Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
„Spaltung hilft nie weiter“
Der SPD-Landesvorsitzende spricht über den Machtkampf in seiner Partei.
DÜSSELDORF Seit der Kommunalwahl tobt in der NRW-SPD ein offener Machtkampf. Zuletzt kündigte Fraktionschef Thomas Kutschaty seine Kandidatur um den Landesvorsitz gegen Amtsinhaber Sebastian Hartmann an. Im Interview mit unserer Redaktion äußert sich Hartmann dazu erstmals öffentlich.
Herr Hartmann, hatte Herr Kutschaty Sie vorher informiert, als er am Donnerstag nach der Stichwahl seine Kampfkandidatur ankündigte?
HARTMANN Er hat mit mir persönlich darüber nicht gesprochen. Ich habe an dem Donnerstag eine Mail von ihm bekommen.
Hat Sie der Schritt überrascht?
HARTMANN Ja, das hat er. Nach meinem Eindruck befanden wir uns in der SPD-Führung in einem konstruktiven Dialog darüber, wie man die SPD nach der Kommunalwahl voranbringt.
Am Sonntag der Stichwahl gab es ein Gespräch, an dem auch der SPD-Bundesvorsitzende Walter-Borjans teilnahm. Man legte Ihnen nahe, nicht erneut für den Landesvorsitz zu kandidieren… HARTMANN …in dem Gespräch ging es ganz grundsätzlich um die Aufstellung der NRW-SPD.
Man hat Ihnen dort signalisiert, dass Sie keinen ausreichenden Rückhalt mehr haben… HARTMANN Es handelte sich um ein vertrauliches Gespräch, deswegen äußere ich mich nicht zu Einzelheiten. Nur so viel: Allen Beteiligten war klar, dass es eine kollektive Anstrengung im Team braucht – von unserer Arbeit in den Städten und Gemeinden, im Landtag, in der Landespartei bis hin zur Arbeit unserer SPD-Landesgruppe im Deutschen Bundestag. Es geht ums Teamwork.
Wird die SPD-Fraktion im Landtag Ihrer Meinung nach dieser Aufgabe nicht ausreichend gerecht?
HARTMANN Es ist breiter Konsens, dass bei der NRW-SPD als zentralem Teil der Bundespartei alle anpacken müssen, damit wir vorankommen. Im Bund für den Erfolg unseres Kanzlerkandidaten Olaf Scholz, und im Land liegen die Bälle für uns direkt vor dem Tor – angesichts des mehr als durchwachsenen Krisenmanagements von Armin Laschet. Es ist doch klar: Um bei den bevorstehenden Wahlen erfolgreich zu sein, muss die NRW-SPD in den kommenden Wochen und Monaten
im Bund und im Land gleichermaßen auf dem Platz sein. Und wir müssen dafür mit der Bundes-SPD und unserem Kanzlerkandidaten an einem Strang ziehen.
Trotz des schlechten Ergebnisses der SPD bei der Kommunalwahl sprachen Sie von einer Trendwende. Wie kam es dazu?
HARTMANN Der SPD-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans und ich hatten unsere Statements zur Wahl miteinander abgestimmt. Auch er sprach von einer Trendwende. Gemeint war eine Trendwende gegenüber dem schlechteren Ergebnis bei der Europawahl und dem dritten Platz landesweit. Aber ich verstehe die Kritik daran! Klar ist, dass das Ergebnis insgesamt nicht zufriedenstellen kann. Das gilt übrigens genauso für die CDU, sie hat auch ihr historisch schlechtestes Ergebnis eingefahren. Die Union müssen wir gemeinsam stellen.
In der NRW-SPD versammeln sich jetzt einige öffentlich hinter Herrn Kutschaty, andere hinter Ihnen. Wie wirkt sich eine solche Spaltung auf die Wahlchancen der SPD aus?
HARTMANN Ich halte mich zurzeit in der Öffentlichkeit zurück. Demokratischer Wettbewerb kann eine Partei beleben, wenn er konstruktiv ausgetragen wird. Spaltung hilft dagegen nie weiter. Meine Überzeugung ist: Gerade jetzt, wo die Corona-Krise sich weiter zuspitzt, sind Verantwortung und Zusammenhalt gefragt – in der Gesellschaft genauso wie in einer Partei.
Wäre es nicht zum Besten der Partei, wenn einer von Ihnen beiden seine Kandidatur zurückzöge?
HARTMANN Ich bin als Landesvorsitzender angetreten, als nach der verlorenen Landtagswahl niemand den Karren aus dem Dreck ziehen wollte, und habe ein umfangreiches Programm vorgelegt! Ein Teil davon ist noch nicht abgearbeitet. Ich habe meine Rolle immer so verstanden, dass die Aufgaben im Mittelpunkt stehen, so handhabe ich das weiter.
Wie geht es jetzt bis zum Landesparteitag weiter?
HARTMANN Ich bin zu Gesprächen bereit und möchte die Partei gemeinsam voranbringen. Es geht um eine gute Aufstellung zu den Wahlen, zunächst im Bund und dann im Land. Den Landesparteitag haben wir wegen der steigenden Infektionszahlen verschoben. Alles andere wäre auch nicht verantwortbar gewesen. Jetzt rechnen wir frühestens mit einem Termin im Februar. Die Zeit bis dahin darf aber nicht einfach so politisch verstreichen. Wir müssen als Erstes jetzt die praktische Vorbereitung für die Bundestagswahl anpacken. Denn eines ist klar: Die SPD in NRW gibt es nicht um ihrer selbst willen. Und schon gar nicht als politischen Selbstbeschäftigungsverein. Aufgabe der NRW-SPD ist es, für die Menschen in NRW gemeinsam gute Politik zu machen – sozial gerecht, wirtschaftlich vernünftig und zukunftsorientiert.
KIRSTEN BIALDIGA FÜHRTE DAS GESPRÄCH.