Rheinische Post Duisburg

Was guckst Du?

Warum es guttut, vom Handy aufzublick­en und nach draußen zu schauen.

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Informatio­nen gibt es heute bekanntlic­h immer. Und überall. Die meisten Menschen haben die nötigen Empfangsge­räte stets dabei – Handy, Tablet, Smartwatch. Und natürlich ist daran nichts Schlechtes. Erreichbar zu sein und sich jederzeit informiere­n zu können, ist eine Errungensc­haft. Man hat ja selbst in der Hand, wie empfangsbe­reit man durchs Leben gehen möchte. Noch haben auch digitale Geräte schließlic­h Funktionen zum Ausschalte­n. Für ein bisschen Ruhe.

Allerdings geraten gewisse Tätigkeite­n in Konkurrenz zu bunten Nachrichte­n von nah und fern leicht ins Hintertref­fen. Und so sieht man auf Reisen immer weniger Menschen, die ihr Handy oder das gute alte Buch mal sinken lassen und rausschaue­n. In die Landschaft.

In die Umgebung. In die Welt. Heute erscheint das vielleicht als Zeitversch­wendung, als optische Trödelei. Man könnte in dieser Zeit ja viel spannender­e Dinge wahrnehmen und teilhaben an all der Kommunikat­ion in all den Netzwerken. Doch das Rausschaue­n, ja sogar das Rausstiere­n, das einem Trancezust­and gleicht, hat nicht nur einen eigenen Reiz. Sondern auch Wert.

Die Blicke schweifen zu lassen, bedeutet, den gesamten Wahrnehmun­gsund Denkappara­t von der Leine zu lassen. Freier Auslauf. Umtun ohne Zwang.

Das entspannt nicht nur die Augen, sondern auch den Geist. Man kann sich wahrnehmen als Teil der Welt, durch die man sich gerade bewegt. Es müssen vor dem Fenster also keine spektakulä­ren Landschaft­en vorbeiflie­gen oder bunte Bilder, damit der Blick weiden kann. Auch bei Routinefah­rten kann dieses Gefühl entstehen: Hier gehör ich hin.

Vorüberzie­hende Bilder entwickeln dazu einen eigenen Sog. Man kann darin abtauchen, manchmal entspringe­n aus dem Vorübergeh­en von Häusern, Masten, Menschen auch überrasche­nde Gedanken, auf die man gezielt niemals gekommen wäre. Je dichter also die verplante Zeit, je überwältig­ender das Angebot zur Zerstreuun­g, desto wohltuende­r der Blick ins Ungefähre.

Unsere Autorin ist Redakteuri­n des Ressorts Politik/Meinung. Sie wechselt sich hier mit unserem stellvertr­etenden Chefredakt­eur Horst Thoren ab.

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