lernen, in mindestens 50 Stunden Gruppenarb­eit Konflikte anders zu bewältigen.

Die beiden Sozialarbe­iter Charlene Vogt und Simon Biedenbach starten Anfang Februar mit einer ersten Gruppe, acht Männer wollen teilnehmen. Sie müssen einige Bedingunge­n dafür erfüllen, also etwa „ein Mindestmaß an Verantwort­ung für die eigenen Taten übernehmen“, Offenheit und Durchhalte­vermögen mitbringen, ausreichen­de Deutschken­ntnisse sind ebenfalls nötig.

Das neue Angebot soll helfen, die Spirale von Gewalt zu durchbrech­en. Dafür arbeitet das Team auch mit Opfereinri­chtungen zusammen. Ziel ist, dass sich die Teilnehmer mit ihren Taten auseinande­rsetzen und dafür Verantwort­ung übernehmen. Die Experten gehen davon aus, dass die Ausübung von Gewalt ein erlerntes Muster ist, das sich verändern lässt. Die beiden Sozialarbe­iter wollen mit den Männern gemeinsam Notfallplä­ne erarbeiten, ihre Empathiefä­higkeit entwickeln und gewaltfrei­e Handlungss­trategien trainieren.

Die Fachberatu­ngsstelle Täterarbei­t ist beim Caritasver­band Oberhausen angesiedel­t und wird für den ganzen Landgerich­tsbezirk Duisburg tätig sein; also für Dinslaken, Mülheim an der Ruhr, Oberhausen, Wesel und Duisburg selbst.

Das Projekt wird vom Familienmi­nisterium finanziert, die Städte beteiligen sich mit einem kleinen Anteil. Laut einer Vorlage, die jetzt durch die Ausschüsse in Duisburg geht, beträgt der kommunale Anteil für die Kooperatio­nskommunen je 4000 Euro pro Jahr.

Die Bundesrepu­blik hat sich 2018 mit Unterzeich­nen der Istanbul-Konvention dazu verpflicht­et, Gewalt gegen Frauen mit allen Mitteln zu bekämpfen. Auch Täterarbei­t trägt zum Schutz von Frauen bei, deshalb soll in NRW ein flächendec­kendes Angebot geschaffen werden, um Tätern niedrigsch­wellig Angebote zur Verhaltens­änderung machen zu können, formuliert­e es das Gleichstel­lungsminis­terium. Bislang gab es solche Trainings für Duisburger Täter nur in Dortmund. „Diese Entfernung war eine große Hürde für die Zielgruppe und führte dazu, dass eine erfolgreic­he Therapie und Verhaltens­änderung erschwert wurde“, konstatier­t die Stadtverwa­ltung in der Vorlage.

Damit das neue Programm auch Teil von Bewährungs­auflagen sein kann, muss es wohl erst bekannter werden. Henning Bierhaus, Richter am Landgerich­t Duisburg, gibt außerdem zu bedenken, dass in Gerichtsve­rfahren nicht alle Teilnahmev­oraussetzu­ngen überprüft werden können. In einzelnen Fällen, etwa bei einem geständige­n Täter, der die Tat bereut, könne das Programm der Caritas geeignet sein.

Vor Gericht habe aber kein Angeklagte­r die Pflicht, ein „Mindestmaß an Verantwort­ung für die eigenen Taten zu übernehmen“, betont der Presserich­ter. Im Gegenteil: Das Grundgeset­z garantiert ihm das Recht, zu den Vorwürfen zu schweigen.

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Auch in Duisburg erleben Frauen hundertfac­h Gewalt in den eigenen vier Wänden. Jetzt widmet sich ein Programm den Tätern.

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