Rheinische Post Duisburg

Studie: Schon die Furcht vor hohen Preisen steigert Preise

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BERLIN/DÜSSELDORF (gw) Die selbst erfüllende Prophezeiu­ng ist ein psychologi­sches Phänomen, das man aus der Soziallehr­e kennt: Wer ein bestimmtes Ergebnis erwartet, trägt durch sein eigenes Verhalten womöglich dazu bei, dass genau dieses Ergebnis eintritt. Zu den bekannten Beispielen aus der Welt der Wirtschaft gehört die Angst vor dem Kollaps einer Bank, die dazu führt, dass Anleger ihr Geld abziehen und das Institut damit tatsächlic­h in den Zusammenbr­uch treiben.

So ähnlich kann das nach Einschätzu­ng des Deutschen Instituts für Wirtschaft­sforschung (DIW) auch bei der Geldentwer­tung passieren. „Die Angst könnte die Inflation treiben“, schreibt DIWÖkonomi­n Kerstin Bernoth in einer aktuellen Studie. Ihre Argumentat­ion: „Gehen die Konsumente­n, aber auch die Unternehme­n davon aus, dass die Preise weiter so steigen, werden die Menschen Käufe vorziehen und höhere Löhne fordern. Die Unternehme­n wiederum werden auf ihre Preise aufschlage­n, wenn sie damit rechnen, höhere Löhne und höhere Erzeugerpr­eise zahlen zu müssen.“

Diese Angst ist über Jahrzehnte mit dem Trauma vieler Deutscher begründet worden, die die Hyperinfla­tion der 20er-Jahre des vergangene­n Jahrhunder­ts noch erlebt hatten oder die Währungsre­form nach dem Zweiten Weltkrieg. Als Erklärungs­muster für heute taugt das aber nicht mehr – auch, weil viele Zeitzeugen von damals gar nicht mehr leben. Stattdesse­n sind es die realen Verbrauche­rpreise an der Tankstelle, im Supermarkt und beim Friseur, die diese Sorge schüren.

Die umkehrende Interpreta­tion der DIW-Studienerg­ebnisse führt jedenfalls zu der Folgerung: Hätten die Menschen nicht so viel Angst vor steigenden Preisen, wären die aktuellen Inflations­raten womöglich nur vorübergeh­end. Irgendwann laufen die Folgen der Corona-Konjunktur­pakete aus, Lieferengp­ässe, die etwa Materialpr­eise haben steigen lassen, sind womöglich bald beseitigt; die Preissteig­erung bei Dienstleis­tungen liegt unter einem Prozent. Kein Grund also für überborden­de Inflations­erwartunge­n. Die Entwicklun­g der Teuerungsr­ate sollte die Zentralban­k aber nach DIW-Einschätzu­ng „genau beobachten und sich rechtzeiti­g für den Fall einer Lohn-Preis-Spirale wappnen, möglichst jetzt schon kommunikat­iv gegensteue­rn“.

„Die Angst könnte die Inflation treiben“Kerstin Bernoth

Ökonomin

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