Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Kampf gegen die Seuchen
Corona ist nicht die erste Pandemie in Düsseldorf. Die Pest im Mittelalter, im 19. Jahrhundert Cholera und Pocken. Meist kam die Stadt glimpflich davon, heißt es in den spärlichen Quellen.
DÜSSELDORF Immer wieder in seiner über 700-jährigen Geschichte wurde Düsseldorf von Seuchen heimgesucht. Obwohl kaum ein Jahrhundert ohne Massenerkrankung verging, scheint die Stadt meist glimpflich davongekommen zu sein. Zwar ist die Seuchengeschichte der Stadt noch nicht geschrieben. Doch die wenigen vorhandenen Quellen lassen erahnen, dass ihre Existenz – im Gegensatz zu London (1665) oder Wien (1678) – durch hoch ansteckende Krankheiten nie ernsthaft gefährdet war.
Wie in jeder mittelalterlichen Stadt gab es auch in Düsseldorf ein Hospiz für Arme und Kranke, das hier so genannte Gasthaus. Es ist seit 1382 nachweisbar und stand zunächst dort, wo sich heute die Kreuzherrenkirche erhebt. Später wurde es zur Kasernenstraße verlegt. Aus den Rechnungsbüchern geht hervor, dass es immer wieder für Pestkranke zu sorgen hatte. 1571 starb die Tochter des Elementarschullehrers an der Pest. 1577 flohen Schüler des Gymnasiums aus Furcht aus der Stadt. „Wegen der beschwerlicher krankheit der pest“erbat der
Magistrat 1579 beim Landesherrn um die Aussetzung der „Türkensteuer“und schilderte in düsteren Farben die Lage in der Stadt. Die „untertanen zu Dusseldorf“waren „in grossem anzal verstorben, jemerlich verdorben, in merklichen abgang und sonst andere unwidderbringliche beschwierung geraten“. 1606 war die „abscheuliche Krankheit“wieder so heftig aufgetreten, dass Teile der Verwaltung aus der Stadt verlegt wurden.
Flucht aus der Stadt war offenbar das einzig wirksame Heilmittel. Noch war der Kenntnisstand der Medizin deprimierend gering. Aderlass, Brechmittel oder Einläufe schadeten den ohnehin geschwächten Pestkranken mehr als zu helfen. Zum Schutz trugen die Menschen Tücher oder Masken vor dem Gesicht. Und man begann, Pestkranke zu isolieren. Das erste bekannte Isolierhaus stand an der Nord- / Ecke Kaiserswerther Straße. Hier lag auch der „Neue Kirchhof“, den Herzog Wilhelm 1565 als Begräbnisplatz für Pestopfer eingerichtet hatte, um den Friedhof an der Lambertuskirche nicht zu verseuchen.
Das Derendorfer Siechenhaus wurde von einem Ehepaar verwaltet. Seine Tätigkeit beschränkte sich auf die Essensversorgung. Medizinische und pflegerische Betreuung konnten sie nicht leisten. Diese wurde meist an die zahlreichen der Stadt ansässigen Orden abgeschoben. Viele Ordensleute bezahlten diesen Einsatz mit ihrem Leben. 1622 stellten die Kapuziner aus der Flingerstraße sechs Mitbrüder zur Pflege von Pestkranken ab. Alle fielen selbst dem „Schwarzen Tod“zum Opfer.
Mitte der 1660er Jahre durchlitt Düsseldorf die schwerste Pestepidemie. Die Chronik der Karmelitessen (später Theresienhospital) vermerkt 1666: „Die Pest, welche dergestalt alhier eingerissen, daß viele hundert ja tausent Menschen in kurtzer Zeit mit sich genohmen, und manche behausung also durchsuchet, daß nicht ein eintzige Seel darinnen bei Leben erhalten worden. Unser hiesiges Clösterlein war von denen Inficirten Pesthaften persohnen gantz und gar umbgeben. Gegen aufgang und niedergang der sonnen lagen anstoßende häuser voller todten und Krancken, gegen Mittag hatte die Pest ein hauß über aller seiner hausgenossen beraubt und ausgezehrt“.
