ÖPNV: Keine Chance auf Abstand im Bus
Laut Robert-Koch-Institut spielt der ÖPNV bei den Corona-Infektionsorten nur eine unbedeutende Rolle. Fahrgäste nehmen die Situation dennoch oft als bedrohlich wahr. Die Niag verweist auf die Maskenpflicht.
MOERS (Schul-)Busfahren war noch nie ein Vergnügen. In Zeiten von Corona gilt das erst recht, denn trotz Pandemie ist Sicherheitsabstand im Fahrgastraum ganz häufig nicht möglich – und tatsächlich auch gar nicht vorgesehen.
Das Robert-Koch-Institut hat in einer Studie bei mehr als 50.000 nachgewiesenen Coronafällen untersucht, an welchen Orten sich die Menschen infiziert haben. Heraus kam, dass es die weitaus meisten Ausbrüche im privaten Haushalt und in Alten- und Pflegeheimen gibt, während Verkehrsmittel bei den verfolgbaren Infektionsketten eine eher untergeordnete Rolle spielen. Dennoch, sagt eine RP-Leserin im Gespräch mit unserer Redaktion, bleibe als Fahrgast ein „sehr ungutes Gefühl“.
Die Neukirchen-Vluynerin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, ist auf öffentlichen Verkehrsmittel angewiesen. Täglich fährt sie mit einem Bus der Niag zur Arbeit nach Moers und wieder zurück. „In der Regel sind alle Sitze besetzt“, sagt sie. „Und wenn dann noch Fahrgäste mit Rollatoren einsteigen, wird es richtig eng. Ich frage mich schon, warum es nicht möglich ist, jeden zweiten Sitz zu sperren und dafür mehr Fahrzeuge einzusetzen. Auch Spender mit Handdesinfektionsmitteln
wären schön. Das Verkehrsunternehmen könne hier doch mit gutem Beispiel vorangehen.“Niag-Sprecher Michael Blog verweist derweil auf die eigene Dienstleisterfunktion und die Option des zeitlich gestaffelten Unterrichts.
„Seit dem ersten Unterrichtstag des neuen Schuljahrs am 12. August gilt im gesamten Buslinien-Netz von Niag und Look der reguläre, vollständige Normal- beziehungsweise Schultagsfahrplan“, sagt Block. „Und seit dem Schulbeginn fahren wir auch wieder sogenannte Verstärkerfahrten, um zum Beispiel ein größeres Fahrgastaufkommen vor Schulbeginn und nach Schulschluss abzufedern.“Dort kämen die als „E-Wagen“gekennzeichnete Busse zum Einsatz, erklärt der Sprecher. Ein Kapazitätsproblem gebe es deshalb also nur bedingt.
„Vor der Corona-Krise haben wir im gesamten Verkehrsgebiet werktäglich allein rund 30.000 Schülerinnen und Schüler an circa 100 Schulstandorte befördert, in aller Regel integriert in den Linienverkehr“, so Block. Der Fahrplan sei darauf abgestimmt und entspreche den Vorgaben der Aufgabenträger, also der Kreise Wesel und Kleve und einzelner Städte für die Linien, die ausschließlich in ihrer Stadt verkehren. „Der Präsident des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen, VDV, sieht zum Beispiel bei einem gestaffelten Unterrichtsbeginn positive Effekte: Das Platzangebot in den Fahrzeugen würde ,sofort um mindestens 20 Prozent steigen’, betonte VDV-Präsident Ingo Wortmann kürzlich gegenüber mehreren Medien. Dieser Ansatz ist durchaus bedenkenswert. Eine solche Maßnahme müssten die Schulträger und Aufgabenträger einleiten.“Als beauftragtes Busunternehmen würde die Niag solche neuen Vorgaben zügig umsetzen.
Fakt ist: In Bussen sieht der Gesetzgeber keine Abstandsregeln vor. „Und wir halten uns selbstverständlich an sämtliche Vorgaben“, sagt Block. „Wo der Mindestabstand nicht eingehalten werden kann, gilt ja die Maskenpflicht. Zusammen mit den Ordnungsbehörden überprüfen wir das bei Schwerpunktkontrollen und unsere Fahrerinnen und
„Nirgendwo ist es wichtiger eine Maske zu tragen als im ÖPNV. Ein medizinischer Mundschutz schützt am besten. Auf einlagige, ungefütterte Stoffmasken sollte man besser verzichten“
Thomas Voshaar
Lungenfacharzt, Corona-Experte
Fahrer achten natürlich besonders darauf.“Für die Niag ständen Sicherheit und Gesundheit der Fahrgäste und der Fahrerinnen und Fahrer an oberster Stelle.
„Wir setzen dabei auf verschiedene vorbeugende Maßnahmen und informieren unsere Fahrgäste auf mehreren Kanälen darüber, dass sie einen Mundschutz tragen müssen“, betont Block. „Auf den Monitoren und auch mit Durchsagen in den Bussen weisen wir auf diese Pflicht nachdrücklich hin, genauso auf unserer Homepage und unserem Twitterkanal. Unsere Busse werden nach einem auf die Lage angepassten Hygienekonzept noch häufiger als früher gereinigt und regelmäßig gelüftet. Nach Aussagen des Robert-Koch-Instituts, das die Bundesregierung unterstützt, soll die Wahrscheinlichkeit einer Corona-Ansteckung in Bus und Bahn aber auch weniger groß sein.“
Thomas Voshaar, Chefarzt der
Lungenklinik am Bethanien-Krankenhaus und Mitglied des Corona-Beraterstabs von Gesundheitsminister Jens Spahn, warnt dennoch davor, die Gefahr zu unterschätzen. „Viele Menschen auf engem Raum ohne anständige Lüftung: Das ist das klassische Infektionsszenario“, sagt der Mediziner. „Deshalb ist es auch nirgendwo wichtiger eine Maske zu tragen als im ÖPNV.“
Bei der Wahl des richtigen Mund-Nasenschutzes empfiehlt Voshaar, auf einlagige Stoffmasken oder Tücher zu verzichten. „Auch was die Sicherheit der verschiedenen Maskenarten betrifft, wissen wir inzwischen mehr als zu Beginn der Pandemie“, sagt er. „Untersuchungen haben ergeben, dass die medizinischen Masken Träger und Gegenüber – nach FFP2-Masken – weitaus am besten schützen. Der Schutz bei einfachen Stoffmasken liegt weit darunter, es sei denn, die sind doppellagig und mit Vlies gefüttert.“