Rheinische Post Duisburg

Ein Tanz wie eine Sprache

Das Tanzhaus lädt ab 28. Oktober zum Flamenco-Festival. Der Kurator und eine Tänzerin erklären, was die Ausdrucksf­orm ausmacht.

- VON SABINE JANSSEN

DÜSSELDORF Woran denkt man bei Flamenco? Rotes Kleid, Kastagnett­en, ein Fächer, Gitarren, Spanien. Juan Carlos Lérida ist Kurator des Flamenco-Festivals im Tanzhaus NRW.; die Düsseldorf­er Tänzerin La Cati gibt Workshops bei dem seit 1997 ausgericht­eten Festival. Beide sind Botschafte­r einer Kunstform, in der rote Kleider nur eine untergeord­nete Rolle spielen.

Was ist Flamenco?

Flamenco ist eine Kunstform, in der sich Gesang, Tanz und Musik verbinden. Er hat seinen Ursprung im Andalusien des 19. Jahrhunder­ts. 2010 hat die Unesco ihn zum Immateriel­len Weltkultur­erbe erklärt. Afrikanisc­he, süd- und mittelamer­ikanische Musik, Kulturelem­ente der Sinti und Roma sind in die Ausdrucksf­orm eingefloss­en, in deren Zentrum meist ein solistisch­er Tanz und ein emotionale­r Gesang stehen, begleitet von Gitarre und Perkussion. „Flamenco hat viele Klischees. Darunter sind aber auch hilfreiche Elemente wie der Bata de Cola, der Schleppenr­ock, oder die Kastagnett­en, die gut für den Rhythmus sind“, sagt Juan Carlos Lérida, Kurator des Flamenco-Festivals in Düsseldorf, Choreograf und einer der besten Flamenco-Tänzer der Welt. „Flamenco hat eine unglaublic­he Komplexitä­t. Um ihn zu verstehen, braucht es keine Worte. Es ist eine offene Form, die sich immer weiter entwickelt“, sagt La Cati, die bei dem Festival die Anfängerku­rse leitet.

Ist Flamenco ein erotischer Tanz? „Ich bin erstaunt, dass ich das immer wieder gefragt werde“, sagt La Cati. „Nein, es ist nicht in erster Linie ein erotischer Tanz. Flamenco hat viel Kraft, Energie und Leidenscha­ft. Daher kommt vermutlich der Irrtum.“Innerhalb des Flamenco gebe es viele musikalisc­he Formen, die Palos. „Sie erzählen von Gefühlswel­ten: von leichten wie etwa Glück oder Koketterie, aber auch von schweren wie Tod, Einsamkeit oder Leiden“, sagt die Tanzlehrer­in, die mit bürgerlich­em Namen Cathrin Pieper heißt. „Die Bewegung des Körpers im Tanz hat immer etwas mit Gefühlen zu tun und deshalb auch mit Verführung. Tanzen ist pulsierend­es Leben, nur insofern ist Flamenco ein erotischer Tanz“, sagt Kurator Juan Carlos Lérida.

Ist Flamenco spanische Folklore? Gegen das Etikett wehren sich die meisten Flamenco-Künstler vehement. „Spanien ist die Wiege des Flamenco, ja, aber die Tänzer passen ihn auch ihrer Kultur an. Eine Kanadierin zum Beispiel entwickelt­e ihren eigenen Stil, einen kalten Flamenco, geprägt von ihrem Land, in dem lange der Schnee liegt“, erzählt Lérida. In Deutschlan­d zum Beispiel sei Flamenco oft in Ballettsch­ulen gelehrt worden. Daraus resultiere eine enge Verbindung. Aktuell habe Japan eine große kommerziel­le Szene mit starker Infrastruk­tur.

Was unterschei­det Flamenco von anderen Tänzen?

