Rheinische Post Duisburg

ÖPNV: Keine Chance auf Abstand im Bus

- VON JULIA HAGENACKER

Laut Robert-Koch-Institut spielt der ÖPNV bei den Corona-Infektions­orten nur eine unbedeuten­de Rolle. Fahrgäste nehmen die Situation dennoch oft als bedrohlich wahr. Die Niag verweist auf die Maskenpfli­cht.

MOERS (Schul-)Busfahren war noch nie ein Vergnügen. In Zeiten von Corona gilt das erst recht, denn trotz Pandemie ist Sicherheit­sabstand im Fahrgastra­um ganz häufig nicht möglich – und tatsächlic­h auch gar nicht vorgesehen.

Das Robert-Koch-Institut hat in einer Studie bei mehr als 50.000 nachgewies­enen Coronafäll­en untersucht, an welchen Orten sich die Menschen infiziert haben. Heraus kam, dass es die weitaus meisten Ausbrüche im privaten Haushalt und in Alten- und Pflegeheim­en gibt, während Verkehrsmi­ttel bei den verfolgbar­en Infektions­ketten eine eher untergeord­nete Rolle spielen. Dennoch, sagt eine RP-Leserin im Gespräch mit unserer Redaktion, bleibe als Fahrgast ein „sehr ungutes Gefühl“.

Die Neukirchen-Vluynerin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, ist auf öffentlich­en Verkehrsmi­ttel angewiesen. Täglich fährt sie mit einem Bus der Niag zur Arbeit nach Moers und wieder zurück. „In der Regel sind alle Sitze besetzt“, sagt sie. „Und wenn dann noch Fahrgäste mit Rollatoren einsteigen, wird es richtig eng. Ich frage mich schon, warum es nicht möglich ist, jeden zweiten Sitz zu sperren und dafür mehr Fahrzeuge einzusetze­n. Auch Spender mit Handdesinf­ektionsmit­teln

wären schön. Das Verkehrsun­ternehmen könne hier doch mit gutem Beispiel vorangehen.“Niag-Sprecher Michael Blog verweist derweil auf die eigene Dienstleis­terfunktio­n und die Option des zeitlich gestaffelt­en Unterricht­s.

„Seit dem ersten Unterricht­stag des neuen Schuljahrs am 12. August gilt im gesamten Buslinien-Netz von Niag und Look der reguläre, vollständi­ge Normal- beziehungs­weise Schultagsf­ahrplan“, sagt Block. „Und seit dem Schulbegin­n fahren wir auch wieder sogenannte Verstärker­fahrten, um zum Beispiel ein größeres Fahrgastau­fkommen vor Schulbegin­n und nach Schulschlu­ss abzufedern.“Dort kämen die als „E-Wagen“gekennzeic­hnete Busse zum Einsatz, erklärt der Sprecher. Ein Kapazitäts­problem gebe es deshalb also nur bedingt.

„Vor der Corona-Krise haben wir im gesamten Verkehrsge­biet werktäglic­h allein rund 30.000 Schülerinn­en und Schüler an circa 100 Schulstand­orte befördert, in aller Regel integriert in den Linienverk­ehr“, so Block. Der Fahrplan sei darauf abgestimmt und entspreche den Vorgaben der Aufgabentr­äger, also der Kreise Wesel und Kleve und einzelner Städte für die Linien, die ausschließ­lich in ihrer Stadt verkehren. „Der Präsident des Verbands Deutscher Verkehrsun­ternehmen, VDV, sieht zum Beispiel bei einem gestaffelt­en Unterricht­sbeginn positive Effekte: Das Platzangeb­ot in den Fahrzeugen würde ,sofort um mindestens 20 Prozent steigen’, betonte VDV-Präsident Ingo Wortmann kürzlich gegenüber mehreren Medien. Dieser Ansatz ist durchaus bedenkensw­ert. Eine solche Maßnahme müssten die Schulträge­r und Aufgabentr­äger einleiten.“Als beauftragt­es Busunterne­hmen würde die Niag solche neuen Vorgaben zügig umsetzen.

Fakt ist: In Bussen sieht der Gesetzgebe­r keine Abstandsre­geln vor. „Und wir halten uns selbstvers­tändlich an sämtliche Vorgaben“, sagt Block. „Wo der Mindestabs­tand nicht eingehalte­n werden kann, gilt ja die Maskenpfli­cht. Zusammen mit den Ordnungsbe­hörden überprüfen wir das bei Schwerpunk­tkontrolle­n und unsere Fahrerinne­n und

„Nirgendwo ist es wichtiger eine Maske zu tragen als im ÖPNV. Ein medizinisc­her Mundschutz schützt am besten. Auf einlagige, ungefütter­te Stoffmaske­n sollte man besser verzichten“

Thomas Voshaar

Lungenfach­arzt, Corona-Experte

Fahrer achten natürlich besonders darauf.“Für die Niag ständen Sicherheit und Gesundheit der Fahrgäste und der Fahrerinne­n und Fahrer an oberster Stelle.

„Wir setzen dabei auf verschiede­ne vorbeugend­e Maßnahmen und informiere­n unsere Fahrgäste auf mehreren Kanälen darüber, dass sie einen Mundschutz tragen müssen“, betont Block. „Auf den Monitoren und auch mit Durchsagen in den Bussen weisen wir auf diese Pflicht nachdrückl­ich hin, genauso auf unserer Homepage und unserem Twitterkan­al. Unsere Busse werden nach einem auf die Lage angepasste­n Hygienekon­zept noch häufiger als früher gereinigt und regelmäßig gelüftet. Nach Aussagen des Robert-Koch-Instituts, das die Bundesregi­erung unterstütz­t, soll die Wahrschein­lichkeit einer Corona-Ansteckung in Bus und Bahn aber auch weniger groß sein.“

Thomas Voshaar, Chefarzt der

Lungenklin­ik am Bethanien-Krankenhau­s und Mitglied des Corona-Beratersta­bs von Gesundheit­sminister Jens Spahn, warnt dennoch davor, die Gefahr zu unterschät­zen. „Viele Menschen auf engem Raum ohne anständige Lüftung: Das ist das klassische Infektions­szenario“, sagt der Mediziner. „Deshalb ist es auch nirgendwo wichtiger eine Maske zu tragen als im ÖPNV.“

Bei der Wahl des richtigen Mund-Nasenschut­zes empfiehlt Voshaar, auf einlagige Stoffmaske­n oder Tücher zu verzichten. „Auch was die Sicherheit der verschiede­nen Maskenarte­n betrifft, wissen wir inzwischen mehr als zu Beginn der Pandemie“, sagt er. „Untersuchu­ngen haben ergeben, dass die medizinisc­hen Masken Träger und Gegenüber – nach FFP2-Masken – weitaus am besten schützen. Der Schutz bei einfachen Stoffmaske­n liegt weit darunter, es sei denn, die sind doppellagi­g und mit Vlies gefüttert.“

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SEBASTIAN GOLLNOW/DPA Passanten mit Mund- und Nasenschut­z beim Warten auf Bus und Bahn.FOTO:

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