Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Es regnete verkohlte Blätter
Vor einem Jahr wüteten Buschbrände in Australien und hinterließen tiefe Narben in der Landschaft. Über drei Milliarden Tiere kamen ums Leben. Betroffene erinnern sich.
SYDNEY Die Geschäfte in Blackheath, einem kleinen Ort in den Blue Mountains westlich von Sydney, sind so voll wie es in Corona-Zeiten möglich ist. Alle wollen vor Weihnachten noch ein paar Einkäufe erledigen. Der feuchte Sommeranfang verspricht weniger Brände. Noch vor einem Jahr war die Situation eine völlig andere. „Der 20. Dezember war der schlimmste Tag für Blackheath“, erinnert sich Kathy Butler, die seit zwölf Jahren in Blackheath wohnt. Mehrere große Feuersbrünste hatten sich vereint und bedrohten die 4000-Seelen-Gemeinde. „Der Rauch war so dicht, dass man ohne Maske nicht mehr atmen konnte“, sagt die Australierin, die als Rangerin für den Blue-Mountains-Nationalpark arbeitet.
Auch Trevor Evans, der einen kleinen Tierpark – das Secret Creek Sanctuary – in Lithgow betreibt, stand vor einem Jahr vor einer Feuerfront. „Wir hatten davor über Monate hinweg mit Dürre gekämpft, und alles war staubtrocken“, erinnert er sich. Evans gelang es, sämtliche seiner Tiere im Park zu retten und kurzfristig in einen größeren Tierpark nach Sydney umzusiedeln. Auch seine Töchter und seine Frau brachten sich in Sicherheit.
Doch als am 21. Dezember schließlich zwei Feuerfronten hinter seinem Haus zusammentrafen, glaubte er bereits, alles andere verloren zu haben. „Die Feuerwehr hatte uns schon aufgegeben, und dann ging uns auch noch das Wasser aus“, sagte er. Einmal wäre er beinahe von einem umfallenden Baum getroffen worden, sein Schwiegersohn atmete zu viel Rauch ein und musste wiederbelebt werden. „Es war wirklich schlimm, aber letztendlich konnten wir das meiste außer ein paar Werkzeugschuppen, Zäunen und Autos retten.“
Auch Kathy Butler schaudert noch immer bei dem Gedanken an die Feuer. Sie seien „absolut furchteinflößend“gewesen, berichtet sie und erinnert sich daran, wie es „verkohlte Blätter regnete“. Doch die
Menschen seien damals füreinander da gewesen wie noch nie zuvor. „Die Gemeindehalle war
Tag und Nacht geöffnet, in meiner Straße arbeiteten alle Nachbarn zusammen, um die Häuser so feuersicher zu machen wie nur möglich.“Während die einen brennbares Material wie Blätter wegschafften, kochte eine Nachbarin für die gesamte Straße. „Die Katastrophe hat uns näher zusammengebracht“, sagte Butler. „In den Wochen danach feierten wir ein Fest – alle weinten und umarmten die Feuerwehrleute, die unser Dorf gerettet haben.“
Blackheath selbst überstand die Feuer verhältnismäßig gut. Doch andere Teile des Landes wurden schwer getroffen. „Feuer gehören zur australischen Landschaft dazu, sie sind Teil des Lebenszyklus“, sagt Kathy Butler. Doch die Mega-Feuer, die 2019/20 über Monate wüteten, seien „nicht normal“gewesen. Australienweit verbrannten über 17 Millionen Hektar Land, rund drei Milliarden Tiere und mehr als 30 Menschen kamen ums Leben.
Doch während die Tierwelt nach wie vor leidet, zeigt der australische Busch seine „erstaunlichen Fähigkeiten“, wie Butler sagt. „Alle typischen australischen Pflanzen brauchen Feuer und teilweise auch den Rauch eines Buschfeuers, um sich zu vermehren: Eukalypten, Akazien, Waratahs, Banksien und Grasbäume.“Alle diese einheimischen Pflanzen hätten ihre eigene Art und Weise entwickelt, um sich an Feuer anzupassen, erklärt die Ökologin. Tatsächlich sprießt es inzwischen an fast jeder Ecke wieder grün. Die Eukalypten sehen haarig aus – sie lassen Äste mit grünen Blättern aus dem Stamm sprießen. Die Grasbäume stehen in voller Blüte, andere Büsche wachsen aus dem Boden heraus. Samen, die die Hitze eines Feuers brauchten, um sich aus ihrer Kapsel zu befreien, haben Wurzeln geschlagen. Obwohl sich die Natur widerstandsfähig zeigt, warnt Butler vor den Bedingungen, die der Klimawandel schafft. Extreme Trockenheit und mehr heiße Tage könnten immer häufiger Feuer mit sich bringen. Das würde letztendlich die Biodiversität gefährden.
Auch der Tierschützer Evans beklagt den Verlust an Biodiversität. Im Wollemi-Nationalpark, der an sein Anwesen grenzt, habe es mit Sicherheit Spezies gegeben, „die noch nicht einmal entdeckt worden waren und die jetzt wahrscheinlich für immer verschwunden sind“. Seit den Feuern habe er beispielsweise keinen Leierschwanz mehr gesehen. Zahlreiche Gleitbeutler und Possums fand er verkohlt an Zäunen hängend, halbverbrannte Schlangen schauten aus dem Boden heraus. „In den Monaten nach den Feuern fanden wir immer wieder tote Vögel, die durch den Rauch noch lange danach verendeten“, sagt er. Alle etwa 20 Koalas, die in der Wildnis hinter seinem Haus lebten, seien verschwunden.
„Die Bäume erholen sich schneller, aber die Tiere – das dauert länger. Ich würde sagen, mindestens 100 Jahre“, sagt der Tierschützer. Besonders gefährdet seien die spezialisierten Tiere, die bestimmtes Futter und einen bestimmten Lebensraum brauchen wie die Koalas beispielsweise. „All die kleinen Tiere – die Kaninchenkängurus, Wallabys und Nasenbeutler – fehlen, diese kleinen Ingenieure des Buschs, die das Unterholz kleinhalten“, warnt er. Dies könne, sobald es wieder heiß und trocken wird und die Feuer zurückkommen, das Risiko eines erneuten Megafeuers erhöhen.