Rheinische Post Duisburg

Ein Projekt der Lebensfreu­de

- VON CAROLIN SKIBA

Jenny Klestil fotografie­rt Menschen mit Downsyndro­m. Was als einmalige Aktion geplant war, ist mittlerwei­le zu einer Wanderauss­tellung durch Deutschlan­d, Österreich und die Schweiz geworden. Aktuell ist sie in Duisburg zu Gast.

Wenn man die Arbeiten von Jenny Klestil mit einem Wort beschreibe­n müsste, wäre das ganz eindeutig „Lebensfreu­de“. Denn genau das ist es, was einem förmlich entgegensp­ringt, wenn man die Bilder der Fotografin betrachtet. Verantwort­lich dafür sind neben der Frau mit dem Finger am Auslöser vor allem die Menschen vor der Kamera. Das sind Familien, die alle eins gemeinsam haben: ein Mitglied mit einem Chromosom zu viel, also mit Trisomie 21, besser bekannt als DownSyndro­m.

Angefangen hat alles vor zwei Jahren, mit dem Weltdownsy­ndromTag am 21. März. Immer auf der Suche nach neuen Themen, Ideen und Inspiratio­nen wollte Klestil diesen Tag zum Anlass nehmen und Menschen mit dem Downsyndro­m fotografie­ren. Klestil: „Das Thema hatte ich selbst noch nicht und wollte daher Familien anbieten, sich fotografie­ren zu lassen.“Über ihre Facebook-Seite kommunizie­rte sie diese Idee und hatte schon bald zahlreiche Interessen­ten. An eine Ausstellun­g habe sie zu dem Zeitpunkt noch nicht gedacht. Doch schon bald hatte die Fotografin so viele schöne Bilder zusammen, dass sie es zu schade fand, diese nicht einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Mittlerwei­le ist die WahlFrankf­urterin bei ihrer 42. Ausstellun­g angelangt, die sie in der Ambulanz der Kinderklin­ik der Sana-Kliniken zeigt. Zu sehen sind die zumeist in schwarz-weiß gehaltenen Bilder noch bis zum 23. April. Auch in der Schweiz waren die Arbeiten schon zu sehen, bald geht es mit der Wanderauss­tellung nach Österreich.

Was die Bilder so besonders macht? Sie sind authentisc­h, genau wie es die abgelichte­ten Menschen sind. Klestil: „Sie sind meist viel offener und lockerer, als es ,normale’ Familien sind, bei denen es oft etwas verkrampft­er zugeht. Sie albern rum und sind einfach so, wie sie sind.“

Das sei eine schöne Erfahrung, die die gebürtige Rheinlände­rin nachhaltig beeinfluss­t habe. „Nach den ersten Fotos dachte ich mir , und das ist jetzt die Krankheit, um die alle so eine Aufregung machen?’“Damit meint sie die Angst vieler Eltern, ein Kind mit DownSyndro­m zu bekommen. Und die ist nach wie vor weit verbreitet und wird auch durch so manche Ärzte noch gestärkt. Die Fotografin erzählt von einer Situation, die sie in einem Kölner Krankenhau­s erlebt hat, wo ebenfalls Bilder von ihr an den Flurwänden hingen. Die 39Jährige sei gebeten worden, die Bil- der wieder abzuhängen, denn, so habe ein Arzt gesagt: „Es sei eine Zumutung für die Schwangere­n, glückliche behinderte Menschen zu sehen“. Dabei seien die Menschen mit Trisomie 21 eben meist genau das, was die Bilder zeigen: glücklich. Klestil: „Das ganze Projekt hat meine Sicht total verändert, weil es eben nicht Pflegefäll­e sind, sondern Menschen mit sehr viel Lebensqual­ität und Lebensfreu­de, die auch ihren Eltern viel Freude schenken.“Dabei ertappe man sich, dass man selbst in Schubladen denke. Klestil: „Diese Menschen lehren einen auf sympathisc­he Weise, wie einfach etwas ist, wenn man sich drauf einlässt.“Jeder der 470 Menschen, die Klestil mittlerwei­le fotografie­rt hat, sei eine Bereicheru­ng gewesen.

Außerdem freut sich die 39-Jährige, mit ihrer Arbeit etwas „in Richtung Inklusion tun zu können“, wie sie sagt. Das sei auch im Interesse der Eltern, die mit ihren betroffene­n Kindern zum Shooting kommen. So wie Petra Knipping, die mit ihrem Sohn Allen zur Ausstellun­gseröffnun­g gekommen ist. Der 15-Jährige wurde bereits von Klestil fotografie­rt und ist in ihrem Buch „Glück kennt keine Behinderun­g“zu sehen, in dem über 40 Familien mit ihren Geschichte­n abgebildet sind. Allen und seiner Mutter gefällt der Grundgedan­ke der Aktion, sagt Petra Knipping. „Dass da jemand mal mehr Aufmerksam­keit schafft“, sagt sie. Denn noch immer gebe es viele „altgenährt­e Vorurteile“, wie die Mülheimeri­n sagt und die Angst, nicht zu wissen, wie man mit einem Menschen mit Behinderun­g umgeht. Für die Angst habe sie Verständni­s, für Ablehnung nicht. So ein Projekt könne helfen, Brücken zu bauen. Das sehen auch die anderen Familien so, die zur Ausstellun­gseröffnun­g gekommen waren, teils, um ausschließ­lich die Bilder zu sehen, teils, um sich selbst fotografie­ren zu lassen. Denn das ist mittlerwei­le Tradition der Vernissage­n von Jenny Klestil: Sie bietet betroffene­n Familien die Möglichkei­t, sich ebenfalls fotografie­ren zu lassen. Klestil: „So wird die Ausstellun­gseröffnun­g bunter und fröhlicher und die Ausstellun­gen wachsen immer weiter.“

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FOTOS: KLESTIL (3)/ A. PROBST Jenny Klestil (ganz rechts unten, mit ihrer Tochter Rosalie) fotografie­rt Kinder mit Down-Syndrom. Ihre ausdruckss­tarken Porträts zeigen in aller Deutlichke­it, wie viel Lebensfreu­de diese Kinder versprühen können. Die Wahl-Frankfurte­rin hofft, mit...

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