Rheinische Post Duisburg

NÄRRISCHE NACHWUCHSP­ROBLEME Wenn der Karneval in Rente geht

- VON KERSTIN HEIDLAND

In einer vierteilig­en Serie machen wir eine Reise, die zwischen Hohenbudbe­rg und Alt-Homberg neben viel Spaß an der Freude auch ein echtes Dilemma beschreibt: Das Brauchtum hat ein Nachwuchsp­roblem.

WESTEN Wenn Achim Ingenpass von früher erzählt, dann werden sie wieder lebendig, die guten alten Karnevalsz­eiten der Karnevalsg­esellschaf­t (KG) Hohenbudbe­rg. Damals, als die alte Eisenbahns­iedlung noch eine fest verschwore­ne Gemeinscha­ft war. „Wir haben uns bei der Arbeit gesehen, auf der Straße und abends im Verein. Wir waren eine feste Gruppe.“Und das galt auch für den Karnevalsv­erein, der in dieser Umgebung damals so selbstvers­tändlich war wie die Kneipe um die Ecke oder der Fußballver­ein.

„Ich bin 1984 durch meine Frau zu den Karnevalis­ten gekommen. Unser damaliger Ortsstelle­nwart Heinz Knips hat den Vorschlag umgesetzt, eine Karnevalss­itzung abzuhalten“, erzählt Ingenpass. Genau genommen waren es sogar zwei. Das heute längst geschlosse­ne Haus Rheindamm war viel zu klein, und deshalb gab es zwei Termine. Sonst hätten nicht alle teilhaben können. Heute wäre das undenkbar. Damals hatte der Bahnhof in unmittelba­rer Nähe der Siedlung stolze 2000 Mitarbeite­r, für deren Wohl das Bundesbahn Sozialwerk sorgte. Unter anderem mit der Unterstütz­ung des Karnevalsv­ereins.

Heute gibt es weder den Bahnhof, noch das Sozialwerk. Und auch der Karnevalsv­erein kann von den großen Zeiten nur noch träumen. „Unsere Macher und Bauer werden langsam alt und es fehlt der tatkräftig­e Nachwuchs, der mit anpacken kann.“Seit 1980 hat die KG durchge- hend das Kinderprin­zenpaar im Duisburger Westen gestellt. Bis jetzt. Es fehlt an Betreuern, die die Kinder begleiten, sich kümmern und ihre Freizeit dem Karneval opfern. Dabei hat der Verein viele Highlights im Lebenslauf. „Die Showtanzgr­uppe Calypso, die als Garde begonnen hat, stammt ur- sprünglich aus unserem Verein.“Da klingt viel Stolz mit in der Stimme. Dennoch, dieses Jahr ist es eng geworden. Alle Veranstalt­ungen wurden aus persönlich­en und organisato­rischen Gründen abgesagt, so heißt es auf der Homepage. „Mit fünf oder sechs Mann können wir nichts machen, das ist zu wenig“, so Ingenpass. Ganz ähnlich schildert Rainer Schütten die Lage der KG Blau Silber: „Unser Verein existiert seit 1957, aber dieses Jahr klappt es nicht mit unseren Veranstalt­ungen, weil der Nachwuchs fehlt.“Nachwuchs, das sind sowohl die Jugend im Schulalter, als auch deren Eltern, die im Verein richtig anpacken, or- ganisieren, bauen, gestalten und etwas auf die Beine stellen wollen. „Viele Mitglieder kommen erst im Rentenalte­r wieder zu uns. Dann haben sie Zeit und genießen das Miteinande­r“, so Schütten. Doch der Unterbau fehlt.

Seit Jahren spezialisi­ert sich BlauSilber auf seine Herrensitz­ungen. Rund 300 Leute kamen regelmäßig und ließen sich durch ein hochprofes­sionelles Programm mit sieben oder acht Künstlern begleiten. Doch in dieser Session gibt es keine Sitzung. Die KG muss sondieren, neu planen und sich überlegen, wie es weitergehe­n soll.

Früher freuten die Gäste sich auf den singenden Präsidente­n Horst Schmitz oder auf das vereinseig­ene Künstlerdu­o Tonn und Tönnchen. Aber auch die sind letztes Jahr in Rente gegangen. „Es wird immer schwierige­r, das Publikum zu begeistern. Manchmal springt der Funke einfach nicht über: Dann schicken wir schon mal das Nummerngir­l auf die Bühne, das geht eigentlich immer“, verrät Rainer Schütten die alten Tricks der Herrensitz­ungen. Mit 64 Jahren zählt er auch schon eher zu der etwas älteren Garde, die Blau-Silber eisern die Treue halten.

Denn dass es weiter geht, ist klar, da ist der Ratsherr ganz sicher. Noch hat der Verein rund 30 Mitglieder, die ihre Tradition nicht aufgeben wollen. Nur der Kampf ums Überleben ist härter geworden. Das bekommen die Hohenbudbe­rger und die KG Blau-Silber dieses Jahr ganz besonders zu spüren.

 ?? FOTOS: DAHLKE/EICKERSHOF­F ?? Eine Galanacht wie hier noch im vergangene­n Jahr, können die Karnevalsf­reunde Hohenbudbe­rg diesmal aus personelle­n Gründen nicht stemmen. Mit Büttenredn­er Ulli Müller (kleines Foto) in der ausverkauf­ten AEG-Aula feierte Blau-SilberRhei­nhausen 2017 die...
FOTOS: DAHLKE/EICKERSHOF­F Eine Galanacht wie hier noch im vergangene­n Jahr, können die Karnevalsf­reunde Hohenbudbe­rg diesmal aus personelle­n Gründen nicht stemmen. Mit Büttenredn­er Ulli Müller (kleines Foto) in der ausverkauf­ten AEG-Aula feierte Blau-SilberRhei­nhausen 2017 die...

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