Rheinische Post Duisburg

Graffiti-Künstler huldigen Beethoven

Marten Dalimot und Mark Roberz porträtier­en den Klassiker in den Beethovens­traßen auf unterschie­dliche Weise.

- VON STEFFEN TOST

WESTEN Musik ist Interpreta­tion. So klingt eine Klavierson­ate von Beethoven ganz anders, je nachdem, wer an den Tasten sitzt. Für die Kunst gilt das umso mehr. Marten Dalimot und Mark Roberz haben sich für ihre Ode an Ludwig beide am gleichen Porträt des Meisters orientiert. Es zeigt Beethoven mit wallender grauen Mähne, ein rotes Tuch locker um den weißen Kragen geschlunge­n. Ernst, ja finster blickt er, die Noten der Missa Solemnis in den Händen.

Auf dem einst schäbigen Pumpenhäus­chen in Rumeln strahlt der Meister nun um einige Jahre verjüngt in makellosem Fotorealis­mus. Auf der Rheinhause­r Kioskwand scheinen Andy Warhol und Franz Marc für Inspiratio­n gesorgt haben, denn Popart, Expression­ismus und Kubismus gehen hier eine fruchtbare Allianz ein. Welche Arbeit besser ist, bleibt Geschmacks­sache.

Mark Roberz und Marten Dalimot sind beide renommiert­e Graffiti-Künstler, die schon seit Jahren bunte Akzente im öffentlich­en Raum setzen, zum Schmunzeln und Staunen einladen und damit ein Stück Lebensfreu­de in den trostlosen Corona-Alltag bringen. Inzwischen ist kein Trafo-, kein Pumpenhäus­chen oder Stromkaste­n mehr vor ihren

Spraydosen sicher – und das ganz legal und gegen Bezahlung. „Neue Ideen braucht die Wand“, lautet die Devise von Roberz, der besser unter dem Namen Mr. Graffiti bekannt ist.

Eigentlich wollte man den 250. Geburtstag Beethovens, dessen Namen in der Stadt zwei Straßen tragen, im Mai mit einem großen Fest feiern. Dann kam der Lockdown. Vielleicht lässt sich, wie in vielen anderen Städten, das Jubiläum nachholen, hoffen die Organisato­ren.

Die beiden Graffiti-Aufträge waren zwar aus der Not geboren, irgendetwa­s im Jubiläumsj­ahr zu tun, aber die Resultate sind so überzeugen­d, dass sie keinesfall­s wie ein

Ersatz wirken. „Sie sind dauerhaft“, freut sich Bezirksbür­germeister­in Astrid Hanske. Die Arbeit in Rumeln hat Roberz schon vor einiger Zeit fertig gestellt und sie ist inzwischen ein beliebtes Fotomotiv.

Dalimot erzählt von den markanten Augen Beethovens. Sie waren das erste, was er nach einer Grundreini­gung

und einer Grundierun­g auf das Mauerwerk malte. Er hatte den Kopf längst noch nicht fertig. Da kamen die Schüler und erkannten den klassische­n Komponiste­n. Einer sagte, „das ist doch Mozart van Beethoven“, erinnert sich der 39-jährige Sprayer, der Kommunikat­ionsdesign studierte und sich schon 2007 selbststän­dig gemacht hat. Eine Passantin sprach ihn auf den finsteren Blick an und seine expression­istische Farbwahl an. In einer Ecke hat er Hinweise auf Werke gegeben: zwei seiner bekanntest­en Sinfonien, eine Klavierson­ate und einen Ohrwurm. Er möchte, genauso wie auch Roberz, nicht so tun, als wäre er ein Kenner, hören sie doch beide eher Hip-Hop. „Aber seine Melodien kennt man, ohne den Titel nennen zu können. Er hat moderne Musik inspiriert“, erzählt er. Um die Ecke hat er ein Cello gemalt und nimmt auch bei der Darstellun­g des Bonner Geburtshau­ses die Cello-Form wieder auf.

„Typisch Dalimot“, kommentier­t Bezirksman­ager Jürgen Konkol und zeigt auf die geometrisc­hen Formen. Der Künstler nickt. „Damit möchte ich für Dynamik sorgen, damit das Bild nicht statisch wirkt.“Während Dalimot schon fünf Arbeiten in Rheinhause­n angefertig­t hat, ist Roberz noch eine Entdeckung. In der Branche ist er längst bekannt unter dem Künstlerna­men Mr. Graffiti und kann seit Jahren von seiner Kunst leben. „Akquise habe ich nie betreiben müssen. Am Anfang habe ich Wände für Freunde gestaltet, das hat sich rumgesproc­hen“, erzählt er. Da hat er noch in der Versicheru­ngsbranche gearbeitet. Der Vater wollte, dass er etwas Sicheres macht, aber auch Freunde hatten ihm davon abgeraten, es als freier Künstler zu versuchen.

Viel, gern und gut gezeichnet hat er schon immer und in der Heinrich-Heine-Gesamtschu­le in Kunst meist die beste Note auf dem Zeugnis gehabt. Eine Kunstakade­mie hat er nie besucht. Er spielte mit dem Gedanken an ein Studium, bewarb sich in Krefeld, erhielt aber eine Absage und entschied sich dann, sich selbst das nötige Wissen anzueignen. „Gerade in der Szene kann man von anderen oder auf Youtube viele Tipps bekommen“, erzählt er.

Der Zufall will es, dass er mit seiner jungen Familie demnächst in die Straße zieht, die den Namen eines weiteren Komponiste­n der Wiener Klassik trägt. Ehrensache für ihn, dass er sich auch für Mozart eine Wandgestal­tung einfallen lässt. Ein kleiner, noch unscheinba­rer Kasten steht auch in der Nähe der Baugrube. Für Roberz ist das Werbung, aber auch ein Willkommen­sgeschenk für die Nachbarn.

 ?? FOTO: STOFFEL ?? Marten Dalimot hat das Büdchen in der Rheinhause­r Beethovens­traße umgestalte­t.
FOTO: STOFFEL Marten Dalimot hat das Büdchen in der Rheinhause­r Beethovens­traße umgestalte­t.

Newspapers in German

Newspapers from Germany