Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
„Dan Brown verzerrt uns“
Das Opus Dei ist eine internationale und umstrittene Vereinigung der katholischen Kirche. Ihr Präfekt bemüht sich um Aufklärung.
Können Sie Menschen verstehen, die mit ihrer Angst in der Pandemie auch eine Strafe Gottes sehen?
BOCKAMP Natürlich kann ich die Angst der Menschen verstehen. Als Arzt habe ich immer wieder erlebt, dass Menschen die Frage stellen, warum gerade ihnen dieses und jenes widerfährt. Darauf gibt es keine einfache Antwort. Als Seelsorger kann ich nur daran erinnern: Gott ist kein strafender, sondern ein barmherziger Gott. Aber selbst solche schlimmen Situationen wie die jetzige bieten auch Chancen. Gott kann aus etwas Schlechtem stets auch etwas Gutes entstehen lassen. Selbst wenn es ans Sterben geht, versuchen wir Christen Trost in der Hoffnung zu finden, dass wir nach Gottes Plan eine unsterbliche Seele haben und einst – wie Christus - auferstehen werden.
Wie wichtig ist für Sie das Leiden als Glaubenserfahrung? Und welche Bedeutung hat es für das Opus Dei, etwa mit dem Tragen des sogenannten Bußgürtels?
BOCKAMP In diesem Leben gehören Leiden und Lieben immer zusammen. Wir merken ja auch, wie schwer manchmal das Lieben fällt, wenn man eigene Dinge zurückstellen muss. Jeder macht Erfahrungen, die er als gläubiger Mensch mit den Leiden Christi in Verbindung sehen kann. Das haben wir auch in der Fastenzeit erlebt und dabei im Verzicht einen kleinen Schmerz erlitten. Alles Leiden muss immer das Ziel haben, dass das Herz freier wird für den Umgang mit Gott und die Liebe zum Mitmenschen. Ich bin ja Arzt und weiß, dass das Leibliche und Seelische immer miteinander verbunden ist. Dabei kann mancher körperliche Impuls durchaus helfen; er ist aber nicht das Entscheidende. Es geht nicht darum, den Schmerz um des Schmerzes willen zu verherrlichen. Das wäre unchristlich und würde von einem traurigen Menschenbild ausgehen.
Haben Sie Dan Browns Thriller „Sakrileg“gelesen, in dem das Opus Dei ja nicht gut wegkommt?
BOCKAMP Dan Brown ist zwar spannende Fiktion, aber eine Spezialität für sich. Seine Beschreibung von Opus Dei hat sich sehr stark in den Köpfen verbreitet, hat aber mit der Prälatur fast nur den Namen gemeinsam. Aber zumindest ist das Opus Dei dadurch vielen Menschen bekannt geworden – auch wenn sie damit ausschließlich etwas Konservatives und Obskures verbinden. Trotzdem: Ich empfinde es als Chance, Aufklärung zu betreiben, was Opus Dei wirklich ist und was es nicht ist.
Was ist Opus Dei denn nicht?
BOCKAMP Wir sind vor allem kein Geheimbund. Die meisten Mitglieder sind verheiratet und Menschen, die einfach als konsequente Christen leben. Jeder kann über seine Mitgliedschaft reden, mit wem er will – oder auch nicht will. Da gibt es weder Schweigepflicht noch Redezwang. Man trägt andererseits die Mitgliedschaft nicht wie eine Standarte vor sich her. Und natürlich sind wir Teil der katholischen Kirche und arbeiten eng mit den Bischöfen zusammen. Jeder kann sich auf unserer Website kundig machen. Und außerdem: Weltweit hat Opus Dei 93.000 Mitglieder und 600 in Deutschland, die meisten davon verheiratet. Das ist ja nicht sonderlich viel. Dan Brown verzerrt uns in seinem Thriller zu einem hochorganisierten kriminellen Machtapparat, das ist aber nicht der Fall und hat mit der Wirklichkeit nichts zu tun. Unser Anliegen ist die Katechese und die Hilfestellung, gewöhnlichen Christen bei einem Weg der Christusnachfolge in der Heiligung von Familie und Arbeit beizustehen.
