Graffiti-Künstler huldigen Beethoven
Marten Dalimot und Mark Roberz porträtieren den Klassiker in den Beethovenstraßen auf unterschiedliche Weise.
WESTEN Musik ist Interpretation. So klingt eine Klaviersonate von Beethoven ganz anders, je nachdem, wer an den Tasten sitzt. Für die Kunst gilt das umso mehr. Marten Dalimot und Mark Roberz haben sich für ihre Ode an Ludwig beide am gleichen Porträt des Meisters orientiert. Es zeigt Beethoven mit wallender grauen Mähne, ein rotes Tuch locker um den weißen Kragen geschlungen. Ernst, ja finster blickt er, die Noten der Missa Solemnis in den Händen.
Auf dem einst schäbigen Pumpenhäuschen in Rumeln strahlt der Meister nun um einige Jahre verjüngt in makellosem Fotorealismus. Auf der Rheinhauser Kioskwand scheinen Andy Warhol und Franz Marc für Inspiration gesorgt haben, denn Popart, Expressionismus und Kubismus gehen hier eine fruchtbare Allianz ein. Welche Arbeit besser ist, bleibt Geschmackssache.
Mark Roberz und Marten Dalimot sind beide renommierte Graffiti-Künstler, die schon seit Jahren bunte Akzente im öffentlichen Raum setzen, zum Schmunzeln und Staunen einladen und damit ein Stück Lebensfreude in den trostlosen Corona-Alltag bringen. Inzwischen ist kein Trafo-, kein Pumpenhäuschen oder Stromkasten mehr vor ihren
Spraydosen sicher – und das ganz legal und gegen Bezahlung. „Neue Ideen braucht die Wand“, lautet die Devise von Roberz, der besser unter dem Namen Mr. Graffiti bekannt ist.
Eigentlich wollte man den 250. Geburtstag Beethovens, dessen Namen in der Stadt zwei Straßen tragen, im Mai mit einem großen Fest feiern. Dann kam der Lockdown. Vielleicht lässt sich, wie in vielen anderen Städten, das Jubiläum nachholen, hoffen die Organisatoren.
Die beiden Graffiti-Aufträge waren zwar aus der Not geboren, irgendetwas im Jubiläumsjahr zu tun, aber die Resultate sind so überzeugend, dass sie keinesfalls wie ein
Ersatz wirken. „Sie sind dauerhaft“, freut sich Bezirksbürgermeisterin Astrid Hanske. Die Arbeit in Rumeln hat Roberz schon vor einiger Zeit fertig gestellt und sie ist inzwischen ein beliebtes Fotomotiv.
Dalimot erzählt von den markanten Augen Beethovens. Sie waren das erste, was er nach einer Grundreinigung
und einer Grundierung auf das Mauerwerk malte. Er hatte den Kopf längst noch nicht fertig. Da kamen die Schüler und erkannten den klassischen Komponisten. Einer sagte, „das ist doch Mozart van Beethoven“, erinnert sich der 39-jährige Sprayer, der Kommunikationsdesign studierte und sich schon 2007 selbstständig gemacht hat. Eine Passantin sprach ihn auf den finsteren Blick an und seine expressionistische Farbwahl an. In einer Ecke hat er Hinweise auf Werke gegeben: zwei seiner bekanntesten Sinfonien, eine Klaviersonate und einen Ohrwurm. Er möchte, genauso wie auch Roberz, nicht so tun, als wäre er ein Kenner, hören sie doch beide eher Hip-Hop. „Aber seine Melodien kennt man, ohne den Titel nennen zu können. Er hat moderne Musik inspiriert“, erzählt er. Um die Ecke hat er ein Cello gemalt und nimmt auch bei der Darstellung des Bonner Geburtshauses die Cello-Form wieder auf.
„Typisch Dalimot“, kommentiert Bezirksmanager Jürgen Konkol und zeigt auf die geometrischen Formen. Der Künstler nickt. „Damit möchte ich für Dynamik sorgen, damit das Bild nicht statisch wirkt.“Während Dalimot schon fünf Arbeiten in Rheinhausen angefertigt hat, ist Roberz noch eine Entdeckung. In der Branche ist er längst bekannt unter dem Künstlernamen Mr. Graffiti und kann seit Jahren von seiner Kunst leben. „Akquise habe ich nie betreiben müssen. Am Anfang habe ich Wände für Freunde gestaltet, das hat sich rumgesprochen“, erzählt er. Da hat er noch in der Versicherungsbranche gearbeitet. Der Vater wollte, dass er etwas Sicheres macht, aber auch Freunde hatten ihm davon abgeraten, es als freier Künstler zu versuchen.
Viel, gern und gut gezeichnet hat er schon immer und in der Heinrich-Heine-Gesamtschule in Kunst meist die beste Note auf dem Zeugnis gehabt. Eine Kunstakademie hat er nie besucht. Er spielte mit dem Gedanken an ein Studium, bewarb sich in Krefeld, erhielt aber eine Absage und entschied sich dann, sich selbst das nötige Wissen anzueignen. „Gerade in der Szene kann man von anderen oder auf Youtube viele Tipps bekommen“, erzählt er.
Der Zufall will es, dass er mit seiner jungen Familie demnächst in die Straße zieht, die den Namen eines weiteren Komponisten der Wiener Klassik trägt. Ehrensache für ihn, dass er sich auch für Mozart eine Wandgestaltung einfallen lässt. Ein kleiner, noch unscheinbarer Kasten steht auch in der Nähe der Baugrube. Für Roberz ist das Werbung, aber auch ein Willkommensgeschenk für die Nachbarn.