Kaum Impfanstieg durch Bezahl-Tests
Seit Anfang vergangener Woche sind Corona-Tests für viele Bürger kostenpflichtig. Einen deutlichen Anstieg der Impfungen verzeichnen das nordrhein-westfälische Gesundheitsministerium und die Hausärzte bislang nicht.
DÜSSELDORF Der große CoronaImpfeffekt unmittelbar nach dem Auslaufen der kostenfreien Bürgertests ist offenbar ausgeblieben. In NRW verzeichnete das Landesgesundheitsministerium von Karl-Josef Laumann (CDU) zu Wochenbeginn zwar eine Verdopplung gegenüber der Vorwoche auf 14.485 Erstimpfungen. Allerdings nahm die Impfbereitschaft im Laufe der Woche wieder ab. Am Ende blieb nach dem Start der BezahlTests die durchschnittliche, tägliche Impfbereitschaft bei 10.637 – ein geringes Plus von gut zwei Prozent gegenüber der Vorwoche.
Ein Grund könnte sein, dass der Effekt schon im Sommer stattgefunden hat, als erstmals das Vorhaben der Bundesregierung öffentlich gemacht wurde. So sagte eine Sprecherin des NRW-Gesundheitsministeriums: „Es lässt sich ein deutlicherer Anstieg der Erstimpfungen im wochenweisen Vergleich lediglich nach der Medienberichterstattung im August
erkennen.“Im Zeitraum von 9. bis zum 29. August hatten sich am Tag durchschnittlich zwischen 30.000 und 50.000 Menschen ihre Dosis abgeholt. Seitdem hat die Impfbereitschaft Woche für Woche nachgelassen.
Der Chef des Hausärzteverbands Nordrhein, Oliver Funken, sagte unserer Redaktion: „Die Einführung der kostenpflichtigen Tests hat in den Praxen bisher die Nachfrage nach der Erstimpfung nicht erhöht. In den kommenden Wochen wird sich zeigen, wie sich die Umsetzung der 3G-Regeln auf das Impfverhalten auswirkt.“Freizeiteinrichtungen, Geschäfte, Tourismus und Gastronomie sind nach Auffassung des Hausärzte-Chefs gut vorbereitet. „Welche Vorgaben Arbeitgeber ihren Mitarbeitern jetzt machen, ist interessant. Das könnte die Impfnachfrage noch mal steigern.“
Funken erklärte, das Gros der Impfwilligen habe man zuvor erreicht. „Wir Hausärzte mit unseren Praxisteams haben in den letzten fünf Monaten mit großer Anstrengung
alles dafür getan, dass im Herbst möglichst viele Patienten eine vollständige Corona-Schutzimpfung haben. Die Praxen werden jetzt keine zeitintensiven Überzeugungsgespräche mehr mit Impfzauderern führen.“Der Schwerpunkt liege in der Versorgung der Patienten, die nach einer Drittimpfung fragten. „Diese Impfung koppeln wir auch mit der Grippeschutzimpfung“,
so Funken. Der gesundheitspolitische Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion, Mehrdad Mostofizadeh, kritisierte, das Ende der kostenlosen Tests sei zu früh gekommen: „Wenn sich weniger Menschen testen lassen, wissen wir auch weniger über die Ausbreitung des Coronavirus und mehr Infektionen bleiben unerkannt. Wir halten den Wegfall der kostenlosen Tests deshalb für falsch.“Mostofizadeh verlangte vielmehr eine Ausweitung des Testens: „Dazu gehören regelmäßige Tests am Arbeitsplatz, in den Schulen und Universitäten. In sensiblen Bereichen, wie in Krankenhäusern, Pflegeheimen und Einrichtungen, in denen gesundheitlich gefährdete Menschen leben, sollten regelmäßige Tests des Personals selbstverständlich sein, auch bei geimpften und genesenen Beschäftigten.“
Die Zahl der Testungen ist massiv eingebrochen. So ließen sich in Summe in der vergangenen Woche rund 825.000 Menschen in NRW auf das Coronavirus testen, 195.000 von ihnen mussten die Kosten dafür selbst übernehmen, für die anderen sorgten Ausnahmetatbestände wie etwa eine Schwangerschaft oder der fehlende Impfstoff für Kinder dafür, dass die Kosten auch weiterhin übernommen werden. Unterm Strich ließen sich aber 42,5 Prozent weniger als noch in der Vorwoche auf das Coronavirus testen. Auch die Zahl der Testzentren geht deutlich zurück. Gab es Anfang Juli in NRW noch 9390 Teststellen, sank deren Zahl auf nunmehr 7350.
„Nach der Einführung der Kostenpflicht sind die Testzentren sichtbar leerer geworden“, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Josef Neumann. „Die Kosten zwischen 15 und 25 Euro zeigen leider ihre Wirkung.“Es seien vor allem Schüler, die in den Herbstferien die für sie weiterhin kostenlosen Tests nutzten. „Allen, die noch nicht geimpft sind, kann ich nur empfehlen: Lassen Sie sich impfen. Impfen ist kostenlos und schützt Leben“, sagte Neumann.
Leitartikel