Opus Dei hat in Deutschland die Struktur einer Personalprälatur; ist das ein kleines Bistum für sich?
BOCKAMP Sagen wir es mal so: Es ist ähnlich strukturiert wie ein Bistum, aber mehr nicht. Es gibt einen Oberhirten, es gibt Priester und Gläubige. Der Unterschied ist, dass die Gläubigen sowohl zur jeweiligen Diözese gehören als auch zum Opus Dei.
Weltweit nimmt die Zahl der Katholiken zu, zuletzt um sechs Prozent.
Das steht sehr im Gegensatz zur Entwicklung hierzulande. Woran liegt es?
BOCKAMP Das hat mit immensen Glaubwürdigkeitsverlusten zu tun, vor allem auch durch den Missbrauchsskandal. Außerdem herrscht gerade in der westlichen Welt ein ziemliches Desinteresse, nicht unbedingt an Sinnangeboten, aber doch an einem Glauben, der an Institutionen gebunden ist und mit Bindung zu tun hat. Hinzu kommt eine große Ahnungslosigkeit über das, was der Glaube eigentlich ist. Jetzt ist mehr der einzelne Christ gefordert, der Zeugnis von seiner Freude am Glauben gibt.
Welche Rolle spielt dabei der Synodale Weg, den die Katholische Kirche in Deutschland geht?
BOCKAMP Da stehen wir erst am Anfang. Ich bete dafür, dass es zu guten Fortschritten kommt. Papst Franziskus hat ja in einem bemerkenswerten Brief an das pilgernde Gottesvolk in Deutschland geschrieben, dass die Evangelisierung zum zentralen Thema werden soll.
Welche Rolle spielt dabei die Diskussion über den Zölibat und das Weiheamt für Frauen?
BOCKAMP Eins ist sicherlich klar, dass die Frauen in der Kirche eine große Bedeutung haben. Sie sind unersetzbar in dem, was sie tun. Dass man das mit Weiheämtern verbinden muss, sehe ich nicht. Im Opus Dei gibt es mehr Frauen als Männer. Sie haben auch wichtige Leitungsaufgaben in zentralen, regionalen und lokalen Gremien. Das Wichtige ist, wie man sein Christsein im Alltag lebt, im Freundeskreis etwa oder am Arbeitsplatz, im Sportverein und natürlich in der Familie.
Wie wichtig sind Macht und Einfluss für Opus Dei? Monsignore Markus Hofmann ist immerhin Generalvikar im bedeutenden Kölner Erzbistum.
BOCKAMP Einfluss auf die Bistümer ist kein Ziel des Opus Dei, sondern die Förderung des Christseins im Alltag. Wenn aber einzelne Mitglieder des Opus Dei Einfluss auf Gemeinde oder Bistum nehmen wollen, ist das ihre Sache. Schließlich sind sie normale Bistumsangehörige. Aber noch zu Generalvikar Hofmann, um Missverständnisse zu vermeiden: Er ist kein Priester des Opus Dei und kann es nicht sein, weil er Priester des Erzbistums ist. Er gehört aber der „Priestergesellschaft vom Heiligen Kreuz“an. Diese Vereinigung begleitet Priester in ihrem religiösen Privatleben im Sinne des Opus Dei, hat aber keinerlei Weisungsbefugnis.
Wir werden in Deutschland bald eine Kirche fast ohne Seelsorger sein. Was kann man da tun?
BOCKAMP Am Ende des 19. Jahrhunderts war schon einmal ein Drittel aller Pfarrstellen unbesetzt. Und dann gab es wieder einen großen Aufschwung. Es muss ein Anliegen der ganzen kirchlichen Gemeinschaft sein, für den Priesternachwuchs zu beten. Die Herzen sind offen für große Ideale. Der Herr der Kirche wird uns nicht allein lassen.
LOTHAR SCHRÖDER FÜHRTE DAS INTERVIEW.