Braune Flecken im Schwarzwald
Ein „Tatort“im rechten Milieu: Mitglieder einer Heimatschutzstaffel wollen verlassene Bauernhöfe übernehmen und fürs Volk erhalten.
FREIBURG Ihre Geschwister heißen Mechthild und Elfrun, mit ihrer Familie lebt sie abgesondert auf einem einsamen Berghof. In der Schule trägt Sonnhild Böttger (Gro Swantje Kohlhof) Zöpfe, lange Röcke und Norweger-Pulli und rezitiert im Unterricht voller Pathos das Nibelungenlied. Dann bricht sie zusammen, und am Abend stirbt sie daheim im Bett. Der Arzt kommt erst spät und stellt als Diagnose einen Zuckerschock wegen Diabetes fest.
Nur in Sonnhilds Umgebung weiß niemand etwas von einer DiabetesErkrankung. Ehe der Leichnam verbrannt wird, wird der Fall an die Kommissare Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner) und Franziska Tobler (Eva Löbau) geleitet. Berg ist ein alter Freund von Sonnhilds Vater Volkmar, der ihn beeindruckt, wie er den Hof und seine große Familie managt. Doch seine Kollegin Tobler ist misstrauisch. Sonnhilds Verlobter Torsten zum Beispiel ist beim Staatsschutz als Rechtsextremer bekannt. Und er ist Mitglied einer ominösen Heimatschutzstaffel. Zudem ist ein V-Mann gestorben, ebenfalls an einer nicht behandelten Diabetes-Erkrankung.
Der „Tatort“-Fall „Sonnenwende“spielt im bäuerlichen Milieu des Hochschwarzwalds, in dem sich Abgründe auftun. Kommissar Berg hadert damit, dass so viele Bauern ihre Höfe aufgeben müssen. Bauer Volkmar träumt davon, Familien wie seine dort anzusiedeln. Er bezeichnet sich als „Wehrbauer gegen die Umvolkung“und sieht sich als „Schutzmacht für deutsches Blut und deutschen Boden“. Seine Tochter Sonnhild wollte aus dieser Welt ausbrechen. Auf Smartphone-Videos ist zu sehen, wie sie verliebte Blicke mit einem Unbekannten austauscht.
Der zweite Fall des SchwarzwaldTeams ist düster und diskutiert die Frage, wie weit die Heimatverbundenheit eigentlich gehen darf. Denn zumindest Kommissar Berg ist am Anfang davon fasziniert, wie kompromisslos die Familie Böttger ihr Leben lebt. Doch schnell wird deutlich, wie groß das braune Netzwerk dieser völkischen Wehrbauern ist, die von Sippen reden und sich in germanischer Tradition zu einem Thing treffen wollen. Sie haben im Dorf schon wichtige Schaltstellen besetzt – jeder, der gegen sie ist, bekommt ihre Macht zu spüren.
„Sonnenwende“ist ein bildstarker Krimi und besticht durch seine Schauspieler. Besonders Gro Swantje Kohlhof als Sonnhild und Janina Fautz als Mechthild bleiben in Erinnerung. Das Schwarzwälder Duo Berg/Tobler ist angenehm unaufgeregt, doziert nicht über Weltpolitik und bleibt menschlich. Die Dreharbeiten für den dritten Fall haben laut Südwestrundfunk bereits begonnen, zu sehen ist er voraussichtlich im Herbst. „Tatort – Sonnenwende“, Das Erste, So., 20.15 Uhr.