Hilflos waren die Menschen der Seuche ausgeliefert, obwohl der Magistrat versuchte, die Ausbreitung einzudämmen. So wurde verordnet, „daß in jenen Häusern, worin ein Bewohner mit der Seuche befallen war, gleich die Thüren und Fensterladen verschlossen und ohne Vorwissen des Magistrats nicht eröffnet werden“durften. War ein Haus von der Seuche befreit, mussten die Decken und Federn aus den Betten gereinigt und zu diesem Zweck 48
Stunden in Wasser gelegt werden. Eine Verordnung des Pfalzgrafen untersagte 1665 das Reisen nach infizierten Orten und verlangte von allen ins Land kommenden Personen, sich zuvor an seuchenfreien Orten aufgehalten zu haben.
Bei den Jesuiten an der Mühlenstraße wurde 1666 eine Isolierstation eingerichtet, wo 112 Pestkranke gepflegt und 58 gerettet wurden. Zur Belehrung, wie sich Menschen vor der Krankheit schützen konnten, wurde ein ärztliches Flugblatt in Umlauf gebracht. Zudem war die städtische Apotheke angewiesen, alle von Ärzten vorgeschriebenen Arzneien an die Bevölkerung auszuteilen. Wie wenig indes der Magistrat von der Wirksamkeit der eingeleiteten Präventivmaßnahmen überzeugt war, geht aus einem Schreiben des Stadtrates an den Pfalzgrafen vom 20. September 1666 hervor, in dem die Genehmigung einer Prozession zur Abwendung der Seuche „mit Umtragung hieselbst vorhandenen Heiligthumes um die Stadtwälle“erbeten wurde.
Welchen Verlauf die Prozession nahm und welchen Anklang sie bei der Bevölkerung fand, ist nicht überliefert. Der Zuspruch dürfte aber erheblich gewesen sein, da der Stadtrat bald den beschloss, zu Ehren des Hl. Rochus eine Kapelle in Pempelfort zu erbauen. Die Grundsteinlegung zu der „wegen Befreiung der Stadt von der Pest gestifteten Kapelle“wurde 1667 vom Stiftsdechanten vorgenommen. Drei Jahre später war die Rochuskapelle, die unweit der heutigen Rochuskirche stand, fertiggestellt. Bis zum Abriss 1897 war sie ein in Not- und Seuchenzeiten von Düsseldorfern oft aufgesuchter Bet-, Bitt- und Pilgerort.
Die Gebete in der Rochuskapelle blieben offenbar nicht ungehört. Erst 1866/67 forderte eine Choleraepidemie 111 Tote; 1870/71 starben 452 Düsseldorfer an Pocken. Dank der Fortschritte in Medizin und Hygiene in Folge der Industrialisierung gab es in der Stadt nicht mehr Tote zu beklagen. Beim Aufkommen der Cholera 1866 versuchte der Düsseldorfer Regierungspräsident, mit strengen Hygienevorschriften die Epidemie einzudämmen. „Es giebt Krankheiten“, so der Präsident, „deren Heilung der ärztlichen Kunst nur zu oft nicht gelingt, deren Verbreitung aber sich abwenden läßt“. Da „die Cholera sich vorzugsweise durch die Abgänge der Cholerakranken“verbreitete, mussten „vor Allem die menschlichen Abgänge als die Träger des Ansteckungsstoffes unschädlich gemacht werden“. Alle Latrinen, Senkgruben und Nachtstühle durften erst entleert werden, wenn sie zuvor mit Chlorkalk, Eisenvitrol oder Karbolsäure desinfiziert waren.
Bei den Pocken setzte der Regierungspräsident ganz auf Isolierung. 1871 wurde verfügt, „an den Blattern Erkrankte“in den Krankenhäusern nur in Isolierbaracken aufzunehmen und zu pflegen. Verblieben die Infizierten in ihrer Wohnung, so waren die Häuser „mit einer in die Augen fallenden schwarzen Tafel zu bezeichnen“. Die Tafeln durften erst wieder entfernt erden, nachdem ein „approbirter Arzt oder geprüfter Heildiener in zuverlässiger Weise die Überzeugung gewonnen hat, dass eine Ansteckung seitens des Erkrankten nicht mehr zu befürchten steht“. Alle Mitbewohner im Haus des Erkrankten waren „zur schleunigsten Vornahme der Impfung“verpflichtet. Wer sich weigerte, wurde zwangsgeimpft. Im August 1871 war der Höhepunkt der Pockenepidemie überwunden.
Fast 150 Jahre blieb Düsseldorf seuchenfrei. Bis zum 28. Februar 2020: An diesem Tag wurde in Düsseldorf ein Verdachtsinfizierter erstmals positiv auf COVID-19 getestet. Das Coronavirus hat Düsseldorf erreicht.