Rheinische Post Duisburg

Länder kritisiere­n Belastung durch den Bund

Einige Ministerpr­äsidenten zögern, das milliarden­schwere Entlastung­spaket mitzutrage­n. Die FDP kritisiert das scharf.

- VON JANA WOLF

BERLIN Das neue Entlastung­spaket der Bundesregi­erung mit einem Umfang von insgesamt rund 65 Milliarden Euro hat Streit zwischen Bund und Ländern ausgelöst. Im Kern geht es um die Aufteilung der Kosten für die geplanten Maßnahmen. Einige Länder drohten damit, im Bundesrat die Zustimmung zu dem Paket zu verweigern.

Die Landkreise und Kommunen stören sich vor allem an der Debatte um die Nachfolgel­ösung für das Neun-Euro-Ticket: „Das größte Problem ist nämlich, dass angesichts der massiv gestiegene­n Energiekos­ten die Gelder nicht ausreichen, um den bestehende­n Nahverkehr zu finanziere­n“, sagte der Präsident des Deutschen Landkreist­ages (DLT), Reinhard Sager, unserer Redaktion. Aus den Reihen der Ampelkoali­tion wurde die Kritik zurückgewi­esen. FDP-Generalsek­retär Bijan Djir-Sarai warf den Ländern vor, sich bei der Umsetzung der Entlastung­en wegzuducke­n. Anfang des Monats hatte die Ampelkoali­tion das dritte Paket zum Ausgleich der hohen Energie- und Lebenshalt­ungskosten beschlosse­n. Zu den Maßnahmen zählen Einmalzahl­ungen für Rentner und Studenten und ein Preisdecke­l für den Stromgrund­bedarf. Der Nachfolger für das NeunEuro-Ticket soll zwischen 49 und 69 Euro im Monat kosten – vorausgese­tzt, die Länder beteiligen sich an der Finanzieru­ng.

Djir-Sarai mahnte, eine Blockade der Entlastung­smaßnahmen im Bundesrat wäre „unverantwo­rtlich“gegenüber Bürgern und Wirtschaft. „Die Länder tun gut daran, ihren Teil dazu beizutrage­n, dass die Entlastung­en nun auch tatsächlic­h bei den Menschen ankommen können“, sagte der FDPGeneral­sekretär unserer Redaktion. „Es kann nicht sein, dass die Länder immer nur Forderunge­n stellen, sich dann aber wegducken, wenn es um die Umsetzung geht.“Die Schuldenbr­emse müsse ab dem nächsten Jahr „unbedingt wieder eingehalte­n werden“, betonte Djir-Sarai. „Immer höhere Schulden heizen die Inflation an.“

Niedersach­sens Ministerpr­äsident Stephan Weil (SPD) hatte zuvor angesichts absehbarer Belastunge­n für Wirtschaft und Verbrauche­r auf eine schnelle Entscheidu­ng über ein Aussetzen der Schuldenbr­emse gedrungen. Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) forderte eine „finanzpoli­tisch große Lösung“in der Wirtschaft­skrise, in der er Deutschlan­d sieht. „Der Bund sollte sich ehrlich machen: Während den Ländern durch die Schuldenbr­emse die Hände gebunden sind, hantiert der Bundesfina­nzminister in Schattenha­ushalten mit gigantisch­en Milliarden­summen“, sagte Söder der „Augsburger Allgemeine­n“. Zuvor hatte der CSU-Politiker bereits betont, in der jetzigen Form sei das Entlastung­spaket „keinesfall­s zustimmung­sfähig“.

SPD-Generalsek­retär Kevin Kühnert warf Söder vor, „politische Spiele“zu spielen, während die Menschen in Deutschlan­d dringend darauf angewiesen seien, dass die Entlastung­en bei ihnen ankommen. „Der bayerische Ministerpr­äsident nimmt für seine Privatfehd­e mit der Ampel ein ganzes Entlastung­spaket in Geiselhaft. Das ist politische­r Größenwahn auf Kosten von Millionen Menschen in Bayern und dem ganzen Land“, sagte Kühnert unserer Redaktion. „Deutschlan­d hat jetzt keine Zeit für die Launen eines CSU-Mannes, der beim Oktoberfes­t zu tief ins Glas geschaut hat“, kritisiert­e Kühnert, der am Sonntag selbst das Oktoberfes­t besuchte.

Aus Sicht der Landkreise läuft die Debatte über das Nahverkehr­sticket in die falsche Richtung. „Tarife allein können ein unzureiche­ndes Angebot nicht ausgleiche­n“, so DLT-Präsident Sager. Die Erfahrunge­n mit dem Neun-Euro-Ticket zeigten, dass der Angebotsau­sbau wichtiger sei als ein sehr günstiges Ticket. Die Marktpreis­e für Bauleistun­gen, Personal- und Energiekos­ten seien dramatisch gestiegen. Schlimmste­nfalls drohten daher „Einschränk­ungen oder sogar Abbestellu­ngen im Angebot“, so Sager.

Der Deutsche Städte- und Gemeindebu­nd forderte mehr Planungssi­cherheit bei der Nachfolge des Neun-Euro-Tickets. „Die Kommunen sehen hier Bund und Länder in der Verantwort­ung, die Kommunen stärker als bisher beim Ausbau des ÖPNV im ländlichen Raum zu unterstütz­en“, sagte der Hauptgesch­äftsführer des Bundes, Gerd Landsberg, unserer Redaktion.

 ?? FOTO: FDP ?? FDP-Generalsek­retär Bijan DjirSarai.
FOTO: FDP FDP-Generalsek­retär Bijan DjirSarai.

Newspapers in German

Newspapers from Germany