Die Pannenministerin
Im fünften Jahr als Verteidigungsministerin bekommt Ursula von der Leyen bei der Truppe kein Bein mehr auf die Erde.
BERLIN Die Reservisten sind stolz. Keine Geringere als die Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt ist zu ihrem Jahresempfang gekommen. Ursula von der Leyen, seit 2013 Verteidigungsministerin und der einzig verbliebene Politik-Dino aus den Anfangszeiten der MerkelRegierung, sitzt in der ersten Reihe. Viele Soldaten machen Smalltalk. Die Ministerin nicht. Und kaum ist ihre Rede beendet, rauscht sie auch schon zügigen Schrittes ab. Keine Gespräche, der nächste Termin ruft.
Ihr Auftritt ist von Respekt und Herzlichkeit geprägt. Sie lobt ihr Publikum als „Rückgrat der Bundeswehr“. Und gerne steht sie auch für die Auszeichnung von zwei Reservisten zur Verfügung, die am Rande eines Marsches gekenterte Angler aus dem Möhnesee retteten.
Aber wer rettet diese Ministerin? „Die Truppe hat sich ihre Meinung gebildet, die ist fertig mit ihr“, sagt ein Militär. Die Wogen schlugen über von der Leyen im vergangenen Jahr zusammen, als sie der Truppe pauschal ein „Haltungsproblem“unterstellte, statt sich vor sie zu stellen. Da war kaum einer, der sie vom Kentern abhalten wollte. Aber die Kanzlerin wollte sich ihre Personalauswahl nicht von den Militärs vorgeben lassen – und behielt sie. Nun ist sie schon länger auf diesem Posten als elf ihrer 15 Vorgänger.
Anfangs, kurz vor Weihnachten 2013, überwog noch die gegenseitige Neugierde. Die erste Frau an der Spitze einer vormaligen Männerbastion. Dazu eine, die sich vorher schon im Familien-, dann im Arbeitsministerium als Macherin in Szene zu setzen verstand. Die Neue büffelte Dienstgrade, Abkürzungen, schlug ihr Nachtlager im Ministerium auf und erhöhte vom ersten Moment an die Betriebstemperatur.
Doch schon bald holte sie der Zustand der kaputtgesparten Armee ein. Flugzeuge, die nicht fliegen, Panzer, die nicht schießen, U-Boote, die nicht tauchen können. Dazu eine im Umdenken wenig flexible Männerkaste, die einen Vorrang für familienfreundliche Arbeitsbedingungen zunächst für einen Witz hielt und nicht als Mittel, die Bun- deswehr als Arbeitgeber für junge Menschen attraktiv zu machen. Zugleich erlebten die Soldaten fassungslos, wie die Truppe wegen der Pleiten öffentlich zur Lachnummer wurde. Von der Leyen räumt indirekt ein, zu dieser Wahrnehmung der Streitkräfte beigetragen zu haben, indem sie von Anfang an wissen wollte, was funktioniert und was nicht. Nach ihrer Überzeugung muss man aber erst die Missstände ausmessen, um sie danach abstellen zu können.
Freilich kreiden ihr Parlamentarier an, die Schwerpunktverlagerung von den weltweiten Einsätzen zur Heimatverteidigung seit dem Nato-Gipfel 2014 propagiert, aber nicht vollzogen zu haben. Jetzt erst hat sie das neue Konzept vorgelegt, bald kommt das neue Fähigkeitenprofil. „Wenn sie gewollt hätte, wäre das auch drei Jahre früher möglich gewesen“, heißt es im Verteidigungsausschuss. Und in der Truppe grollen viele darüber, dass seit Jahren die Gerüchte über eine verlän- gerte Lebensarbeitszeit wabern, die Ministerin aber keine Ansagen macht. „Damit hängen viele Lebensplanungen in der Schwebe. Das zehrt an den Nerven“, heißt es an der Bundeswehr-Basis.
Peinlich genau achtete von der Leyen als ausgebuffter Profi der Ministerialverwaltung auf Brandmauern zwischen ihr und den potenziellen Problemen. Dazu gehörte die Unternehmensberaterin Katrin Suder auf dem Posten der Rüstungsstaatssekretärin, um die Großpro- jekte und deren Beschaffung in den Griff zu kriegen. Dass sie nach dem Abgang Suders mit Benedikt Zimmer einen Drei-Sterne-General zum Nachfolger machte, mag auch als Entgegenkommen gewertet werden, die Kräfte innerhalb des Hauses wieder mehr wertzuschätzen.
Doch die viereinhalb Jahre zwischen den Berufungen haben dazu geführt, dass die Probleme von der Leyen immer mehr einholen. Anfangs konnte sie ausfallende Systeme und fehlende Ausrüstung auf die Vorgänger schieben. Nun landet das Ergebnis der Ursachenforschung immer häufiger in ihrer eigenen Amtszeit. Bände spricht etwa ihre jüngste Mitteilung, nun eine Task Force auf den Weg gebracht zu haben, die untersuchen soll, wie die Beschaffung bei der Bundeswehr besser aufgestellt werden kann. Das klingt ganz nach 2014 und dem Auftrag an Suder.
Auffällig häufen sich Zukunftsprojektionen. Momentan muss sich die schnelle Eingreiftruppe ihre Ausrüstung noch mühevoll zusammenleihen. Aber wenn die Bundeswehr 2023 wieder nach vorne muss, soll eine ganze Brigade alles haben, was sie braucht. Das neue Ziel von 1,5 Prozent Verteidigungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt will von der Leyen 2025 erreichen. Und 2034, so führende Militärs, sollen die „hohlen Strukturen“gefüllt sein.
Der Blick vieler Soldaten richtet sich indes auf 2019. Dann wird wohl ein Kabinettsmitglied als Kommissar nach Brüssel wechseln. Wirtschaftsminister Peter Altmaier, der EU-Beamte, ist dafür im Gespräch. Und Ursula von der Leyen, die in Brüssel Geborene. Viele wünschen sich, dass Altmaier in Berlin bleibt.