Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Thyssenkrupp tippelt aus der Krise
Der erwartete Verlust sinkt auf einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag. Die Sorgen der Anleger bleiben.
DÜSSELDORF Thyssenkrupp kann nicht nur Krise: Der Industriekonzern profitiert von der anziehenden Automobilkonjunktur sowie ersten Spar-Erfolgen und hebt seine Prognose für das laufende Jahr daher an. „Wir haben im zweiten Quartal Boden gutgemacht“, sagte Konzernchefin Martina Merz. „Wir wissen aber auch sehr genau, dass noch viel Arbeit vor uns liegt. Die Neuausrichtung von Thyssenkrupp bleibt ein Weg der vielen kleinen Schritte.“
Der Konzernverlust verringerte sich im zweiten Quartal zwar auf 187 Millionen Euro. Doch Thyssenkrupp verbrennt weiter Geld. Der Cash Flow lag bei minus 750 Millionen Euro. Für das Gesamtjahr erwartet der Konzern nun einen Verlust im mittleren dreistelligen Millionenbereich. Bisher war man von einem hohen dreistelligen Millionenbetrag ausgegangen. Der anhaltende Mittelabfluss
gefällt auch den Anlegern nicht: Die Aktie rauschte zeitweise um über acht Prozent bis auf 10,60 Euro nach unten. „Um unsere Liquidität muss sich keiner Sorgen machen, dank des Elevator-Verkaufs haben wir elf Milliarden Euro an freier Liquidität“, versicherte Finanzchef Klaus Keysberg mit Blick auf die erfolgte Veräußerung der Aufzugssparte an Finanzinvestoren. Von der Reserve zu leben, ist jedoch kein Geschäftsmodell. Und so treibt der Konzern den Umbau voran: Thyssenkrupp baut insgesamt 12.000 Stellen ab – davon 3750 im Stahlbereich. 5400 Jobs sind konzernweit bereits weggefallen, ohne Kündigungen, und so soll es auch bleiben. Auf die Frage, ob der Konzern einen weiteren Abbau im Stahl vorhabe, sagte Keysberg:
„Das ist nicht geplant.“Der Stellenabbau soll bis 2022/23 durch sein. Das Grobblechwerk in Duisburg schließt, am 18. März hatte die Walze ihren letzten Einsatz. Über den Verkauf des Edelstahlwerks in Terni gebe es Gespräche mit Investoren.
Doch die Stahlkocher müssen sich noch gedulden, um Klarheit über die Zukunft ihrer Sparte zu bekommen. Nach der Absage des Verkaufs an Liberty setzt Thyssenkrupp nun auf eine „Verselbstständigung“, was Börsengang, Verkauf oder Verbleib im Konzern bedeuten kann. Am 19. Mai tagt der Aufsichtsrat. Doch Keysberg hängte die Erwartung tief: Eine Entscheidung hierzu werde in diesem Jahr „definitiv nicht mehr“fallen. Bei der Sitzung gehe es nur um den Stand der Sanierung. In der Stahlsparte arbeiten
Martina Merz Vorstandschefin von Thyssenkrupp 26.000 der 102.000 Mitarbeiter – 22.000 davon in NRW.
Beim Stahl liegen Fluch und Segen nah beieinander: Auf der einen Seite profitiert Thyssenkrupp von den kräftig steigenden Stahlpreisen. Auf der anderen Seite leidet der Konzern aber an der Knappheit der Vorprodukte. Eisenerz ist so teuer wie nie. Im dritten Quartal wird zudem der Hochofen Schwelgern 1 in Duisburg-Marxloh für die Instandhaltung abgeschaltet und von innen neu verkleidet. Das kostet einen zweistelligen Millionenbetrag und bremst die Produktion. Immerhin schreibt Thyssenkrupp Steel wieder schwarze Zahlen: Der Gewinn (Ebit) lag bei 47 Millionen Euro. Doch auch Thyssenkrupp bekommt die Folgen des Chipmangels für die Autoindustrie zu spüren. Das dürfte der Party am Stahlmarkt bald einen Dämpfer verpassen. „Hier wird sich auch nicht ausgeruht“, sagte denn auch Konzernchefin Merz.
„Die Neuausrichtung bleibt ein Weg der vielen kleinen Schritte“