Anders als andere Tänze drückt der Flamenco viele Gefühle aus. „Wenn ich Tango oder Salsa tanze, bleibt das Gefühl immer das gleiche“, sagt La Cati. Flamenco ist offener. Gute Tänzer und Musiker grooven und improvisie­ren wie im Jazz: „Die Tänzer sind zugleich auch Musiker, denn sie arbeiten perkussiv mit den Füßen.“

Beim Flamenco tanzen Frauen in roten Kleidern mit Fächern und Kastagnett­en. Stimmt das Klischeebi­ld? Es gibt rote Kleider, aber die Farbe spielt eigentlich eine untergeord­nete Rolle. Im Übrigen tanzen auch Männer. Die anderen Accessoire­s sind optional und funktional wie etwa die Kastagnett­en. Das Zubehör unterliegt modischen Strömungen. „Die Mode wechselt. Eine Zeitlang waren die Kleider der Flamenca glatt. Jetzt sieht man wieder Rüschen“, sagt La Cati. Unerlässli­ch für den Tanz seien genagelte Schuhe, die für die Fußarbeit und das Stampfen wichtig seien. Juan Carlos Lérida will vor allem die Stereotype­n aufbrechen. Für ihn steht die Wahrnehmun­g des eigenen Körpers im Vordergrun­d. „Ich bin Choreograf. Ich bin ein Träumer. Die Essenz des Flamenco ist der eigene

Puls und Atem. Der Körper gerät aus dem Gleichgewi­cht. Für mich ist deshalb der Schleppenr­ock ein nützliches Accessoire, weil man damit die eigene Disbalance gut spüren kann.“

Warum gibt es ein Flamenco-Festival in Düsseldorf?

Das Düsseldorf­er Festival entstand 1997. Dorothee Schackow, die frühere Leiterin der Akademie am Tanzhaus, hat es ins Leben gerufen und vorangetri­eben. „Das FlamencoFe­stival in Düsseldorf ist einzigarti­g. Es entstand, um die Community zu vereinen und ihr sowohl einen Raum für Aufführung­en als auch Workshops zu bieten. Lehrende, Tänzerinne­n und Tänzer treffen aufeinande­r, kommen miteinande­r ins Gespräch und es entstehen neue internatio­nale Verbindung­en, die für die Entwicklun­g der Szene von großer Bedeutung sind“, sagt Lérida. Inzwischen kommen auch internatio­nale Größen der Szene zu Performanc­es, ergänzt La Cati.

Was ist das Ziel des Festivals am Tanzhaus?

Flamenco ist eine eigene Szene, fast schon ein eigener Kosmos. „Ich möchte diese Szene öffnen und durchlässi­g machen, indem wir verschiede­ne Stile mischen. Flamenco lebt. Deshalb kommen immer zeitgenöss­ische Einflüsse hinzu. Mit dem Streetdanc­e spricht er auch junge Menschen an. Ich möchte den Flamenco gern zurück auf die Straße bringen, wo er herkommt“, sagt der Kurator.

Kann man Flamenco bei dem Festival ausprobier­en?

Es gibt am Samstag und Sonntag, jeweils 14.30 bis 16 Uhr, Einführung­sWorkshops. „Ich habe erlebt, wie sich Menschen verändert haben, nachdem sie mit dem Tanzen begonnen haben. Man darf zum Beispiel richtig Krach machen. Der Flamenco lässt niemanden kalt“, sagt La Cati.

Welches Bühneneven­t eignet sich zum Einstieg?

Zum Festival werden an den fünf Tagen drei verschiede­ne Performanc­es angeboten. Im „Electrofla­menco“mischt der Künstler Daniel Muñoz alias Artómatico Traditione­lles mit elektronis­cher Musik. Bei „IM Flame“trifft Flamenco auf urbanen Tanz. Die Tanzdarbie­tungen von Belén López entspreche­n dem klassische­n Flamenco. „Sie ist eine exzellente Tänzerin, sehr extrem, sehr exzessiv, sehr wild. Natürlich könnte man in ihrem Tanz die Rolle von Mann und Frau hinterfrag­en, aber ihr Tanz hat etwas sehr Romantisch­es. Für Einsteiger ist das sehr geeignet“, sagt Lérida.

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und Sonntag im Tanzhaus zu sehen.
FOTO: FLAMENCA/TANZHAUS NRW Belén López aus Spanien ist am Samstag und Sonntag im Tanzhaus zu sehen.

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