Altmaier in umstrittener Doppelrolle
Der Kanzleramtschef soll nun auch noch den CDU-Wahlkampf managen. SPD und Liberale protestieren.
BERLIN Generalsekretär Peter Tauber f lüchtet sich gerne mal in einen Scherz, wenn die Situation für ihn unangenehm ist. Die Debatte um seine Eignung als Wahlkampfmanager greift er gestern am späten Nachmittag im Adenauer-Haus bei der Präsentation der CDU-Wahlkampf-Zentrale selbst auf. Er präsentiert eine Haustür-Front, mit der die CDU ihre Wahlkämpfer schult. Dahinter werden als Bewohner per Video CDU-Wähler, Unentschiedene und Wutbürger eingespielt. „Die Tür zu Peter Altmaiers Büro zeige ich Ihnen nicht“, witzelt Tauber.
Dabei ist die Lage für ihn ernst. Er muss um sein Renommee als Generalsekretär und Wahlkampfmanager kämpfen. Zugleich steht die CDU-Spitze in der Kritik. SPD und Liberale sehen es als unzulässig an, dass Kanzleramtsminister Altmaier im Adenauer-Haus ein eigenes Büro bezieht und dort das Wahlprogramm verantworten soll.
Ein weiteres Büro gehört Merkels langjährigem Strategiechef Joachim Koschnicke, der vom Autobauer Opel auf seinen alten Posten in der CDU-Zentrale zurückkehrt. Generalsekretär Tauber ist damit trotz anderslautender Beteuerungen aus der Parteispitze faktisch entmachtet. Ihm bleiben Organisatorisches und der Haustürwahlkampf, während Inhalt und Strategie federführend über andere Schreibtische gehen.
Altmaier ist eine Art Allzweckwaffe der Kanzlerin. Als sie dringend einen neuen Umweltminister für den entlassenen Norbert Röttgen brauchte, rief sie Altmaier an. 2013 dann musste Altmaier die Lücke füllen, die Kanzleramtsminister Ronald Pofalla hinterließ. Als Innenminister Thomas de Maizière auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise der Kanzlerin öffentlich mehrfach widersprach, installierte sie Altmaier als Flüchtlingsbeauftragten im Kanzleramt. Nun soll er den CDUWahlkampf retten.
SPD und Liberale begehrten gestern gegen die geplante Doppelrolle für Altmaier auf. „Der Kanzleramtsminister darf keine zentrale Verantwortung für den Wahlkampf einer Partei übernehmen. Hier bedarf es einer eindeutigen Trennung. So viel politisches Fingerspitzengespür hätte ich gerade Frau Merkel zugetraut“, sagte SPD-Vizechef Torsten Schäfer-Gümbel. Merkels Entschei- dung zeige aber, wie groß die Not in der CDU-Zentrale wirklich sein müsse.
Eine Niederlegung seiner Funktion als Kanzleramtschef forderte FDP-Vizechef Wolfgang Kubicki von Altmaier. „Wenn der Kanzleramtschef Wahlkampfmanager der CDU wird, muss er sein Regierungsamt aufgeben“, erklärte Kubicki auf Anfrage. Denn die Verquickung von Regierungsamt und parteipolitischer Betätigung, insbesondere in Wahlkampfzeiten, sei „eklatant verfassungswidrig“. Sollte dies nicht geschehen, müsse rechtlich dagegen vorgegangen werden, drohte Kubicki, allerdings ohne dabei konkret zu werden, ob jemand und wer gegebenenfalls Schritte gegen Altmaier einleitet. „Eine derartige Unverfrorenheit wäre einmalig in der Geschichte des demokratischen Deutschlands.“Generalsekretär Tauber konterte Kubicki: „Ich bin Generalsekretär und leite den Wahlkampf, also geht Herr Kubicki von falschen Voraussetzungen aus.“
Die CDU verweist zudem auf den Fall des früheren Generalsekretärs Heiner Geißler, der neben seinem Amt als Generalsekretär von 1982 bis 1985 zugleich Gesundheits-, Familien- und Jugendminister war. Sogar mit SPD-Vizechefin Manuela Schwesig vergleicht die Union nun schon Altmaier und erklärt, diese schreibe am Wahlprogramm der SPD mit.
Der umtriebige Kanzleramtschef, der nun die inhaltliche Grundlage des Wahlprogramms für die CDU liefern soll, hat in der Partei allerdings kein Führungsamt. Als Kanzleramtschef ist er für die reibungslose Zusammenarbeit zwischen Union und SPD zuständig. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann findet, dass Altmaiers neuer Job der Koalition schade. Auch das sieht Tauber anders: „Das Hauptproblem ist ja, den SPD-Vorsitzenden zur Teilnahme an Koalitionsausschüssen zu bewegen“, sagte er in Anspielung darauf, dass Kanzlerkandidat Martin Schulz zum letzten Spitzentreffen der Koalition zunächst nicht kommen wollte.
Rückendeckung bekam die CDUSpitze von dem Berliner Politikwissenschaftler Nils Diedrich. Die Aufregung um Altmaier als Wahlkämpfer nannte er eine „Farce“und ein „Wahlkampf-Theater“. Altmaier sei „in seiner Eigenschaft als Parteimitglied auch Mitglied der Regierung – insofern ist das völlig legitim“, sagte Diedrich der Deutschen PresseAgentur.