Neuanfang für „Sanierungsfall“
Die Junge Union macht beim dreitägigen Deutschlandtag ihrer Mutterpartei CDU Dampf. Die Wahlanalyse fällt hart aus. Friedrich Merz setzt erste Ausrufezeichen.
MÜNSTER Wird er vielleicht der neue Parteivorsitzende? Er, der 65-Jährige, der zweimal in den letzten drei Jahren gescheitert ist, der nun voraussichtlich zum dritten Mal den Sprung an die Spitze wagen will – Friedrich Merz. Als der Ex-Fraktionsvorsitzende am Freitagabend in die Messehalle in Münster einzieht, ist der Applaus der 317 Delegierten beim Deutschlandtag groß. Der Sauerländer hat dann auch mal die Krawatte weggelassen. So macht man das beim Nachwuchs.
„Eigentlich wollten wir hier den Wahlsieg feiern“, hat Tilman Kuban, JU-Chef, vorher vom Podium gerufen. „Doch heute ist alles anders.“Die Bundestagswahl ist krachend verloren gegangen. Das Wort „Neuanfang“dominiert dann auch den Kongress. „Neuanfang. Unser Plan für die moderne Volkspartei“, liest man als Bühnenslogan. Selbst dem Hallen-W-Lan haben die jungen Unionisten diesen Namen gegeben.
Steht Merz für den Neuanfang? Er, der immer wiederkehrende Held der Konservativen, der bei der JU tatsächlich auf eine große Fanbasis trifft, beginnt das Schaulaufen potentieller Kandidaten für den Parteivorsitz während des dreitägigen Kongresses. Er fordert dazu auf, nicht Personalentscheidungen in den Vordergrund zu stellen: Die nächsten Jahre müssten geprägt sein durch inhaltliche Festlegungen, „durch eigene Meinungen“. Ganz der JU-Sound. Merz appelliert, in den sozialen Medien nicht nur dem Zeitgeist hinterherzulaufen, sondern ihn zu prägen: „Wir müssen aus auf den Weg begeben, die Agenda 2025 zu schreiben.“
Es ist ein ruinöses Bild, dass auf dem Kongress von der CDU gezeichnet wird. Die Lage sei „beschissen“, so Kuban. NRW-Landesvorsitzender Johannes Winkel: „Wir müssen uns jetzt einfach mal ehrlich machen.“Wer im Wahlkampf auftrete wie Armin Laschet, könne nicht den Anspruch auf die Kanzlerschaft erheben. Und Markus Söder solle „zur Beichte gehen“, ätzt Winkel. Merz spielt ebenfalls auf der Klartext-Klaviatur: „Wir haben eine historische Wahlniederlage hinnehmen müssen. Die Union ist mit diesem Wahlergebnis, ein insolvenzgefährdeter, schwerer, politischer Sanierungsfall geworden.“
Dazu passt, dass der JU-Vorstand zuvor eine Wahlanalyse heiß diskutiert hat. Es ist ein schonungsloses Papier daraus entstanden. Alles ist demnach schiefgelaufen im Wahlkampf, angefangen beim Kandidaten
über den Kurs bis hin zur Kampagne. Indirekt wird auch das Verhalten von CSU-Chef Markus Söder beklagt. Söder hat sicherheitshalber seinen Auftritt abgesagt.
Armin Laschet, wird an diesem Samstag sprechen. Vorsichthalber hat man dem Nachwuchs aus der Konrad-Adenauer-Haus signalisiert, doch bitteschön freundlich zu dem gescheiterten Kanzlerkandidaten zu sein. Gesundheitsminister Jens Spahn und Fraktionschef Ralph Brinkhaus werden ebenfalls auftreten. Neu hinzu gekommen in den Kreis potentieller Parteichefs ist der Vorsitzende der Wirtschaftsvereinigung, Carsten Linnemann. Auch er stellt sich am Samstag. Bleibt die unbequeme Frage, warum beim Nachwuchs keine CDU-Frau aufs Podium kommen wird. Kuban wiederholt das, was er tags zuvor schon unserer Redaktion zur möglichen Kandidatur einer Frau gesagt hat: „Ich persönlich würde das sehr gut finden.“Andere auch?