NÄRRISCHE NACHWUCHSPROBLEME Wenn der Karneval in Rente geht
In einer vierteiligen Serie machen wir eine Reise, die zwischen Hohenbudberg und Alt-Homberg neben viel Spaß an der Freude auch ein echtes Dilemma beschreibt: Das Brauchtum hat ein Nachwuchsproblem.
WESTEN Wenn Achim Ingenpass von früher erzählt, dann werden sie wieder lebendig, die guten alten Karnevalszeiten der Karnevalsgesellschaft (KG) Hohenbudberg. Damals, als die alte Eisenbahnsiedlung noch eine fest verschworene Gemeinschaft war. „Wir haben uns bei der Arbeit gesehen, auf der Straße und abends im Verein. Wir waren eine feste Gruppe.“Und das galt auch für den Karnevalsverein, der in dieser Umgebung damals so selbstverständlich war wie die Kneipe um die Ecke oder der Fußballverein.
„Ich bin 1984 durch meine Frau zu den Karnevalisten gekommen. Unser damaliger Ortsstellenwart Heinz Knips hat den Vorschlag umgesetzt, eine Karnevalssitzung abzuhalten“, erzählt Ingenpass. Genau genommen waren es sogar zwei. Das heute längst geschlossene Haus Rheindamm war viel zu klein, und deshalb gab es zwei Termine. Sonst hätten nicht alle teilhaben können. Heute wäre das undenkbar. Damals hatte der Bahnhof in unmittelbarer Nähe der Siedlung stolze 2000 Mitarbeiter, für deren Wohl das Bundesbahn Sozialwerk sorgte. Unter anderem mit der Unterstützung des Karnevalsvereins.
Heute gibt es weder den Bahnhof, noch das Sozialwerk. Und auch der Karnevalsverein kann von den großen Zeiten nur noch träumen. „Unsere Macher und Bauer werden langsam alt und es fehlt der tatkräftige Nachwuchs, der mit anpacken kann.“Seit 1980 hat die KG durchge- hend das Kinderprinzenpaar im Duisburger Westen gestellt. Bis jetzt. Es fehlt an Betreuern, die die Kinder begleiten, sich kümmern und ihre Freizeit dem Karneval opfern. Dabei hat der Verein viele Highlights im Lebenslauf. „Die Showtanzgruppe Calypso, die als Garde begonnen hat, stammt ur- sprünglich aus unserem Verein.“Da klingt viel Stolz mit in der Stimme. Dennoch, dieses Jahr ist es eng geworden. Alle Veranstaltungen wurden aus persönlichen und organisatorischen Gründen abgesagt, so heißt es auf der Homepage. „Mit fünf oder sechs Mann können wir nichts machen, das ist zu wenig“, so Ingenpass. Ganz ähnlich schildert Rainer Schütten die Lage der KG Blau Silber: „Unser Verein existiert seit 1957, aber dieses Jahr klappt es nicht mit unseren Veranstaltungen, weil der Nachwuchs fehlt.“Nachwuchs, das sind sowohl die Jugend im Schulalter, als auch deren Eltern, die im Verein richtig anpacken, or- ganisieren, bauen, gestalten und etwas auf die Beine stellen wollen. „Viele Mitglieder kommen erst im Rentenalter wieder zu uns. Dann haben sie Zeit und genießen das Miteinander“, so Schütten. Doch der Unterbau fehlt.
Seit Jahren spezialisiert sich BlauSilber auf seine Herrensitzungen. Rund 300 Leute kamen regelmäßig und ließen sich durch ein hochprofessionelles Programm mit sieben oder acht Künstlern begleiten. Doch in dieser Session gibt es keine Sitzung. Die KG muss sondieren, neu planen und sich überlegen, wie es weitergehen soll.
Früher freuten die Gäste sich auf den singenden Präsidenten Horst Schmitz oder auf das vereinseigene Künstlerduo Tonn und Tönnchen. Aber auch die sind letztes Jahr in Rente gegangen. „Es wird immer schwieriger, das Publikum zu begeistern. Manchmal springt der Funke einfach nicht über: Dann schicken wir schon mal das Nummerngirl auf die Bühne, das geht eigentlich immer“, verrät Rainer Schütten die alten Tricks der Herrensitzungen. Mit 64 Jahren zählt er auch schon eher zu der etwas älteren Garde, die Blau-Silber eisern die Treue halten.
Denn dass es weiter geht, ist klar, da ist der Ratsherr ganz sicher. Noch hat der Verein rund 30 Mitglieder, die ihre Tradition nicht aufgeben wollen. Nur der Kampf ums Überleben ist härter geworden. Das bekommen die Hohenbudberger und die KG Blau-Silber dieses Jahr ganz besonders zu spüren.