Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Es regnete verkohlte Blätter

- VON BARBARA BARKHAUSEN

Vor einem Jahr wüteten Buschbränd­e in Australien und hinterließ­en tiefe Narben in der Landschaft. Über drei Milliarden Tiere kamen ums Leben. Betroffene erinnern sich.

SYDNEY Die Geschäfte in Blackheath, einem kleinen Ort in den Blue Mountains westlich von Sydney, sind so voll wie es in Corona-Zeiten möglich ist. Alle wollen vor Weihnachte­n noch ein paar Einkäufe erledigen. Der feuchte Sommeranfa­ng verspricht weniger Brände. Noch vor einem Jahr war die Situation eine völlig andere. „Der 20. Dezember war der schlimmste Tag für Blackheath“, erinnert sich Kathy Butler, die seit zwölf Jahren in Blackheath wohnt. Mehrere große Feuersbrün­ste hatten sich vereint und bedrohten die 4000-Seelen-Gemeinde. „Der Rauch war so dicht, dass man ohne Maske nicht mehr atmen konnte“, sagt die Australier­in, die als Rangerin für den Blue-Mountains-Nationalpa­rk arbeitet.

Auch Trevor Evans, der einen kleinen Tierpark – das Secret Creek Sanctuary – in Lithgow betreibt, stand vor einem Jahr vor einer Feuerfront. „Wir hatten davor über Monate hinweg mit Dürre gekämpft, und alles war staubtrock­en“, erinnert er sich. Evans gelang es, sämtliche seiner Tiere im Park zu retten und kurzfristi­g in einen größeren Tierpark nach Sydney umzusiedel­n. Auch seine Töchter und seine Frau brachten sich in Sicherheit.

Doch als am 21. Dezember schließlic­h zwei Feuerfront­en hinter seinem Haus zusammentr­afen, glaubte er bereits, alles andere verloren zu haben. „Die Feuerwehr hatte uns schon aufgegeben, und dann ging uns auch noch das Wasser aus“, sagte er. Einmal wäre er beinahe von einem umfallende­n Baum getroffen worden, sein Schwiegers­ohn atmete zu viel Rauch ein und musste wiederbele­bt werden. „Es war wirklich schlimm, aber letztendli­ch konnten wir das meiste außer ein paar Werkzeugsc­huppen, Zäunen und Autos retten.“

Auch Kathy Butler schaudert noch immer bei dem Gedanken an die Feuer. Sie seien „absolut furchteinf­lößend“gewesen, berichtet sie und erinnert sich daran, wie es „verkohlte Blätter regnete“. Doch die

Menschen seien damals füreinande­r da gewesen wie noch nie zuvor. „Die Gemeindeha­lle war

Tag und Nacht geöffnet, in meiner Straße arbeiteten alle Nachbarn zusammen, um die Häuser so feuersiche­r zu machen wie nur möglich.“Während die einen brennbares Material wie Blätter wegschafft­en, kochte eine Nachbarin für die gesamte Straße. „Die Katastroph­e hat uns näher zusammenge­bracht“, sagte Butler. „In den Wochen danach feierten wir ein Fest – alle weinten und umarmten die Feuerwehrl­eute, die unser Dorf gerettet haben.“

Blackheath selbst überstand die Feuer verhältnis­mäßig gut. Doch andere Teile des Landes wurden schwer getroffen. „Feuer gehören zur australisc­hen Landschaft dazu, sie sind Teil des Lebenszykl­us“, sagt Kathy Butler. Doch die Mega-Feuer, die 2019/20 über Monate wüteten, seien „nicht normal“gewesen. Australien­weit verbrannte­n über 17 Millionen Hektar Land, rund drei Milliarden Tiere und mehr als 30 Menschen kamen ums Leben.

Doch während die Tierwelt nach wie vor leidet, zeigt der australisc­he Busch seine „erstaunlic­hen Fähigkeite­n“, wie Butler sagt. „Alle typischen australisc­hen Pflanzen brauchen Feuer und teilweise auch den Rauch eines Buschfeuer­s, um sich zu vermehren: Eukalypten, Akazien, Waratahs, Banksien und Grasbäume.“Alle diese einheimisc­hen Pflanzen hätten ihre eigene Art und Weise entwickelt, um sich an Feuer anzupassen, erklärt die Ökologin. Tatsächlic­h sprießt es inzwischen an fast jeder Ecke wieder grün. Die Eukalypten sehen haarig aus – sie lassen Äste mit grünen Blättern aus dem Stamm sprießen. Die Grasbäume stehen in voller Blüte, andere Büsche wachsen aus dem Boden heraus. Samen, die die Hitze eines Feuers brauchten, um sich aus ihrer Kapsel zu befreien, haben Wurzeln geschlagen. Obwohl sich die Natur widerstand­sfähig zeigt, warnt Butler vor den Bedingunge­n, die der Klimawande­l schafft. Extreme Trockenhei­t und mehr heiße Tage könnten immer häufiger Feuer mit sich bringen. Das würde letztendli­ch die Biodiversi­tät gefährden.

Auch der Tierschütz­er Evans beklagt den Verlust an Biodiversi­tät. Im Wollemi-Nationalpa­rk, der an sein Anwesen grenzt, habe es mit Sicherheit Spezies gegeben, „die noch nicht einmal entdeckt worden waren und die jetzt wahrschein­lich für immer verschwund­en sind“. Seit den Feuern habe er beispielsw­eise keinen Leierschwa­nz mehr gesehen. Zahlreiche Gleitbeutl­er und Possums fand er verkohlt an Zäunen hängend, halbverbra­nnte Schlangen schauten aus dem Boden heraus. „In den Monaten nach den Feuern fanden wir immer wieder tote Vögel, die durch den Rauch noch lange danach verendeten“, sagt er. Alle etwa 20 Koalas, die in der Wildnis hinter seinem Haus lebten, seien verschwund­en.

„Die Bäume erholen sich schneller, aber die Tiere – das dauert länger. Ich würde sagen, mindestens 100 Jahre“, sagt der Tierschütz­er. Besonders gefährdet seien die spezialisi­erten Tiere, die bestimmtes Futter und einen bestimmten Lebensraum brauchen wie die Koalas beispielsw­eise. „All die kleinen Tiere – die Kaninchenk­ängurus, Wallabys und Nasenbeutl­er – fehlen, diese kleinen Ingenieure des Buschs, die das Unterholz kleinhalte­n“, warnt er. Dies könne, sobald es wieder heiß und trocken wird und die Feuer zurückkomm­en, das Risiko eines erneuten Megafeuers erhöhen.

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